Neuemissionen

Leichter Dämpfer für Green Finance

Es hat im Segment von Green und Sustainable Finance leichte Rückgänge bei den Emissionen im ersten Halbjahr gegeben. Das lag laut Experten von Capmarcon auch daran, dass Finanzierungen mit Nachhaltigkeitsbezug abgenommen haben. Investoren zeigten aber weiter Interesse.

Leichter Dämpfer für Green Finance

kjo Frankfurt

Der Markt für grüne und nachhaltige Finanzierungen hat im ersten Halbjahr einen kleinen Dämpfer erhalten. Der Umfang weltweit arrangierter Finanzierungen mit Nachhaltigkeitsbezug (Anleihen, Schuldscheine, Kredite) hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 7,5% gegenüber der vergleichbaren Vorjahresperiode abgenommen. „Die Entwicklung lag weniger an der fehlenden Bereitschaft der Investoren, in nachhaltige Verwendungszwecke zu investieren – viele Emissionen waren mehrfach überzeichnet –, als vielmehr am häufig nicht ausreichenden Nachhaltigkeitsniveau“, so die Experten von Capmarcon, einer auf Unternehmensfinanzierungen spezialisierten Beratungsgesellschaft, die Strategien zur Kapitalbeschaffung und Bilanzstrukturoptimierung entwickelt.

Drastischer Anstieg

„Viele Investoren benötigen Material für grüne Fonds – etwa Privatanleger – und nachhaltiges Sondervermögen – hierzu gehören Lebensversicherer, Renten- und Pensionskassen –, hier ist die Nachfrage in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. Der Rückgang der Emissionen liegt zum einen an weniger von den Unternehmen aufgelegten Projekten, zum anderen an der zu geringen Nachhaltigkeitsqualität, die zahlreiche Investoren wegen zunehmender Nachweispflicht des ESG-Niveaus –Environmental, Social, Governance – nicht mehr kaufen können“, so Capmarcon in einer Studie, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Interesse an Green Finance bestehe unverändert, kaufkräftige Nachfrage nach entsprechenden Transaktionen sei vorhanden, doch sei der Nachhaltigkeitseffekt der Kapitalflüsse oftmals so gering, dass die Produkte Anlegern nicht als Green Finance angeboten werden dürften.

Stetig steigender Trend

Seit dem Jahr 2019 hätten Anleger in den USA umgerechnet 250 Mrd. Euro in börsengehandelte Fonds mit ESG-Themen investiert. Dazu gehörten Aktien von besonders nachhaltigen Unternehmen sowie Anleihen, deren Emissionserlöse für nachhaltige Zwecke eingesetzt werden, und Finanzierungen im Rohstoffsektor sowie alternative Anlagen, Immobilien und Infrastrukturfonds. Die monatlichen Nettozuflüsse würden schwanken, aber der jährliche Trend sei stets ansteigend gewesen: 25 Mrd. Euro im Jahr 2019, 85 Mrd. Euro im Folgejahr und 140 Mrd. Euro im Jahr 2021. „Seit Mai 2022 stagnieren die Nettozuflüsse erstmals, in der Anlageklasse Aktien gab es sogar Abflüsse. Offenbar ist den Unternehmen die ‚grüne Fantasie‘ für nachhaltiges Wirtschaften und korrespondierende Finanzierungen abhanden gekommen – oder das aktuelle Angebot an ESG-Titeln verliert wegen schärferer regulatorischer Anforderungen am Markt und bei Investoren an Attraktivität“, heißt es weiter.

In Europa würden zur Jahresmitte 2022 laut den Experten rund 1,1 Bill. Euro in sogenannten ESG-Finanzmarktfonds (ohne Aktien) verwaltet. Dieses Volumen lasse sich nur erreichen, indem auch in Titel mit unterdurchschnittlicher oder nur vermeintlicher Nachhaltigkeitsleistung investiert worden sei.

Probleme der Abgrenzung

„Mittel zur Finanzierung tatsächlich nachhaltiger Projekte und Maßnahmen setzen Innovationskraft, Konzeptionsstärke, Kreativität in der Strukturierung voraus. Doch liegen diese Voraussetzungen häufig nicht vor. Dennoch hat sich das in europäischen ESG-Finanzmarktfonds verwaltete Volumen allein im Jahr 2021 etwa verdreifacht. Die Entwicklung wäre ohne Investments in auch sehr hellgrüne Verwendung nicht möglich gewesen“, meinen die Experten. Bei strenger Einschätzung dürfte nur ein Drittel bis die Hälfte der in ESG-Fonds angelegten Gelder – bei einem aktuell ausstehenden formal grünen Volumen in Höhe mehr als 2,3 Mrd. Euro – wirklich nachhaltig verwendet worden sein. „Da aber die Anforderungen der Regulierungsbehörden restriktiver werden und künftig schärfer kontrolliert werden, können Fondsverwalter in Zukunft nicht mehr unbedarft kaufen und marketingwirksam die Nachhaltigkeitsdaten aufhübschen“, heißt es weiter. Die Attraktivität von Green Financing liege in erster Linie in der positiven ökologischen wie gesellschaftlichen Wirkung der eingesetzten Gelder und der vollständigen Transparenz über die Verwendung. Dies dürfte sich nur selten in Reinkultur realisieren lassen.

Eindeutig gegen den Trend entwickelten sich nachhaltige Finanzierungen in China (+42 Mrd. Euro) und in Deutschland (+20 Mrd. Euro). Als nachhaltig ausgewiesene Begebungen seitens chinesischer Adressen hätten seit Mitte vergangenen Jahres drastisch zugenommen. Zwar seien diese Begebungen nur zu einem unterdurchschnittlichen Teil extern als nachhaltig zertifiziert; doch deren Quote steige merklich an. Weltweit ebenfalls positiv hätten sich die Neuemissionen von Banken und anderen Finanzdienstleistern, von Dienstleistungs- und Industrieunternehmen sowie von Energieversorgungsunternehmen verändert. Der Emission von 424 Mrd. Euro standen im gleichen Zeitraum Tilgungen in Höhe von 38 Mrd. Euro gegenüber.

„Euro und Dollar haben im bisherigen Jahresverlauf als Denominationswährung merklich an Bedeutung verloren. Dies resultiert insbesondere aus dem Rückgang an Emissionen innerhalb der jeweiligen Währungsgebiete, im Falle des Euro in geringerem Maße aus dem gesunkenen Außenwert, wodurch der Nominalwert der Emissionen im Vergleich mit anderen Währungen auf einheitlicher Basis geringer ausfällt“, meinen die Experten. Noch vor zwölf Monaten sei der Dollar die Denominationswährung von etwa 30% des Green-Financing-Volumens gewesen, aktuell seien es nur noch 25%. Der Anteil des Euro sei von 52% auf 49% gefallen. An Bedeutung gewonnen habe der chinesische Renminbi, sein Anteil sei von 5% auf 12% gestiegen. Andere Währungen hätten ebenfalls leicht zugelegt.

Die Emission von Begebungen staatlicher Adressen einschließlich Entwicklungsbanken sei in den ersten sechs Monaten gegenüber dem Vorjahr stark zurückgegangen. Dies sei durch eine verstärkte Finanzierungstätigkeit bei Banken und anderen Finanzdienstleistern nur teilweise kompensiert worden. In der Realwirtschaft hätten (Energie-)Versorger in der ersten Jahreshälfte deutlich mehr Finanzierungen als in der Vorperiode arrangiert.

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