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Bankenstress sorgt für Einstiegschancen

Bei Banken mit hohen Eigenkapitalquoten und einem breit aufgestellten Geschäftsmodell erscheinen AT1- und Nachranganleihen nach der Spread-Ausweitung nun durchaus attraktiv.

Bankenstress sorgt für Einstiegschancen

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Bankenstress sorgt für Einstiegschancen

Von Michael Klawitter*)

Die Sorgen vor einer systemischen Bankenkrise in den USA und Europa scheinen nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank sowie dem „Fast-Ausfall“ der Credit Suisse zunächst gebannt. Das entschiedene Handeln der Aufsichtsbehörden und Notenbanken in den USA und der Schweiz sollte ausreichen, um die Wogen am Markt zu glätten. Allerdings dürften die Risikoprämien vor allem bei der Bewertung von Bankanleihen trotzdem auf im Vergleich zu vor dem Bankenbeben erhöhten Niveaus verharren.

Folgen der Straffung

Denn ein Teil der Unruhen im Bankensektor spiegelt die normalen Symptome wider, die mit der geldpolitischen Straffung der Zentralbanken und der dadurch verursachten realwirtschaftlichen Abschwächung einhergehen. Vor allem Anleihen wie AT1 und Nachränge, die in der Bail-in Hierarchie deutlich über Senior-Anleihen stehen und unter bestimmten Voraussetzungen zur Verlustabsorption herangezogen werden können, dürften kritischer betrachtet werden. Dies führt einerseits zu strukturell höheren Spreads, aber auch zu einer stärkeren Differenzierung zwischen den einzelnen Emittenten. Anleihen von hoch gerateten Banken, die in der Krise in „Sippenhaft“ genommen wurden und entsprechend starke Spreadausweitungen durchliefen, können damit aktuell interessante Einstandskurse bieten. Für die Bemessung der Risikoprämien bei Bankanleihen wird der Fokus der Investoren in den kommenden Monaten vor allem auf drei unterschiedlichen Aspekten liegen: den Risiken auf der Passivseite der Bankbilanzen, den Risiken auf der Aktivseite sowie möglichen strukturellen Auswirkungen des Bail-ins der AT1-Anleihen von Credit Suisse auf die relativen Kosten der Kapitalstruktur der Banken. Beim Blick auf die Passivseiten liegt der Fokus besonders auf der Stabilität der Kundeneinlagen. Vor allem bei kleinen Banken in den USA, aber auch in Europa machen diese mit teilweise mehr als 70% den wichtigsten Teil der Bankenfinanzierung aus. Ausgehend von den – auch in den kommenden Monaten – weiter steigenden Leitzinsen der Fed und der EZB besteht die Sorge, dass Bankkunden ihre Einlagen in höher verzinste Wertpapiere oder Geldmarktfonds umschichten werden.

In den USA erlitten kleine Banken seit Anfang März mit 220 Mrd. US-Dollar den stärksten je verzeichneten Rückgang von Kundeneinlagen. Eine solche Entwicklung stellt kleine Banken vor große Probleme. Denn sie haben schon in normalen Zeiten Schwierigkeiten beim Zugang zu günstigem Fremdkapital über den Kapitalmarkt und folglich müssen Abflüsse von Einlagen auf der Passivseite recht schnell durch einen Abbau der Aktivseite der Bilanz kompensiert werden. Aktiva müssen zu (fast) jedem Preis verkauft werden. Im Normalfall sind dies Verkäufe aus den Anleiheportfolios, was jedoch aktuell bei einzelnen Banken aufgrund hoher unrealisierter Verluste schwierig sein kann. Laut Schätzungen beliefen sich die unrealisierten Verluste amerikanischer Banken auf ihre Anleiheportfolien per Ende 2022 auf 620 Mrd. US-Dollar. Eine Liquiditätskrise kann sich so schnell zu einer Solvenzkrise entwickeln. Liquiditätshilfen der Zentralbanken sind zwar als Nothilfen geeignet, lösen aber nicht das grundlegende Problem bei Einlagenabflüssen. Die Sorge vor einer Ausdünnung der Bankeinlagen wird Investoren in den USA und der Eurozone damit weiter umtreiben und vor allem bei kleineren Banken dürften dauerhaft erhöhte Risikoprämien gefordert werden.

Neben der Passivseite der Bilanz rückt, ausgehend von den scharfen Zinssteigerungen der vergangenen Quartale, auch die Aktivseite der Bankbilanzen in den Fokus. Jenseits der unrealisierten Verluste auf Anleihebestände gilt dies vor allem für die Kreditbücher im Bereich gewerblicher Immobilienfinanzierung. Denn in diesem Segment reagieren die Preise recht zyklisch auf Zinsveränderungen und inzwischen dominieren in den USA und Europa Preisrückgänge. Trotz der Bewertungspuffer nehmen die Sorgen vor Kreditausfällen zu. Die schon im Vorfeld des Bankenbebens vor allem in den USA deutlich strafferen Vergabekonditionen für Bankkrediten dürften durch die zuletzt höheren Refinanzierungskosten für Banken zudem eine weitere Verschärfung erfahren haben, was die Unsicherheit bei Gewerbeimmobilien zusätzlich verstärkt. In den USA liegen knapp 70 Prozent der gewerblichen Immobilienkredite auf den Bilanzen kleiner Banken. Diese sind schon aufgrund der Einlagenabflüsse in den Fokus der Investoren gerückt, was das Misstrauen zusätzlich schürt. In der Eurozone und hier besonders in Deutschland werden die gewerblichen Immobilienkredite ebenfalls verstärkt unter die Lupe genommen. Mit einem Anteil von 11% an den der Kreditbüchern der Banken liegt ihr Anteil in Deutschland im Durchschnitt deutlich über dem in Frankreich oder Italien (7% beziehungsweise %). Bei Hypothekenbanken liegen die Werte zwangsläufig deutlich höher und können – abhängig vom Geschäftsmodell – deutlich über 70% erreichen. Entsprechend sind hier vor allem für Banken, die keinem Verbund angehören, die Risikoprämien auf Niveaus angestiegen, die normalerweise eher mit denen von Investmentbanken in Verbindung gebracht werden.

Neben den Sorgen um die Stabilität der Passiv- und Aktivseite sorgt die Übernahme der Credit Suisse und der vollständige Bail-In ihrer AT1-Anleihen ebenfalls zu einer erhöhten Risikowahrnehmung. Denn die von der Schweizer Bankenaufsicht erzwungene Fusion mit der UBS erfolgte nur vier Tage, nachdem die offiziellen Stellen in der Schweiz noch bekräftigten, dass alle erforderlichen Eigenkapital- und Liquiditätsquoten erfüllt wurden. Dass es bei einer globalen systemrelevanten Bank innerhalb von Tagen zu einer solchen drastischen Verschlechterung der Überlebensfähigkeit kommen kann, erschien zuvor kaum vorstellbar. Entsprechend müssen sich auch für andere Banken die Risikoprämien zumindest im Bereich von eigenkapitalähnlichen Instrumenten (AT1- und Nachrang-Anleihen) generell auf höheren Niveaus einpendeln. Neben dem Risiko eines Bail-Ins müssen Investoren in AT1-Anleihen auch die gestiegene Unsicherheit beim Rückzahlungsprofil dieser Papiere berücksichtigen. Denn in der aktuellen Marktsituation sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Banken die Kündigungsoptionen ihrer AT1-Anleihen wahrnehmen.

Nach Ausweitung attraktiv

Entsprechend wichtig ist für Investoren die Einzelfallbetrachtung. Bei Banken mit hohen Eigenkapitalquoten und einem breit aufgestellten Geschäftsmodell erscheinen AT1- und Nachranganleihen nach der Spread-Ausweitung nun durchaus attraktiv, während bei schwächeren Namen eher Senior Preferred-Anleihen ausgewählt werden sollten. Eine Rückkehr der Risikoprämien zum Status Quo von vor der Krise bleibt jedoch unwahrscheinlich.

*) Michael Klawitter arbeitet im Floor Research der DekaBank.