Anleger werden nervös

Japans Aktien und Anleihen brechen ein

Aufruhr an Japans Märkten. Sorge bereitet den Anlegern eine womöglich deutlich stärkere Kreditaufnahme des Staates. Die Japan-Bonds erreichten Rekordrenditen.

Japans Aktien und Anleihen brechen ein

Japans Aktien und Anleihen brechen ein

An der Tokioter Börse reagieren vor allem ausländische Anleger nervös auf mehrere Brandherde an den Finanzmärkten

An Japans Finanzmärkten sind Aktien und Staatsanleihen unter die Räder gekommen. Sorgen bereitet Anlegern, dass der Staat noch mehr Schulden machen könnte als bislang vorgesehen. Das wirft Fragen über die Platzierbarkeit von Anleihen auf. Die Renditen der japanischen Staatsbonds erreichten Rekordwerte.

mf/kjo Tokio/Frankfurt

Ein Einbruch der Tech-Aktien in den USA, anhaltende Kursverluste am Kryptomarkt und neue Sorgen über die Staatsfinanzen haben Japans Finanzmarkt am Dienstag erschüttert. Der Nikkei 225 baute seine Verluste zum Handelsschluss auf 3,2% aus und verzeichnete den größten prozentualen Rückschlag seit Anfang April. Der breitgefasste Topix gab 2,9% nach. Der Yen setzte seine Abwertung fort und wurde um 155 zum Dollar gehandelt. Die Renditen der Staatsanleihen kletterten teils auf Rekordhöhen.

Nervöse Tech-Anleger

Japanische Halbleiter-Aktien erlitten nach dem Rückgang ihrer Pendants in den USA ebenfalls höhere Kursverluste. Die bevorstehende Veröffentlichung der Geschäftszahlen von KI-Marktführer Nvidia am Mittwochabend machte Tech-Anleger nervös. Softbank Group, von Auslandsanlegern oft als KI-Fonds verwendet und die zweitschwerste Aktie in Japan, brachen um 7,5% ein. Der Chip-Wert Tokyo Electron, die Nummer 8 in der Marktkapitalisierung, verlor 5,5%. Die Kabelhersteller Furukawa Electric, Sumitomo Electric und Fujikura gehörten zu den schlechtesten Performern im Nikkei, während die Chip-Ausrüster Ibiden und Shift ebenfalls schwach abschnitten.

Auch die Papiere von Exporteuren schlossen überwiegend niedriger, obwohl der Yen gegenüber dem Dollar und dem Euro an Wert verlor, da eine Abkühlung der US-Wirtschaft befürchtet wird. Ein schwächerer Yen steigert die Gewinne aus dem Ausland bei der Rückführung und macht japanische Produkte im Ausland preislich wettbewerbsfähiger. Dennoch rutschten Toyota, Japans schwerste Aktie, um 2,9% und Sony um 3,1% ab.

Die Verluste am Aktienmarkt in Tokio spiegelten auch Sorgen über die US-Wirtschaft wider. Auslandsanleger ziehen ihr Kapital oft zuerst in Tokio ab, wenn die Weltwirtschaft zu schwächeln droht. In den USA warten Anleger auf Arbeitsmarktdaten, die aufgrund des Stillstands der US-Regierung erst in dieser Woche verspätet veröffentlicht werden. „Die Sorge wächst, dass sich die US-Wirtschaft verschlechtern wird, wenn die Federal Reserve die Zinsen im Dezember nicht senkt“, sagte Masahiro Ichikawa, Chef-Marktstratege des Vermögensverwalters Sumitomo Mitsui DS Asset Management, der Nachrichtenagentur Kyodo.

Möglicherweise bewerten Auslandsanleger auch gerade den japanischen Finanzmarkt neu. Nach der Wahl von Sanae Takaichi zu Japans erster Premierministerin am 21. Oktober stiegen die Aktienkurse, weil sie durch höhere staatliche Ausgaben das Wirtschaftswachstum ankurbeln und gleichzeitig die Zinsen niedrig halten will. Doch dieser „Takaichi Trade“ scheint sich nun zu einem „Sell Japan-Trade“ zu wandeln. Der Nikkei 225 liegt bereits unter seinem Stand des Tages, an dem Takaichi gewählt wurde.

Sie hatte versprochen, eine „verantwortungsvolle und pro-aktive Fiskalpolitik“ verfolgen. Doch das geplante Konjunkturpaket fällt offenbar so groß aus, dass viele Anleihe-Investoren nervös werden. Bisher hatte der Finanzmarkt ein Paket mit Steuersenkungen und Investitionen im Volumen von 13,9 Bill. Yen (77 Mrd. Euro) erwartet. Das entsprach dem Umfang des Nachtragshaushaltes ihres Vorgängers Shigeru Ishiba am Jahresende 2024.

Doch Finanzministerin Satsuki Katayama deutete am Wochenende an, dass das Stimulus-Volumen „deutlich über“ 17 Bill. Yen (95 Mrd. Euro) liegen könnte. Am Montag legte ein Mitglied des neuen Wachstumsrats, Goshi Kataoka, noch eine Schippe drauf und sprach gegenüber Reuters von einer Summe von 23 Bill. Yen (128 Mrd. Euro). Davon würden 10 Bill. Yen über neue Staatsanleihen finanziert.

In der Folge droht Japans Schuldenquote, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, nach längerer Stagnation wieder zuzunehmen. Zugleich verliert der Devisenmarkt das Vertrauen in Japans Währung, was wiederum die Inflation in Japan anheizt. Takaichi hatte jedoch die Bekämpfung der Inflation zu ihrer „Priorität“ erklärt. Vor diesem Hintergrund scheint die Notenbank nicht bereit zu sein, beim Leitzins still zu halten, um Takaichi das Schuldenmachen zu erleichtern.

Höhere Leitzinsen

Nach eigenen Angaben sagte der Gouverneur der Bank of Japan, Kazuo Ueda, der Premierministerin bei ihrem ersten persönlichen Gespräch am Dienstag, dass die Zentralbank die Zinssätze schrittweise anheben werde. Takaichi stellte laut Ueda bei dem Gespräch keine Forderungen hinsichtlich der Geldpolitik. Dennoch erwarten viele Analysten den nächsten Zinsschritt erst für Januar. Die Notenbank dürfte voraussichtlich erst ihre Tankan-Umfrage zum Geschäftsklima abwarten, die am 15. Dezember veröffentlicht wird.

Die Sorgen vor einer erhöhten Kreditaufnahme, um damit die Wirtschaft zu stimulieren, hinterließ an den Staatsanleihemärkten des Landes deutliche Spuren. Die Renditen der Schuldpapiere stiegen deutlich an. Die Rendite der 40-jährigen japanischen Staatsanleihen, Japans längste Bondlaufzeit, kletterte um 8 Basispunkte auf rekordhohe 3,68%. Die Rendite der 20-jährige Japan-Bonds erreichte mit 2,81 % den höchsten Stand seit Juli 1999.

Bedenken haben Anleger, dass die Platzierbarkeit der Anleihen nicht mehr gegeben sein könnte. Vor diesem Hintergrund werden die Investoren die nächste Auktion von Staatsanleihen und damit den Investorenappetit genau im Auge behalten. Diese Auktion steht bereits am Mittwoch an. Unter den Hammer kommen 20-jährige japanische Staatsanleihen im Wert von rund 800 Mrd. Yen (5,16 Mrd. US-Dollar). Anleger reagierten am Dienstag noch nicht mit einer enormen Flucht in sichere Häfen wie etwa Bundesanleihen. Die Bundestitel zeigten nur sehr leichte Renditerückgänge. Die zehnjährige Bundrendite fiel von 2,71% auf 2,69%. Gold konnte mit einem Plus von 0,7% etwas zulegen.