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Lira setzt Kursrutsch fort

Türken flüchten zunehmend in den US-Dollar – Diskussion um Machtkonzentration bei Erdogan

Lira setzt Kursrutsch fort

sts Frankfurt – Die türkische Lira hat auch zum Wochenauftakt ihren seit Herbst anhaltenden Kursrutsch fortgesetzt. Fast täglich gibt es angesichts der politischen Unsicherheit und Zeichen eines wachsenden Vertrauensverlustes der Türken gegenüber ihrem Geld neue Tiefststände zu vermelden. Auch am Montag wurde wieder ein Rekordtief verbucht. Für einen Dollar mussten bis zu 3,7430 Lira gezahlt werden. Damit hat der Dollar gegenüber der türkischen Währung seit Jahresbeginn 6 % an Wert gewonnen. Für einen Euro wurden gestern bis zu 3,9515 Lira fällig. Jüngste Belastungsfaktoren für die Lira waren kritische Aussagen der Ratingagentur Moody’s und schwache Daten aus der türkischen Industrie. Moody’s warnte vor einer „generellen Verschlechterung“ des Investitionsklimas und vor einer steigenden Zahl fauler Kredite. Die Experten sagten für Ende des Jahres einen Anstieg der Quote auf 4 % voraus. Dies würde zusätzliche Rückstellungen erfordern und damit die Gewinne der Geldhäuser schmälern. Ein Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wies die Einschätzung von Moody’s zurück.Für Unruhe unter Investoren sorgen auch Bestrebungen Erdogans, deutlich mehr Macht zu erlangen. Das Parlament soll zugunsten des Präsidenten an Einfluss verlieren, die entsprechende Volksabstimmung wird für das Frühjahr erwartet. Zahlreiche Anschläge und die wachsende Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen schüren derzeit in der Türkei ein Klima der Angst.Die Lira-Schwäche treibt zudem die Inflation in die Höhe. Im Dezember stiegen die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 8,5 %, der Leitzins liegt derzeit bei 7,5 %.Allerdings steuert die Notenbank derzeit nicht gegen, auch weil die Politik von ihr sogar Zinssenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft verlangt. Sollte der derzeitige Trend anhalten, könnte eine schwere Währungskrise die Folge sein, warnen Volkswirte. Da das Land zur Finanzierung seiner laufenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage auf Kapitaleinfuhren angewiesen ist – das Leistungsbilanzdefizit beträgt 3,8 % der Wirtschaftsleistung –, würde eine Flucht ausländischer Investoren eine schwere Anpassungsrezession in der Türkei auslösen – ähnlich wie während der Euro-Krise im benachbarten Griechenland.Allerdings schwindet bereits auch schon das Vertrauen der Türken selbst in ihre Landeswährung. Laut von Bloomberg aufbereiteten Daten der türkischen Notenbank haben Bürger und Unternehmen in der vergangenen Woche fast 1 Mrd. US-Dollar zusätzlich auf ihren Konten gehalten, viermal so viel wie in der Woche zuvor. Mitte Dezember war das Plus nur minimal und Anfang Dezember flossen sogar US-Dollar von Konten von Bewohnern der Türkei ab, nachdem Präsident Erdogan die Bürger aufgefordert hatte, ihre Dollar- und Euro-Bestände in Lira zurückzutauschen. Wer dem Appell nachkam, hat in der Zwischenzeit einen erheblichen Wertverlust erlitten.Während die Lira-Schwäche die Marktakteure schon seit einer Weile begleitet, müssen sie sich auf eine neue Pfund-Schwäche einstellen. Gestern verlor Sterling wegen Befürchtungen eines „harten“ Brexit 0,9 % auf 1,2170 Dollar. Der Euro verteuerte sich um 1,3 % auf 86,80 Pence. Dazu trug unter anderem bei, dass Premierministerin Theresa May eine harte Linie beim Thema Zuwanderung aus der EU ankündigte.