Nasdaq 100

Markt für US-Techwerte läuft nach historischer Schwäche heiß

Der Nasdaq 100 lässt andere führende Indizes im laufenden Jahr weit hinter sich. Damit gehen allerdings starke Anstiege der Bewertungen einher - Analysten warnen, dass das Segment bereits wieder überhitzt.

Markt für US-Techwerte läuft nach historischer Schwäche heiß

Tech-Aktien laufen nach Schwächephase heiß

Bewertungen im Nasdaq 100 klettern auf mehrmonatige Hochs – Anlegerflucht aus Finanzwerten und verstärkte Kostendisziplin als Kurstreiber

Der Nasdaq 100 lässt andere führende Börsenbarometer im laufenden Jahr weit hinter sich. Als Treiber wirken die jüngsten Turbulenzen im Finanzsektor, die Hoffnungen auf eine weniger restriktive Fed-Geldpolitik befeuern – sowie die verstärkte Kostendisziplin großer Tech-Konzerne. Doch warnen Analysten, dass das Segment bereits wieder zu überhitzen droht.

Von Alex Wehnert, New York

Für Tech-Aktien hat der Wind im laufenden Jahr gedreht. Der Nasdaq 100, der 2022 mit einem Minus von nahezu 40% noch sein schwächstes Jahr seit der Finanzkrise 2008 hinlegte, ist seit Anfang Januar um fast 20% geklettert. Trotz der jüngsten, durch robuste Arbeitsmarktdaten und damit verbundene Zinssorgen ausgelösten Gegenbewegung lässt er andere viel beachtete Börsenbarometer damit weit hinter sich. Angetrieben wird der Index im laufenden Jahr einmal mehr durch einige seiner schwersten Werte: Die Apple-Aktie hat im bisherigen Jahresverlauf beispielsweise 28% an Wert gewonnen, Meta Platforms sticht mit einem Kursanstieg um mehr als 70% hervor.

Dies treibt allerdings auch die Bewertungen an: Das Verhältnis zwischen Enterprise Value und Umsatz im Nasdaq 100 hat laut dem Datendienstleister FactSet Anfang April mit 4,08 den höchsten Wert seit August erreicht – damals hatte eine Sommerrally Erleichterung vom Aktienmarktabschwung gebracht, der den Rest des Jahres prägte. Beobachter sprechen bereits von einer erneuten Überhitzung bei Tech-Werten, der erneute und umso schwerere Einbrüche zu folgen drohten.

Dass sich die Investoren wieder auf Internet- und Software-Titel stürzen, hat vielschichtige Gründe. Als bedeutenden Treiber erachten Analysten die jüngsten Turbulenzen im US-Bankensektor. Denn einerseits hätten Anleger, die Kapital aus Finanzwerten abzogen, nach alternativen Investitionsmöglichkeiten gesucht. Zwar waren insbesondere Cash und Geldmarktfonds in den ersten Jahresmonaten populär, doch auch Investmentfonds und ETFs auf Tech-Indizes flossen großvolumige Mittel zu – zwischen Mitte und Ende März waren es laut dem Informationsdienstleister Refinitiv Lipper 636 Mill. Dollar.

Andererseits haben der Kollaps der Silicon Valley Bank und die resultierenden Verwerfungen im amerikanischen Finanzsystem Hoffnungen befeuert, die Federal Reserve werde sich früher als zuvor angenommen von ihrer restriktiven Geldpolitik verabschieden. Die harten Zinserhöhungen und die damit einhergehende Liquiditätsverknappung an den Finanzmärkten seit dem Frühjahr 2022 belastete wachstumsorientierte Tech-Werte schließlich besonders.

Die neue Stärke von Software- und Internettiteln hat unterdessen auch den Effekt der Bankzusammenbrüche auf den breiten US-Aktienmarkt abgefedert. Allein Microsoft und Apple trieben das Standardbarometer S&P 500 im März stärker an, als es durch die Rücksetzer aller vertretenen Finanzwerte belastet wurde. Im bisherigen Jahresverlauf liegt der Index mit 7% im Plus. Neben dem iPhone- und dem Windows-Konzern wirken auch Amazon, Alphabet und Nvidia als Stützen – gemeinsam nehmen die fünf größten Werte im S&P 500 ein Gewicht von 23% ein. Der S&P 500 Equal Weight, in dem die Komponenten nicht nach Marktkapitalisierung gewichtet, sondern allesamt fix mit 0,2% allokiert werden, hat seit Anfang Januar indes um lediglich 2% zugelegt.

Zugleich goutieren die Investoren den verstärkten Fokus der Managements darauf, Kosten einzudämmen. Schließlich rollte in den vergangenen Monaten eine Entlassungswelle durch den Tech-Sektor: Für das Schlussquartal 2022 hatten die Branchenvertreter über 115.000 Entlassungen angekündigt, in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres sollten fast 220.000 weitere folgen. Waren die Kürzungen zunächst als Ausdruck der angespannten Liquiditätssituation im Sektor von Kursrückgängen begleitet worden, betrachten die Anleger sie inzwischen verstärkt als Zeichen gestiegener unternehmerischer Disziplin – zumal an der Wall Street Spekulationen um weitere Sparmaßnahmen die Runde machen.

Trendthemen im Blick

Hinzu kommt, dass Trendthemen wie Cloud Computing und künstliche Intelligenz (KI) die Fantasie der Anleger in den vergangenen Monaten angeregt haben. Das Interesse in Bezug auf lernfähige Algorithmen konzentriert sich dabei insbesondere auf Microsoft, die ihre Suchmaschine Bing mit Anwendungen der Technologieschmiede OpenAI ausgerüstet hat, und Alphabet, deren Tochter Google mit ihrem eigenen Textgenerator Bard dagegenzuhalten versucht.

Als wahre Profiteure des KI-Trends haben Analysten aber längst Chiphersteller wie Nvidia und ihrer Zulieferer ausgemacht. Denn die Programmierung lernfähiger Algorithmen ist äußerst rechenintensiv und zieht einen hohen Bedarf an leistungsstarken Grafikprozessoren nach sich. Für die führenden Vertreter der Halbleiterbranche, ist damit letztlich egal, welcher Technologieriese sich im KI-Wettrennen durchsetzt.

Die Langfristtrends und Entlassungen dürften sich laut Marktbeobachtern im ersten Quartal aber noch begrenzt unter dem Strich bemerkbar machen. Zu schwer wiegen Belastungen durch das eingetrübte Konjunkturumfeld: Beim diesjährigen Börsen-Outperformer Meta Platforms rechnen die von Factset befragten Analysten beispielsweise mit dem vierten aufeinanderfolgenden Rückgang der Werbeeinnahmen. Für den Rest des Jahres fallen die Prognosen allerdings optimistischer aus. Im Konsens trauen Analysten Alphabet, Amazon, Apple, Meta Platforms und Microsoft im Schlussquartal 2023 Erlössteigerungen von 8,6 bis hin zu mehr als 10% zu. Bei Nvidia gehen sie gar von einem Sprung um 38% aus.

Das Problem dabei: Der Großteil der Belebung ist laut Marktbeobachtern nach den Kursanstiegen im bisherigen Jahresverlauf bereits eingepreist. Damit drohten Enttäuschungen an der Börse umso heftigere Rückschläge auszulösen.

xaw New York