Rüstungsindustrie

Lockheed Martin ist moderat bewertet

Trotz steigender Rüstungsausgaben ist die Aktie des US-Konzerns Lockheed Martin moderat bewertet. Trotz zahlreicher Probleme mit den Produkten könnten sich die Aussichten für die Aktie weiter verbessern.

Lockheed Martin ist moderat bewertet

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Die Aktienmärkte der Welt leiden erheblich unter den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und den westlichen Sanktionen gegen Russland. So hat beispielsweise der amerikanische Benchmarkindex S&P500 binnen eines Monats 6,7% eingebüßt und binnen drei Monaten 9%. Es gibt jedoch Aktien, die sich derzeit ausgesprochen gut entwickeln. Dazu gehören die Aktien von Rüstungsunternehmen, die nun mit einem warmen Regen rechnen dürfen, weil die Nato-Länder, aber nicht nur diese, ihre Rüstungsausgaben massiv steigern wollen. Eines der Unternehmen, das davon in einem besonderen Maße profitieren wird, ist der größte amerikanischer Rüstungskonzern Lockheed Martin. Die Aktie hat bereits binnen eines Monats 4% hinzugewonnen und binnen drei Monaten 32%. Dabei lässt sich nicht einmal sagen, dass die Aktie bereits teuer wäre. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Analystenerwartungen für die kommenden zwölf Monate liegt bei gerade einmal 15,4.

Lockheed Martin verfügte bereits per Ende Dezember über einen Auftragsbestand von 135 Mrd. Dollar, wie es im zuletzt veröffentlichten Quartalsbericht heißt. Dies entspricht etwa zweimal dem Jahresumsatz, der 2021 bei 67,1 Mrd. Dollar lag. Im vergangenen Jahr war das Umsatzwachstum mit nur noch 2,5% gegenüber den Vorjahren deutlich zurückgegangen: 2020 wurden 9,3% erzielt und 2019 sogar 11,3%. Im laufenden und vor allem in den kommenden Jahren ist hier jedoch mit einer deutlichen Dynamisierung zu rechnen. Der Jahresgewinn 2021 kann sich mit 6,3 Mrd. Dollar sehen lassen, er ging allerdings im Vorjahresvergleich um 8,3% zurück und konnte damit an die starken Gewinnzuwächse der Vorjahre nicht anknüpfen. Dies ist allerdings kein größeres Problem, da man bei Rüstungsaktien längerfristig denken muss. Rüstungsprojekte laufen oft über viele Jahre, und die Realisierung von Umsätzen und Gewinnen lässt sich nicht so auf die Geschäftsjahre verteilen, dass sich stets eine konstante Ergebnisentwicklung zeigen lässt. Was die Anleger aber erfreuen dürfte, ist die klare Visibilität, die das Management hinsichtlich der Entwicklung des Cashflows bieten kann. Für die kommenden zwei Jahre wird ein konsolidierter freier Cashflow von soliden 12,1 Mrd. Dollar erwartet.

Höhere Rüstungsausgaben

Wachsen dürften insbesondere die Auslandsumsätze, die derzeit rund 28% an den gesamten Erlösen ausmachen. Praktisch alle Nato-Länder wollen ihre Rüstungsbudgets stark hochfahren. Die Bundesregierung will die Ausgaben praktisch verdoppeln, während die Bundeswehr-Führung mit Blick auf die starke Vernachlässigung und das Missmanagement während der Amtszeiten der Verteidigungsministerinnen Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer noch auf ganz andere Summen dringt, um die Versäumnisse der Vergangenheit auszugleichen. Da­von könnten nicht nur deutsche und europäische Rüstungskonzerne, sondern auch Lockheed Martin in besonderem Maß profitieren. Die Bundeswehr soll ein modernes Kampfflugzeug der fünften Generation erhalten, das im Rahmen der nuklearen Teilhabe in der Lage sein soll, amerikanische Atombomben zu transportieren. Es gibt nur eine einzige Maschine, die diese Anforderungen erfüllt: die von Lockheed Martin entwickelte und gefertigte F-35 Lightning II. Zahlreiche andere Staaten haben das Flugzeug trotz seiner erheblichen technischen Mängel und Unzulänglichkeiten bereits gekauft, darunter sogar die nicht zur Nato gehörenden und neutralen Länder Finnland und Schweiz. Finnland zahlt für seine 64 Flugzeuge vom Typ F-35A inklusive Wartung und Training den exorbitant hohen Betrag von 10 Mrd. Euro, das sind ungefähr 156 Mill. Euro pro Flugzeug. Polen lässt sich die Lieferung von 32 F-35A umgerechnet rund 4,6 Mrd. Dollar kosten, wobei unklar ist, ob bei dieser Summe bereits alle Nebenkosten inbegriffen sind. Weitere Kunden sind Japan, Südkorea, Israel, Australien, Großbritannien, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Italien und Singapur.

Das Problem mit der F-35 liegt weniger darin, dass das Flugzeug ein Vielfaches im Vergleich zu deutlich leistungsfähigeren internationalen Wettbewerbern kostet. Dies ist nämlich bislang für den Hersteller zumindest mit Blick auf seine Auslandskunden unerheblich, weil insbesondere für die europäischen Abnehmer die Konkurrenzprodukte aus politischen Gründen unakzeptabel sind.

Für Lockheed Martin problematischer ist, dass nicht immer sichergestellt ist, dass die US-Regierung für die Behebung der großen Zahl von technischen Problemen zahlt, die das Flugzeug plagen. Damit verbinden sich für den Hersteller finanzielle Risiken. Die F-35 ist mit einem Volumen von 1,2 Bill. Dollar bisher das größte und teuerste Rüstungsprojekt, das es jemals gegeben hat. Die US-Regierung wollte ursprünglich bis 2044 fast 2500 Maschinen beschaffen. Das Flugzeug, von dem man sich viel versprach, sollte damit praktisch das einzige Kampfflugzeugmodell der US-Luftwaffe werden. Nun aber hat die US-Regierung damit begonnen, wegen der Probleme mit der F-35 Vorgängermodelle wie die Boeing F-15EX neu zu beschaffen, die die F-35 eigentlich ersetzen sollte. Und nun werden auch neue Flugzeuge entwickelt für Aufgaben, die eigentlich die F-35 erfüllen sollte.

Probleme gibt es auch auf anderen Gebieten. Beim Versuch der USA, auf dem Gebiet der Hyperschallraketen den internationalen Anschluss zu finden, ist Lockheed Martin vor wenigen Tagen nun schon der dritte Flugversuch des Air-Launched Rapid Response Weapon (ARRW) in Folge missglückt.

Die technischen Probleme und damit verbundene finanzielle Risiken sind sicherlich ein Grund dafür, dass die Bewertung der Aktie auf dem Boden bleibt. Zurückhaltend sind auch die Analysten: Das durchschnittliche Kursziel für die Aktie in den kommenden zwölf Monaten liegt mit 442,94 Dollar unter dem aktuellen Kurs von 450,60 Dollar. Gleichwohl raten acht Häuser zum Kauf der Aktie, während zwölf Analysten den Titel mit „Hold“ einstufen. Verkaufsempfehlungen gibt es übrigens keine. Trotz aller Probleme könnten sich in den nächsten Monaten die Aussichten für das Unternehmen und die Aktie aber deutlich aufhellen, wenn noch mehr Staaten ankündigen, ihre Verteidigungsausgaben deutlich hochzufahren.

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