Medizintechnikkonzern verspielt Vertrauen der Investoren
Medizintechnikkonzern verspielt Vertrauen der Investoren
Geld oder Brief
Zeiss Meditec verspielt Investorenvertrauen
Medizintechnikkonzern klammert erwartete Einmalbelastungen in Jahresprognose aus – Auf CEO-Suche – Tiefster Aktienkurs seit 2017 – Analysten raten zum Kauf
Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt
2025 wird für Carl Zeiss Meditec voraussichtlich das vierte Jahr in Folge mit einem Kursverlust. Gegenwärtig liegt das Minus bei 13%. Das liegt an enttäuschenden Geschäftszahlen und Prognosesenkungen, aber auch an mangelhafter Kommunikation – und an Maximilian Foerst, dessen Zeit als Vorstandschef wegen eines früheren Fehlverhaltens nach nur sieben Monaten zum Jahresultimo schon wieder endet. Die laufende Suche nach einem Nachfolger sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Darüber hinaus weisen Analysten auf Herausforderungen in China sowie Belastungen durch Zölle – insbesondere im US-Geschäft – hin und Risiken aus ungünstigen Wechselkursverschiebungen.
Bis Mitte März hatte es noch nach einer kräftigen Kurserholung ausgesehen, dann folgte eine Konsolidierung. Zu einer ersten Irritation kam es Anfang Mai, als der Medizintechnikkonzern überraschend einen Wechsel an der Spitze ankündigte: Nachfolger von Martin Weber, seit Anfang 2022 Vorstandsvorsitzender, wurde zum 1. Juni Foerst, der bis dahin das China-Geschäft des Konzerns geleitet hatte.

Foto: Zeiss
Anfang August folgte der nächste Schlag für die Aktionäre: Das auf Geräte für die Diagnose, Behandlung und Prävention von Augenkrankheiten (Umsatzanteil 2024/25: 77%) sowie für die Mikrochirurgie (23%) spezialisierte Unternehmen hatte enttäuschende Zahlen für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2024/25 (30. Juni) vorgelegt.
Währungs- und akquisitionsbereinigt war der Umsatz zwischen April und Ende Juni nur um 1,1% und das operative Ergebnis (Ebita) um lediglich 3% gestiegen. Der neue CEO verwies auf Gegenwind durch negative Währungseffekte und die Einführung der US-Handelszölle.
Vorstandschef für sieben Monate
Anfang dieses Monats waren es dann nicht schwache Zahlen, die den Kurs drückten, sondern die Mitteilung, dass man sich bereits zum Jahresende wieder von Vorstandschef Foerst trennen werde. Grund sei ein von ihm selbst „eingeräumter Verstoß gegen den internen Verhaltenskodex im Zusammenhang mit einem Interessenkonflikt im Umgang mit einer Person im Zeiss-internen Arbeitsumfeld, der einige Jahre zurückliegt“. Mit dem Geschäft des Unternehmens habe der Fall nichts zu tun, wurde betont. Den Chefposten werde vorübergehend Andreas Pecher übernehmen, der Vorstandsvorsitzende der Zeiss Gruppe. Carl Zeiss Meditec gehört mehrheitlich der Carl Zeiss AG (59,14%), die wiederum zu 100% im Besitz der Carl-Zeiss-Stiftung ist.

Foto: Zeiss
Jüngst wurden die Jahreszahlen (30. September) veröffentlicht. Meditec hatte im vierten Quartal einen Schlussspurt hingelegt. Der Umsatz war 2024/25 im Vergleich zur Vorperiode um 7,8% (währungsbereinigt: +8,6%; währungs- und akquisitionsbereinigt: +3,3%) auf 2,23 Mrd. Euro gestiegen und das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte auf 258 (i.V. 249) Mill. Euro – und „damit im Einklang mit der Prognose“. Der Auftragsbestand lag bei 380 Mill. Euro (+16%).
Steigende Margen erwartet
Für 2025/26 erwartet Meditec auf Basis der aktuellen Wechselkurse Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich auf etwa 2,3 Mrd. Euro. „Ebit und Ebita dürften weiter ansteigen“, heißt es weiter; im abgelaufenen Geschäftsjahr lagen die Ergebnisse bei 223 und 258 Mill. Euro. Die Margen dürften den Angaben zufolge von steigenden wiederkehrenden Umsätzen und vom Wachstum in der Mikrochirurgie profitieren. Meditec nennt Zielmargen für das Ebit von 11,0 bis 11,5 (i.V. 10,0)% und für das Ebita von rund 12,5 (11,6)%.
Warnung vor „zusätzlichen, nicht wiederkehrenden Belastungen"
Meditec warnte vor „zusätzlichen, nicht wiederkehrenden Belastungen im Ebita“, die sich als Folge geopolitischer Entwicklungen, von Handelsbarrieren und regulatorischen Änderungen ergeben könnten. Ebenso könne die laufende Neuausrichtung der F&E-Prioritäten zu nicht wiederkehrenden Effekten führen. „Die derzeit beste Schätzung für die Höhe der nicht wiederkehrenden Effekte liegt im niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“, heißt es in der Mitteilung; diese sei aber „noch nicht in der Prognose für das Ebita berücksichtigt“.
Das heißt, die Marktakteure können sich mit den nächsten Quartalsberichten auf Abwärtskorrekturen der Prognosen einstellen. Genau dieser Punkt störte viele Analysten und Investoren.
Scharfe Kritik an Nichtberücksichtigung von Einmalbelastungen in den Ergebnisprognosen
Zwar wurde von vielen Research-Häusern die positive Entwicklung im vierten Geschäftsquartal und der hohe Auftragsbestand gelobt, doch es hagelte Kritik, dass die avisierten negativen Einmaleffekte nicht in der Prognose enthalten sind.
Zudem bringe die Nachfolgersuche für den Vorstandsvorsitz „gewisse Unsicherheiten für die langfristige Strategie mit sich“, so MWB Research. Die UBS verwies auch auf Herausforderungen in China. Um die „durchaus ambitionierten Ziele“ zu erreichen, bedürfe es einer erheblichen Wende, hieß es von den Schweizern. Am schärfsten reagierte Alexander Neuberger vom Bankhaus Metzler auf die Jahreszahlen und den Ausblick: Es senkte seine Anlageempfehlung von „Kaufen“ auf „Halten“ und das Kursziel drastisch von 70 auf 42 Euro. Es gebe momentan einfach zu viel Gegenwind – intern und extern, so Neuberger.
Im Schnitt sind die Analysten für Meditec aber positiv gestimmt: Nach Bloomberg-Daten entspricht der Konsenswert der erfassten 20 Anlageurteile einer schwachen Kaufempfehlung. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 48,54 Euro. Das entspricht beim aktuellen Kurs von 39,70 Euro einem Aufwärtspotenzial von 22%. Offenbar wird ein weiterer, signifikanter Kursrückgang als unwahrscheinlich angesehen, denn nur JP Morgan rät zum „Verkaufen“; mit 35,10 Euro ist hier auch das Kursziel deutlich niedriger als bei den übrigen Schätzungen, die nicht unter 42 Euro liegen. Derzeit kostet die Aktie kaum mehr als bei ihrem Tief von 38,62 Euro am Tag der Bilanzvorlage; das war der niedrigste Stand seit Anfang 2017. Im September 2021 hatte sich das Rekordhoch bei knapp 200 Euro gebildet.
Kurs-Gewinn-Verhältnis soll bis 2027/28 auf 14,3 sinken
Die im MDax enthaltene Carl Zeiss Meditec ist an der Börse 3,55 Mrd. Euro. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktie wird laut Bloomberg auf Basis der Konsens-Gewinnerwartungen in den nächsten Jahren günstiger: Es soll von 20,4 in diesem Jahr auf 16,7 (2026/27) und dann auf 14,3 (2027/28) sinken. Das Kurs-Cashflow-Verhältnis verbessert sich leicht von 13,9 (2025/26) auf 12,4 (2027/28).
Optimisten würden aus all dem folgern, dass das Abwärtspotenzial begrenzt, das Aufwärtspotenzial dagegen beachtlich ist. Da Meditec vom Geschäftsmodell her ein defensiver Wert ist, gibt es in diesen, von großer Unsicherheit und Volatilität geprägten Tagen schlechtere Anlagemöglichkeiten.
