GELD ODER BRIEF

Japan Airlines startet durch

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 10.5.2013 Das Bild vom Phönix aus der Asche passt perfekt zu Japan Airlines (JAL). Anfang 2010 erlebte die japanische Fluggesellschaft eine Bruchlandung und ging mit 30 Mrd. Dollar Schulden in die geordnete...

Japan Airlines startet durch

Von Martin Fritz, TokioDas Bild vom Phönix aus der Asche passt perfekt zu Japan Airlines (JAL). Anfang 2010 erlebte die japanische Fluggesellschaft eine Bruchlandung und ging mit 30 Mrd. Dollar Schulden in die geordnete Insolvenz. Nach einem dreijährigen Turnaround gelang unter staatlicher Aufsicht im September 2012 dann ein phänomenales Börsen-Comeback. Es war das weltweit zweitgrößte IPO des Jahres nach Facebook. Im Vorher-nachher-Vergleich sackte der Umsatz zwar um 36% auf 1,24 Bill. Yen (10,1 Mrd. Euro), weil unrentable Strecken gestrichen und spritfressende Jumbo-Jets verkauft wurden. Doch die Betriebsausgaben fielen um fast die Hälfte auf 1,04 Bill. Yen. Aus dem Nettoverlust von 63 Mrd. Yen (2008) wurde ein Reinertrag von 172 Mrd. Yen (2012: 1,3 Mrd. Euro). Die Sanierung drückte die zinspflichtigen Verbindlichkeiten von 809 Mrd. Yen auf 160 Mrd. Yen. 2012 stand die “neue” JAL mit einer operativen Rendite von 15,8% an der Spitze der großen Airlines (Lufthansa: 2,3%). Die Rivalen sehen alt ausAuch der Ausblick für das neue Geschäftsjahr lässt viele Rivalen alt aussehen. Zwar schätzt JAL die Geschäftsaussichten schlechter ein als im Vorjahr: Der Umsatz soll um 2,7% auf 1,27 Bill. Yen wachsen, der Vorsteuergewinn aber um 32% auf 127 Mrd. Yen und der Nettoertrag um 31% auf 118 Mrd. Yen fallen. Unterm Strich würde JAL damit jedoch noch 2,6-mal mehr verdienen als der Dauerkonkurrent All Nippon Airways (ANA). Die beiden bilden im japanischen Markt ein Duopol. ANA sagt einen Nettoertrag von 45 Mrd. Yen für 2013 vorher. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von JAL für das laufende Jahr beträgt niedrige 5,7 (Lufthansa: 13,1). Das Kurs-Buch-Verhältnis von 1,6 ist bei JAL genauso hoch wie bei Lufthansa.Trotz der guten Kennzahlen und der im globalen Vergleich hervorragenden Gewinnaussichten zählte die JAL-Aktie in den vergangenen Monaten nicht zu den Kursraketen. Während Nikkei und Topix seit Mitte November in Yen gerechnet um über 60% zulegten, zog der JAL-Kurs nur um 30% an, wovon zwei Drittel erst seit Mitte April erzielt wurden. Die Aktienschwäche ging teilweise auf das Konto von höheren Treibstoffkosten als direkte Folge der Yen-Abwertung sowie des Flugverbots für die Boeing 787. Erst am 1. Juni kann JAL ihre sieben Dreamliner-Maschinen wieder einsetzen. Einschließlich notwendiger Batterie-Umbauten schmälert dies im laufenden Geschäftsjahr den Umsatz um 4,8 Mrd. Yen und den Gewinn um 2,6 Mrd. Yen. Einen Teil davon dürfte sich JAL allerdings von Boeing zurückholen. Das JAL-Management hat bereits öffentlich einen Ausgleich gefordert.Die Analysten von Nomura sehen noch einen triftigen Grund für die Kursschwäche. Der Aufschwung an der Tokioter Börse wird von ausländischen Investoren getragen, die innerhalb eines halben Jahres rund 60 Mrd. Euro ins Börsenviertel Kabutocho leiteten. Doch die JAL-Titel stehen ganz unten auf ihren Kauflisten. Der Grund ist die gesetzliche Ausländerquote von maximal 33,3% bei Fluggesellschaften. Alle Aktionäre aus dem Ausland über dieser Quote werden nicht registriert und erhalten deshalb weder ein Stimmrecht noch eine Dividende. Bei einer Ausländerquote von knapp 40% im Oktober 2012 besteht derzeit kein Kaufanreiz. Japan Airlines will zwar auf der Hauptversammlung im Juni beschließen, dass die Dividendenzahlung an die Aktie und nicht an das Stimmrecht gekoppelt wird. Doch diese Neuregelung würde erst zum Ende des Geschäftsjahres im März 2014 wirksam, sodass sich Auslandsinvestoren mit dem Aktienkauf Zeit lassen können.Ein mittelfristiger Unsicherheitsfaktor ist die Auswirkung von Billigfluglinien auf das Geschäft von JAL. Weltweit ist Japan mit 80,4 Millionen Passagieren (2011) der viertgrößte Flugmarkt nach den USA, China und Brasilien. Im Zuge der Sanierung hat JAL (Anteil 2011: 37,2%) die Marktführung in Japan an ANA (47,2%) abgetreten. Mit ihrem Schwerpunkt von 60% der Umsätze ist JAL vom Inlandsmarkt abhängiger als ANA.Der Markteintritt von vier Billigfliegern seit 2011, die zuletzt erst 4% der Passagiere transportierten, verschärft nun den Wettbewerb, sodass mittelfristig die Einnahmen je Flugkilometer in Japan sinken dürften. Zwar baut JAL das Auslandsgeschäft durch Partnerschaften mit British Airways und Finnair aus, doch die Flotte sparsamer Langstrecken-Maschinen wächst nur langsam. Vorausschauend hat sich JAL mit einem Drittel am Billigflieger Jetstar Japan beteiligt, der im Juli 2012 mit drei Flugzeugen auf die Startbahn rollte. Der japanische Ableger der asienweit größten Billigfluglinie und Qantas-Tochter Jetstar Airways will die Zahl seiner Flugzeuge bis Ende 2014 auf 18 erhöhen. Doch wegen der teuren Flughafen-Gebühren ist die Marge der Billigflieger in Japan niedrig. Auch wegen der hohen Anlaufkosten droht der JAL-Beteiligung daher eine längere Durststrecke.Potenzielle Investoren sollten auch genau beobachten, ob das JAL-Management nicht in die Arroganz und Larmoyanz der alten Zeiten zurückfällt, als Finanzlöcher mit Steuergeldern gestopft wurden. Der Management-Guru Kazuo Inamori als Chefsanierer brachte Management und Belegschaft zum Umdenken und setzte sein Konzept vom “Amöben-Management” durch: Jede Geschäftseinheit bis hin zur einzelnen Flugstrecke ist nun selbst dafür verantwortlich, in der Gewinnzone zu bleiben. Unter der Anleitung des 81-Jährigen entstand die Firmenbibel “JAL-Philosophie”, die die Arbeitseinstellung der 32000 Mitarbeiter grundlegend verändern soll – weg vom Beamten- hin zum Gewinndenken. Bei seinem Abschied Mitte März warnte Inamori die 200 höchsten JAL-Manager davor, aufgrund der bisherigen Erfolge übermütig zu werden. Einige Wochen später riet er der Fluglinie zum Kauf von sparsamen Flugzeugen wie dem neuen A350. Es sei anormal, dass JAL völlig von Boeing abhängig sei, so Inamori. Im mittelfristigen Management-Plan verspricht JAL, den auf Gewinn fokussierten Kurs weiter zu verfolgen. Das wäre ein guter Grund, die Aktie zu kaufen.