GELD ODER BRIEF

Lockheed profitiert vom Pentagon-Kaufrausch

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 2.2.2018 Amerikas Aktienanalysten sind sich darin einig, dass die US-Hersteller von Rüstungsgütern eine große Zukunft vor sich haben. Die Aktien gehören schon lange zu ihren Favoriten. Gleichwohl hat...

Lockheed profitiert vom Pentagon-Kaufrausch

Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtAmerikas Aktienanalysten sind sich darin einig, dass die US-Hersteller von Rüstungsgütern eine große Zukunft vor sich haben. Die Aktien gehören schon lange zu ihren Favoriten. Gleichwohl hat es jetzt der größte US-Rüstungskonzern Lockheed Martin geschafft, mit seinen jüngsten Zahlen zum vierten Quartal und mit dem Ausblick auf das neue Geschäftsjahr die bereits hohen Erwartungen nochmals in den Schatten zu stellen. Der Konzern kündigte für 2018 eine Verdopplung des Gewinns an. Die Anleger waren entzückt: Die Aktie erreichte am Mittwoch mit 358,52 Dollar ein Allzeithoch. Im noch jungen Jahr 2018 hat sich der Titel bereits um rund 10 % verteuert. In den vergangenen zwölf Monaten legte der Aktienkurs um stolze 45 % zu. Mit diesem Zuwachs liegt Lockheed Martin etwa im Mittelfeld der US-Rüstungskonzerne, die allesamt enorme Kurszuwächse verbuchen. Zum Vergleich: General Dynamics kommt auf einen Kursgewinn in den letzten zwölf Monaten von 25 %, Raytheon erreichte ein Plus von 47 %, während Boeing den Kurs sogar mehr als verdoppelt hat. Steuerreform stütztDie für 2018 erwartete starke Steigerung des Gewinns ist aber weniger auf die von US-Präsident Trump und dem Kongress beabsichtigte kräftige Steigerung des amerikanischen Rüstungsetats um mehr als 7 % gegenüber Vorjahr zurückzuführen, sondern vor allem auf die Steuerreform, die die Abgabenbelastung deutlich reduziert. Die Steuerreform führte allerdings auch dazu, dass der Konzern im vierten Quartal eine Belastung von 1,9 Mrd. Dollar und damit einen Verlust von 715 Mill. Dollar ausweisen musste, weil durch die Senkung der Unternehmenssteuerquote die aktiven latenten Steuern nach unten angepasst werden mussten. Unter Ausklammerung dieses Faktors ergibt sich für das Quartal per Ende Dezember allerdings ein deutlicher Ergebnisanstieg. Für 2018 ist der Konzern erstaunlich vorsichtig. Das Management rechnet lediglich mit einem Anstieg der Erlöse um 1 %, was wohl auch mit den anhaltenden technischen Problemen bei dem Kampfflugzeug F-35 zusammenhängen dürfte. Allerdings sollen die Umsätze in den folgenden Jahren kräftig steigen, zumal der US-Rüstungsetat von den 634 Mrd. Dollar des Jahres 2017 bis 2019 um 13 % auf 716 Mrd. Dollar ausgebaut werden soll, wobei das Schwergewicht auf dem Ersatz der vielen mittlerweile veralteten Waffensysteme des US-Militärs liegen wird.Zudem rechnet das Unternehmen damit, dass der operative Cash-flow 2018 lediglich 3 Mrd. Dollar betragen soll nach 6,5 Mrd. Dollar im gerade beendeten Turnus. Dies liegt daran, dass im laufenden Jahr der Pensionsfonds um 5 Mrd. Dollar aufgestockt werden soll. In den Folgejahren soll der Cash-flow jedoch neue Rekordwerte erreichen, wozu auch das F-35-Programm als Cashcow beitragen soll. Der Kampfjet ist von zentraler Bedeutung für den Konzern. Die Sparte Aeronautics, zu der allerdings auch andere Projekte wie die Fertigung des Transporters C-130 gehören, macht immerhin 40 % der Konzernumsätze aus. Das F-35-Projekt hat bislang ein Volumen von 400 Mrd. Dollar. Über die gesamte Nutzungszeit des Kampfjets wird sogar mit Beträgen von 1,2 Bill. Dollar gerechnet. Allein das Pentagon will 2 456 Stück kaufen. Damit ist der F-35 die teuerste Waffenplattform aller Zeiten. Zwar beteuert die Konzernführung, dass der größere Teil der technischen Probleme mittlerweile gelöst sei. Ein vom Pentagon vorgelegter Jahresbericht zeichnet allerdings ein anderes Bild. So kommt der Jet auf eine äußerst enttäuschende Quote der Einsatzbereitschaft von rund 50 %, wobei der Bericht betonte, dass sich daran seit 2014 nichts geändert habe. Insgesamt weise der F-35 immer noch rund 1 000 ungelöste technische Probleme auf. Ob das Flugzeug wenigstens langfristig zum Erfolgsmodell wird, ist daher fraglich. Kritiker halten den F-35, selbst wenn er irgendwann ohne größere Probleme funktionieren sollte, für konzeptionell seinen eventuellen Gegnern wie Suchoi Su-35, Su-57, MiG-35 und Chengdu J-20 unterlegen. Lockheed Martins Probleme tragen also durchaus dazu bei, dass die USA von Kontrahenten wie vor allem Russland rüstungstechnisch allmählich deklassiert werden. Es ist daher durchaus möglich, dass insbesondere ausländische Kunden die Notbremse ziehen und aus dem F-35-Projekt aussteigen. Technisch anspruchsvolle und günstige Rüstungsgüter aus Russland verkaufen sich derzeit global wie warme Semmeln, während Washington oft erheblichen politischen Druck aufbauen muss, damit befreundete Länder die überteuerten US-Waffensysteme erwerben. Allerdings ist aufgrund des großen politischen Einflusses von Lockheed Martin nicht damit zu rechnen, dass das Pentagon selbst das F-35-Projekt jemals stoppt. Dies gibt Anlegern eine gewisse Sicherheit. Technische ProblemeProbleme gibt es auch auf anderen Gebieten. So hat Lockheed Martin zwar unlängst einen neuen Auftrag über knapp 500 Mill. Dollar im Rahmen des Raketenabwehrprogramms “Terminal High Altitude Area Defense” (Thaad) erhalten. Allerdings ist das System, dessen Entwicklung bereits nach dem Golfkrieg von 1991 begann, immer noch nicht so weit einsatzfähig, dass es eine brauchbare Raketenabwehr darstellen würde. Erst vor wenigen Tagen ist wieder einmal ein Test des Systems, für das Lockheed Martin die Aegis-Ashore-Startvorrichtungen liefert, gescheitert – wobei es sich keinesfalls um einen realistischen Test mit modernen Interkontinentalraketen gehandelt hat, die ausweichen können und Täuschkörper einsetzen.Somit liegen die längerfristigen Risiken für Anleger zum einen in den enormen technologischen Herausforderungen der Waffensysteme. Zum anderen ist aber auch nicht klar, wie lange sich die USA ihren immensen Rüstungsetat noch leisten können. In den nächsten Jahre wird Lockheed Martin aber zweifellos noch vom Kaufrausch des Pentagons profitieren.