Nachhaltige Euro-Anleihen erleben Boom
Kreditwürdig
Emissionsvolumen nachhaltiger Euro-Anleihen steigt auf Höchststand
Von Tobias Gruber und Torsten Hähn*)
Das erste Quartal 2023 bot am Kapitalmarkt viel Stoff für Geschichten. Während zunächst vor allem die Debatte um die Wechselwirkungen zwischen Inflation, Geldpolitik und Konjunktur das Bild dominierte, zeigten sich mit den Turbulenzen im Bankensektor auch überwunden geglaubte Geister der Vergangenheit wieder. Umso bemerkenswerter war daher die Emissionsdynamik am Markt für in Euro denominierte nachhaltige Anleihen. Nachdem der Markt im Januar mit frischen Bonds in Höhe von 57 Mrd. Euro so gut wie noch nie aus den Startlöchern gekommen war, setzte sich diese schwungvolle Entwicklung im Februar nahtlos fort. Mit Marktauftritten in Höhe von 42 Mrd. Euro wurde eine neue Bestmarke aufgestellt. Zur Einordnung: In den beiden Vorjahren lagen die Volumina im Februar bei jeweils 19 Mrd. (2021) und 17 Mrd. Euro im zurückliegenden Jahr.
Nervosität bremst Dynamik
Dass es nach einem ebenfalls vielversprechenden Auftakt im März zuletzt deutlich ruhiger wurde, ist auf die bekannten Turbulenzen bei einzelnen Banken zurückzuführen. Die damit gestiegene Nervosität führte auch am Markt für nachhaltige Anleihen zu Zurückhaltung, und das Emissionsgeschehen kam zeitweise zum Erliegen. Erst Ende März hauchte Volkswagen dem Markt mit einer grünen Dual Tranche wieder Leben ein. In der Folge nutzte eine Reihe weiterer Emittenten aus verschiedenen Segmenten die bessere Stimmung und sorgte letztlich für ein solides März-Ergebnis von 32 Mrd. Euro. Das somit erreichte Gesamt-
volumen von 131 Mrd. Euro steht laut unseren Daten für das emissionsstärkste Quartal am Markt für nachhaltige Euro-Anleihen. Der bisherige Rekord von 125 Mrd. Euro datierte aus dem ersten Quartal 2021.
Mit Blick auf die einzelnen Assetklassen sind neben den Financials und Agencies insbesondere die nachhaltigen Unternehmensanleihen als tragende Säule der starken Entwicklung im ersten Quartal hervorzuheben. Mit Bonds im Volumen von 39 Mrd. Euro entfallen 30% des bisherigen Emissionsvolumens auf das Corporate-Segment. Innerhalb des Segments dominieren wiederum die grünen Anleihen: In zwei von drei Fällen wurde bei der Emission auf Green Bonds zurückgegriffen, in den restlichen Fällen waren die Papiere fast ausnahmslos als Sustainability-Linked Bonds (SLBs) ausgestaltet.
SLBS als Besonderheit
SLBs stellen unter den nachhaltigen Anleihen eine Besonderheit dar. Es handelt sich hierbei vereinfacht gesagt um Anleihen, bei denen nicht die projektgebundene Mittelverwendung, sondern das Erreichen vordefinierter Nachhaltigkeitsziele im Fokus steht. Sollte der Emittent diese Ziele nicht erreichen, erfolgt eine Anpassung der Anleihekonditionen. Zumeist wird der Kupon erhöht. Da die SLBs nicht mit eindeutigen Projekten unterlegt werden müssen, sind sie als Instrument flexibler.
Green Bonds populärer
Entsprechend ist es fast verwunderlich, dass SLBs nach einem schwungvollen Jahr 2021 zuletzt nicht weiter „Marktanteile“ gewonnen haben. Im ersten Quartal 2023 lag der Anteil der SLBs an den nachhaltigen Unternehmensanleihen bei knapp 32%. Im Gesamtjahr 2021 machte der Anteil 37% aus. Bei den nachhaltigen Unternehmensanleihen bleibt der Green Bond deutlich populärer.
Dies mag damit zusammenhängen, dass grüne Anleihen die längere Historie haben und letztlich konkreter und vergleichbarer sind. Damit existieren in einem Umfeld, in dem Glaubwürdigkeit ein hohes Gut ist, wohl Trümpfe, die höher geschätzt werden als Flexibilität. Mit Blick auf die Glaubwürdigkeit gab es hinsichtlich der SLBs immer wieder Diskussionsbeiträge, die ein zu niedriges Ambitionsniveau solcher Anleihen bemängelten. Soll heißen: Die festgelegten Nachhaltigkeitsziele seien oft zu einfach zu erreichen.
Zielverfehlung als Chance
Vor diesem Hintergrund ist der Markt zuletzt hellhörig geworden, da der griechische Versorger Public Power Corp. eingeräumt hat, die mit dem bis 2026 laufenden SLB verknüpften Ziele zum letzten Stichtag nicht erreicht zu haben. Konkret wurden die Scope-1-Emissionen des Unternehmens zum Jahresende 2022 nicht wie angestrebt um 40% gegenüber 2019 reduziert, sondern lediglich um 36%. Die Folge ist, dass der Kupon auf den SLB ab Oktober um 50 Basispunkte ansteigen wird. Der Vorgang sollte zwar nicht überhöht werden, auch wenn es laut Bloomberg-Informationen die erste Zielverfehlung im Euro-Markt für SLBs darstellt. Für eine Schlussfolgerung bietet sich dennoch eine Mikro- und eine Makrobetrachtung an. Auf der Mikroseite ist zu konstatieren, dass wohl kein markanter Bruch mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten stattgefunden hat. Die Zielverfehlung war eher der geopolitischen Situation geschuldet, welche offenbar die geplante schnelle Reduzierung der Energiegewinnung aus Braunkohle verhindert hat. Auf der Makroebene ist es grundsätzlich als positiv anzusehen, wenn demonstriert wird, dass die Nachhaltigkeitsziele nicht ohne Anstrengungen erreicht werden können. Aus rein ökologischer Sicht mag dies anders zu beurteilen sein, dennoch ist dem Markt (und am Ende auch der Ökologie) mit einem angemessenen Ambitionsniveau in Summe mehr geholfen als mit Nachhaltigkeitszielen, deren Erreichung schon bei Bondemission als gesetzt angenommen werden muss.
Robuster Ausblick
Glaubwürdigkeit und passende Ambitionsniveaus bilden auch für den Gesamtmarkt nachhaltiger Anleihen eine wichtige Basis. Für den weiteren Jahresverlauf sind wir optimistisch, auch wenn das Emissionstempo des ersten Quartals schwer zu wiederholen sein wird. So war die hohe Dynamik in den ersten beiden Monaten unter anderem darauf zurückzuführen, dass viele Emittenten das bis dato konstruktive Marktumfeld genutzt haben, um den Finanzierungsbedarf frühzeitig zu decken. Teilweise wurden auch für den späteren Jahresverlauf geplante Marktaktivitäten vorgezogen. Mit dem exzellenten Start ist jedoch der Grundstein für ein robustes Emissionsjahr 2023 gelegt, zumal die erste Aprilwoche mit der Green-Bond-Emission von Italien bereits ein weiteres Highlight bereithielt. Das Orderbuch für die 10 Mrd. Euro schwere Anleiheemission war mit über 50 Mrd. Euro gut gefüllt. Mit Blick auf das Gesamtjahr rechnen wir mit einem Gesamtemissionsvolumen, das sich zwischen dem Rekordjahr 2021 (400 Mrd. Euro) und dem Jahr 2022 (350 Mrd. Euro) einpendeln dürfte.
*) Tobias Gruber und Torsten Hähn sind Analysten im Nachhaltigkeitsresearch der DZ Bank.