Chinas Aktienrally braucht neue Impulse
Chinas Aktienrally braucht neue Impulse
Globale Investoren sind zurück – Ausländische Kapitalzuflüsse stärken das Sentiment – Sorge um überzogene KI-Fantasie
An Chinas Aktienmärkten hält sich eine überraschend kräftige Rally auch über den September hinweg. Hoffnungen auf eine stetige Fortsetzung machen sich an einem verstärkten Engagement von ausländischen Investoren fest. Zur Unterfütterung braucht es neben strammer KI-Fantasie aber auch Konjunkturimpulse.
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Trotz eingetrübter Konjunkturperspektiven und schwelender Handelskonflikte legen die Investoren in China viel Optimismus und Risikoappetit an den Tag. Eine im Frühjahr begonnene starke Aktienrally hat sich über den September hinweg ungebrochen halten können. Mit der Performance werden der S&P 500 in den USA und die führenden Indizes für Börsen in Asien und Europa klar abgehängt.
MSCI China im Aufwind
Der Leitindex für die Festlandbörsen CSI 300 ist seit einem von Donald Trump’s Strafzollattacken ausgelöstem Tief im April um knapp 30% angesprungen, beim Hongkonger Leitindex Hang Seng beträgt die Avance bereits 35%. Der von globalen Investoren als Benchmark verfolgte MSCI China liegt gar 40% vorne. Die starke Überperformance in den vergangenen Monaten stellt ein unerwartetes Comeback für Chinas Aktienmärkte dar, die sich nach langgestreckter Baisse in den vergangenen Jahren von der Rekordlaune an westlichen Börsen stark entkoppelt hatten.

Nun werden entsprechende Hoffnungen geweckt, dass sich globale Investoren dem weltgrößten Schwellenländermarkt nun offensiver zuwenden. Sie hatten chinesischen Werten seit der Pandemiezeit angesichts schwächelnden Binnenkonjunktur und dem Dauerreizthema Immobilienkrise manifester nur noch geringes Interesse entgegengebracht. Manche Fondsmanager hatten den in Dauerbaisse steckenden chinesischen Markt gar als „nicht investierbar“ gebrandmarkt. Davon ist in diesem Jahr nichts mehr zu hören. Bei zahlreichen globalen Fonds ist das China-Investment noch untergewichtig positioniert. Dies gilt es mit verstärkten Kapitalzuflüssen nun zügiger zu korrigieren.
„Fomo“ wird zum Thema
Im vergangenen Jahr war es nach einer Stimulusoffensive mit Zinslockerungen zu einem ersten gewaltigen Befreiungsschlag gekommen. Danach sorgte der Durchbruch des Chatbot-Systems DeepSeek für massive KI-Fantasie. Diese spontanen Begeisterungsschübe bei chinesischen Anlegern wurden von den internationalen Investoren noch kritisch beäugt. Mit der Verstetigung der Rally gibt es nun immer weniger Anlass für Zurückhaltung, heißt es bei Pacific Management. Nun dürfte das Thema „Fear of missing out“ (Fomo) das Sentiment der globalen Investoren zu diktieren.
Hedgefonds greifen zu
Goldman Sachs zufolge haben internationale Hedgefonds ihre China-Engagements seit August massiv gesteigert und sich insbesondere im Festlandmarkt so aktiv gezeigt wie seit Jahren nicht mehr. Dies führt zu einem Rückkoppelungseffekt, der auch das Vertrauen der heimischen Anleger stärkt. Einer jüngsten Analystenumfrage von Bloomberg zufolge wird das Engagement der globalen Fonds sogar als wichtigster Faktor für eine Fortsetzung der positiven Trends gewertet. Weiterführende fiskalische Stimuli und eine etwaige monetäre Lockerungsrunde zur Stabilisierung der seit Jahresmitte wieder deutlicher abkühlenden Konjunktur werden erst an zweiter Stelle gesehen.
Handelskonflikt verliert seinen Schrecken
Der Handelskonflikt mit den USA gilt mittlerweile nicht mehr als größerer Störenfried angesehen. Das nun seit einigen Monaten festgeschriebene Strafzollniveau stellt immer noch eine signifikante Belastung für Chinas Exportwirtschaft dar. Für das Anlegersentiment scheinen die Handelsstreitigkeiten der beiden führenden Wirtschaftsnationen aber nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Eine größere Gefahr könnte von überzogenen Erwartungen an den Tech-Sektor und der Monetisierung von KI-Fähigkeiten ausgehen. Seit Wochen werden immer neue Ankündigungen zu KI-Investments von führenden Tech-Konzernen wie Alibaba, Baidu und Tencent mit teilweise gewaltigen Kurssprüngen quittiert. Der Kurs der Alibaba-Aktie ist allein im September um 50% angesprungen, obwohl das Kerngeschäft mit E-Commerce-Aktivitäten weiterhin nur sehr verhalten läuft.
Strapazierte Tech-Werte
Die Bewertungen von Tech-Aktien gelten mittlerweile als sehr strapaziert. Im weiteren Jahresverlauf wird es schwieriger werden die Rally über KI-Fantasie weiter zu alimentieren. Im Schlussquartal dürfte sich der Fokus der Anleger wieder stärker auf konjunkturelle Faktoren richten. Neue Orientierung bieten dann die Weichenstellungen der chinesischen Regierung für den Fünfjahresplan 2026-2030, mit den Ende Oktober anstehenden Beratungssitzungen der politischen Führung.