KreditwürdigBank- und Unternehmensanleihen

Kreditvergabetrends geben Anlass zur Sorge

Die jüngsten Umfragen von Europäischer Zentralbank und der Federal Reserve zeigen, dass sich die Kreditvergabestandards der Banken für Unternehmenskredite zuletzt weiter verschärft haben. Das verheißt nichts Gutes.

Kreditvergabetrends geben Anlass zur Sorge

KREDITWÜRDIG

Kreditvergabetrends geben Anlass zur Sorge

Von Marco Stöckle*)

Die massive Verschärfung der Kreditvergabestandards auf beiden Seiten des Atlantiks verheißt nichts Gutes. In der Regel geben diese umfragebasierten Daten eine gute Orientierung für die Entwicklung der tatsächlichen Kreditvergabe in den Folgequartalen. Der jüngste Bank Lending Survey (BLS) der EZB von voriger Woche und der Senior Loan Officer Survey (SLOOS) der Fed von dieser Woche zeigen, dass sich die Kreditvergabestandards der Banken für Unternehmenskredite in den vergangenen drei Monaten per saldo weiter verschärft haben. Sowohl der SLOOS als auch der BLS zeigen zudem einen weiteren Anstieg des Anteils der Banken, die über restriktivere Kreditvergabekriterien berichten – im Fall des BLS auf mehr als 27%.

Tiefe Bremsspuren

Diese Dynamik ist ein deutliches Indiz für die tiefen Bremsspuren, die die geldpolitische Straffung nach gut einem Jahr bereits hinterlassen hat. Dank Zinserhöhungen und Liquiditätsentzug (Stichwort Quantitative Tightening) ist es für Unternehmen schon jetzt deutlich schwieriger, Kredite zu bekommen – und wenn, dann oft nur zu ungünstigeren Bedingungen, sei es aufgrund höherer Spreads, restriktiverer Kreditvereinbarungen (Covenants) oder kleinerer Kreditvolumina.

Insbesondere für kleinere Mittelständler und Unternehmen ohne jeglichen Kapitalmarktzugang sind diese Probleme im Vergleich zu einer völligen Ablehnung jedoch weit weniger gravierend. Der fortgesetzte Anstieg der Ablehnungsquoten von Kreditanträgen auf breiter Basis gibt daher Grund zur Sorge, zumal er vor dem Hintergrund eines Einbruchs der Nachfrage, d.h. der Kreditanträge, zu interpretieren ist.

Die Probleme im US-Regionalbankensegment sind zum einen eine Folge des geldpolitischen Kurswechsels. Zum anderen unterstreichen sie aber das gestiegene Risiko einer echten Kreditklemme. Ein solches „Credit Crunch“-Szenario würde weit über die bisherige Abkühlung hinausgehen und würde einen abrupten und disruptiven Einbruch der Kreditvergabe im gesamten Bankensektor bedeuten. Ein solches Szenario wäre sehr kostspielig und würde in den USA wie in Europa zu deutlich tieferen Rezessionen führen.

Natürlich hätte dies negative Konsequenzen für den Bankensektor. Vor dem Hintergrund ihrer fundamentalen Stärke finden wir die Euro-Anleihen starker europäischer Banken wie auch großer US-Banken auf den derzeitigen Spreadniveaus aber nach wie vor grundsätzlich attraktiv und sind entsprechend übergewichtet. Wir denken jedoch, dass es erst zu einer nachhaltigen Erholung bzw. Einengung relativ zu den Spreads von nichtfinanziellen Unternehmen (Non-Financials) kommen wird, wenn sich eine dauerhafte Beruhigung der Lage abzeichnet.

Anders verhält es sich mit Non-Financials, insbesondere solchen mit schwächeren Ratings und Zinsdeckungskennzahlen. Hier sehen wir kurzfristig auch außerhalb von schwerwiegenden Negativszenarien wie z.B. einem „Credit Crunch“ mit Ursprung in den USA ein ungünstiges Chance-Risiko-Verhältnis. Bereits vor den Ereignissen im März waren wir besorgt über die Auswirkungen einer strafferen Geldpolitik und restriktiverer Finanzierungsbedingungen für diese Unternehmen. Ende Februar bekräftigten wir unsere Untergewichtung von Single-Bs, da wir eine Erosion der Zinsdeckung und große Herausforderungen für schwächere Emittenten mit ungünstigen Fälligkeitsprofilen befürchteten.

Die sich dem Ende zuneigende Berichtssaison hat zwar in der Tat sowohl in den USA als auch in Europa einen deutlichen Anstieg an positiven Gewinnüberraschungen gebracht; bei gleichzeitigem Rückgang der Negativüberraschungen. Es ist natürlich beruhigend, dass die Lage am aktuellen Rand augenscheinlich nicht schlechter, sondern besser als erwartet ist. Wir sehen jedoch keinen Grund zur Entwarnung. Der Berichtssaison ging ein massiver Verfall der Gewinnerwartungen voraus, und trotz Stabilisierungsanzeichen sehen wir noch keine Trendwende – bestenfalls erscheint die Talsohle erreicht.

Mit Blick auf Unternehmensanleihen ist daher unseres Erachtens festzuhalten, dass Ergebnisse nach dem Motto „nicht so schlecht wie befürchtet“ längst nicht ausreichen, um die derzeitigen oder sogar noch engere Risikoprämien von Non-Financials zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere für High Yield (HY), wo die Überdeckung der Zinslast durch Gewinne (Ebitda) naturgemäß viel niedriger als in Investment Grade (IG) ist. Auch in einem Szenario ohne Kreditklemme sollten die Ausfallraten im spekulativen Bereich steigen. Die Ratingagenturen erwarten Niveaus oberhalb des Durchschnitts der letzten 20 Jahre. Zwar nehmen sich z.B. die etwas über 4%, die Moody’s für Europa bis Ende März 2023 erwartet, im Vergleich zu Krisenniveaus noch sehr moderat aus. Aber auch ohne gravierende Krise wäre dies ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2022 – mit erheblicher Luft nach oben in Abwärtsszenarien.

Die Ereignisse in der Bankenwelt und die daraus resultierende Verschärfung der Kreditvergabestandards haben unsere Bedenken gegenüber dem unteren Ende des Ratingspektrums nur noch verstärkt. Gleichzeitig notieren die Spreads für Euro-HY-Anleihen mit rund 475 Basispunkten auf Indexebene trotz einer zwischenzeitlichen Wiederausweitung immer noch gut 60 Basispunkte unter den Hochs vom März. Die Grafik verdeutlicht die Divergenz zwischen Kreditklima und Spreads am Beispiel von Euro-HY-Non-Financials-Senior-Anleihen und unterstreicht die Verschlechterung des Chance-Risiko-Verhältnisses sehr deutlich.

In einigen Monaten wird sich die Visibilität in Bezug auf die Makrolage und die Risikoverteilung hoffentlich wieder verbessert haben, so dass die Spreads das Jahr trotz allem noch sichtbar enger als heute beenden könnten. Dies setzt jedoch eine Stabilisierung und keine weitere Verschärfung des Kreditumfelds voraus.

Kurzfristig halten wir die derzeitigen Bewertungen dank des bereits schwierigen Umfelds für schwächere Schuldner und des verschlechterten Risikoausblicks jedoch für zu ambitioniert. Bei Euro-Unternehmensanleihen empfehlen wir daher derzeit eine taktische Untergewichtung von High Yield gegenüber Investment Grade.

*) Marco Stöckle leitet das Credit Strategy Research der Commerzbank.

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