IM GESPRÄCH: GORAN VASILJEVIC, LINGOHR & PARTNER ASSET MANAGEMENT

"Indikatoren sprechen für Value"

Der CIO zu Mikro-Blasen, der Tech-Bubble und warum Anleger aktuell Qualitätstitel bevorzugen sollten

"Indikatoren sprechen für Value"

Nach mageren Jahren besteht derzeit viel Potenzial für Value-Aktien, so der CIO von Lingohr & Partner. Um langfristig an den Aktienmärkten erfolgreich zu sein, müsse man antizyklisch investieren.Von Werner Rüppel, FrankfurtBeim vor 25 Jahren gegründeten unabhängigen Assetmanager Lingohr & Partner ist man vom langfristigen Erfolg des Value-Investings sowie vom systematischen, quantitativen Fondsmanagement überzeugt. Gründer Frank Lingohr, der als Vorreiter der computergestützten Aktienselektion gilt, ist 2015 im Alter von 69 Jahren verstorben. Seit April 2018 lenkt Goran Vasiljevic (37) als Sprecher der Geschäftsführung die Gesellschaft, die Assets über rund 4 Mrd. Euro verwaltet. Gleichzeitig fungiert Vasiljevic weiterhin als Chief Investment Officer (CIO) von Lingohr & Partner.”Viele Indikatoren sprechen aktuell für Value-Aktien”, erklärt Vasiljevic im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Nach schwierigen Zeiten für diese Titel in den vergangenen Jahren erhalten Substanzwerte jetzt zunehmend Rückenwind.” So sei zum einen die Bewertungsdispersion, sprich die Differenz zwischen den Bewertungen, derzeit sehr hoch. “Es gibt viele Mikro-Blasen”, erläutert Vasiljevic. “Je mehr es zu solchen Bubbles kommt, desto wahrscheinlicher ist ein struktureller Bruch.”Zum anderen sei in Europa der Unsicherheitsindex deutlich angestiegen. Vor diesem Hintergrund dürften Investoren Qualitätsaktien bevorzugen. Dies schaffe weiteres Potenzial für Value. Darüber hinaus entwickle sich die Wirtschaft weltweit positiv. “Und in zyklischen Sektoren sind meist Value-Aktien zu finden”, sagt Vasiljevic. Hinzu komme, dass die Zinsen wieder ansteigen. Historisch gesehen würden in Phasen, in denen die Zinsen steigen und sich die Wirtschaft stabil entwickelt, Value-Aktien besser abschneiden als Growth-Titel. Tesla nur HoffnungswertVasiljevic warnt davor, prozyklisch anzulegen und auf die Highflyer der vergangenen Monate oder Jahre zu setzen. “Um langfristig an den Aktienmärkten erfolgreich zu sein, muss man antizyklisch investieren”, erklärt er. Als Negativbeispiel für prozyklisches Investieren führt er die Tech-Bubble an. Anfang 2000 habe der Anteil der zehn größten Technologiewerte am S&P-500-Index beinahe 25 % betragen. Kein einziger dieser Titel habe dann in den darauf folgenden 18 Jahren den Markt geschlagen. Im Durchschnitt hätten sich diese Titel in dieser Zeit mehr als drei Prozentpunkte pro Jahr (um etwa 70 %) schwächer entwickelt als der Gesamtmarkt. Aktuell warnt der CIO von Lingohr & Partner vor Investitionen in Hoffnungswerte wie Tesla. Statistisch sei es unwahrscheinlich, dass eine Anlage in diesen Titel erfolgreich sei. Man müsse sich nur fragen, was alles passieren müsse, damit die Tesla-Aktie ihre aktuelle Bewertung einigermaßen rechtfertige.Vor dem geschilderten Hintergrund stuft Vasiljevic rein passives Investieren als riskant ein. Problematisch sei, dass einzelne Titel mit zuletzt hohen Kursgewinnen in nach Marktkapitalisierung berechneten Indizes hoch gewichtet seien. “In passiven Produkten bestehen hohe Klumpenrisiken”, erklärt er. “Wenn der Markt einbricht, ist hier keinerlei Schutz gegeben.” Im Gegensatz dazu sorge bei gut gemanagten aktiven Produkten die Fokussierung auf günstig bewertete Titel zumindest für eine gewisse Sicherheit. Quantitatives Modell “Chicco”Um Titel mit einem hohen Substanzwert zu finden, hat Lingohr & Partner das hauseigene Selektionsmodell “Chicco” entwickelt. Wobei Chicco für “Cash in” und “Cash out” steht. Um den Namen besser aussprechen zu können, sei dann noch ein “c” in der Mitte ergänzt worden.Das quantitative Modell wählt aus sieben fundamentalen Kennziffern jede Woche die am günstigsten bewerteten Titel aus. “Wir fokussieren uns dabei auf einen guten Cash-flow und eine starke Bilanz”, sagt Vasiljevic. “Eine hohe Verschuldung stellt für uns hingegen ein Risiko dar.” Auch Deep-Value-Faktoren wie Kurs-Buchwert-Verhältnis und Shiller-KGV sowie Business-Momentum und Gewinnmargen würden in das Modell miteinfließen. Small-Cap-Fonds geplantAktuell umfasst das Anlageuniversum 4 000 größere Aktientitel (Large Caps), davon würden rund 350 Titel vom System zur Investition freigegeben. “In Kürze planen wir noch 8 000 Small Caps zu bewerten”, erklärt Vasiljevic. Die Gesellschaft beabsichtigt nämlich, ihre Produktpalette auszuweiten, und will noch im zweiten Halbjahr Small-Cap-Fonds auflegen.Anhand der Vorgaben von Chicco konstruieren die fünf Portfoliomanager die jeweiligen Depots. “In unseren Lösungen investieren wir breit gestreut und gewichten alle Aktien gleich”, erläutert der Lingohr-CIO. Die Gesellschaft bietet nur Aktienprodukte an. Ziel der Fonds und der Mandate sei es, langfristig, sprich über den Zyklus hinweg, Outperformance zu erzielen. Fokus auf InstitutionelleAktuell lenkt Lingohr & Partner 28 Fonds, davon sind etwa die Hälfte Spezialfonds. Kunden habe die Gesellschaft auch im Nahen Osten und in England. Rund die Hälfte der betreuten Assets entfallen jeweils auf Retail- und auf institutionelle Kunden. Zur Ausrichtung erklärt Vasiljevic: “Unser größter Fokus liegt im institutionellen Geschäft.”