Chefvolkswirt Zeuner redet Klartext auf ETF-Forum der Deutschen Börse
„Möglich, dass wir über ein anderes Inflationsziel sprechen“
Lebhafte Diskussion beim ETF-Forum der Deutschen Börse – Experten pessimistisch
Beim ETF-Forum der Deutschen Börse in Frankfurt ist es neben ETFs auch um die ganz großen Themen gegangen: Wie geht es weiter mit Energiekrise, Konjunktur und globaler Wirtschaft? Einig waren sich die Experten keineswegs. Besonders beim Thema Inflation gingen die Meinungen auseinander.
Von Tobias Möllers, Frankfurt
Mit den Worten „Ich glaube, die Zeiten bleiben für uns alle spannend“, hat Eric Leupold, Leiter Kassamarkt, das sehr gut besuchte ETF-Forum der Deutschen Börse in Frankfurt eröffnet. Diese Zeit mache es notwendig, Innovation und innovative Produkte voranzutreiben. ETFs gebe es noch keine 20 Jahre, heute seien 2.050 allein in Frankfurt gelistet.
Nach Leupolds einleitenden Worten hatte die Deutsche Börse zu fünf Panels eingeladen, und gleich beim ersten hochrangig besetzten Panel waren sich die drei geladenen Experten alles andere als einig. Beim Thema „Auswirkungen der Energiekrise auf die globale Wirtschaft“ kamen Stefan Hofrichter, Managing Director von Allianz Global Investors, Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M. M. Warburg, und Jörg Zeuner, Chief Economist bei Union Investment, zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen.
Klude zeigte sich von den drei Experten am optimistischsten. Mit Blick auf die Inflation sagte er: „Ich glaube, dass die Produzentenpreise im Sommer die Nulllinie unterschreiten werden.“ Die Inflation bei den Konsumentenpreisen taxierte er für 2023 auf 3−4%. „Wir werden im nächsten Jahr die 2% sehen“, glaubt Klude.
Jörg Zeuner zeigte sich weniger optimistisch, er sei „aber auch nicht bereit, für die Eurozone die Rezession auszurufen“. Angesprochen auf die Energiekrise, gab Zeuner Entwarnung, allerdings nur, was die Versorgung angeht, bei einer Prognose der Preise im nächsten Winter zeigte sich der Wirtschaftsexperte vorsichtiger. Beim Blick auf die Inflation ist Zeuner pessimistischer als Klude: „Die Notenbanken werden das 2-%-Ziel dieses Jahr nicht erreichen, nächstes Jahr im Durchschnitt auch nicht.“
Noch vorsichtiger gab sich Stefan Hofrichter: Für ihn bleibt Ende 2023 „Rezession das Basisszenario“. Die Inflation sei hartnäckig, da sie durch strukturelle Faktoren gefördert werde. Hofrichter nannte hier Deglobalisierung, Demografie und Dekarbonisierung und sieht für die Zukunft eine grundsätzlich höhere Inflation: „Ich gehe davon aus, dass die Zentralbanken stärker und länger dagegenhalten müssen, als das bisher von den Märkten antizipiert ist.“ Noch weiter ging hier Jörg Zeuner. Auch er ist sich sicher, dass die Inflation bleiben und die Volatilität zunehmen wird: „Es ist möglich, dass wir 2024, 2025 über ein anderes Inflationsziel als 2% sprechen“, sagte der Experte von Union Investment.
Gefragt nach aktuell attraktiven Anlageklassen, war erneut Klude am optimistischsten für Aktien und kann sich gut vorstellen, dass die positive Entwicklung am Markt noch weitergeht. Zeuner fehlt hingegen die Fantasie für weitere Steigerungen, und auch Hofrichter setzt momentan lieber auf Festverzinsliche als auf Dividendentitel.