Geld oder Brief

Achterbahn fahren mit Morphosys

Die Studienergebnisse zum Krebswirkstoff Pelabresib setzen den Aktienkurs von Morphosys anfangs stark unter Druck. Doch dann beginnt eine fulminante Erholung.

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Achterbahn fahren mit Morphosys

Von Joachim Herr, München

Aktionäre von Morphosys haben in den vergangenen zwei Monaten in kurzer Zeit Absturz und Höhenflug erlebt. Für Investoren mit schwachen Nerven ist das nichts. Im November halbierte sich der Aktienkurs des Biotechnologieunternehmens nahezu innerhalb von nur zwei Wochen. Es folgte eine Erholungsrally von etwa 16 Euro auf 36,50 Euro am 8. Januar. Das war der höchste Stand seit zwei Jahren.

Allein das rasante Auf und Ab des Kurses lässt erahnen, dass es Nachrichten von erheblicher Bedeutung gegeben hat. Das Schlüsselwort heißt Pelabresib. Das ist ein Wirkstoff gegen eine Form von Knochenmarkkrebs. Der Vorstand von Morphosys und auch Analysten trauen dem Medikament den Erfolg eines Blockbusters zu, also einen Jahresumsatz von mindestens 1 Mrd. Dollar. Voraussetzung ist freilich, dass es die Marktzulassung erhält. Auf Pelabresib ruhen die größten Hoffnungen des Unternehmens mit Sitz in Planegg bei München und das Ziel, von 2026 an Gewinne zu erwirtschaften.

Zunächst große Skepsis

Im November veröffentlichte das Unternehmen die mit großer Spannung erwarteten Ergebnisse der Phase-3-Studie. Der Vorstand bezeichnete sie als überzeugend, stark und umfassend und kündigte an, Mitte 2024 sowohl in den USA als auch in der Europäischen Union einen Antrag auf eine Marktzulassung einzureichen.

Doch an der Börse herrschte Skepsis. Einige Analysten sind der Auffassung, ein Teil der sogenannten Sekundärziele seien verfehlt worden. Dabei geht es vor allem darum, die Symptome der Myleofibrose zu lindern, wie diese Form des Knochenmarkkrebs heißt. Der Aktienkurs stürzte nach der Bekanntgabe der Studienergebnisse zu Beginn des Xetra-Handels um mehr als 30% ab und beendete ihn mit einem Tagesverlust von rund 21%.

Rasante Kurserholung

Danach startete die erstaunliche Erholung ausgehend von etwa 16 Euro mit einem Anstieg um rund 130%. Im Markt gewann offenbar nach und nach die Zuversicht für einen Erfolg von Pelabresib die Oberhand. Bestätigt sahen sich die Optimisten von den detaillierten Studiendaten, die Morphosys am 10. Dezember auf der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) in San Diego vorstellte. Die Veranstaltung ist der weltweit wichtigste Kongress in der hämatologischen Onkologie. Dort bekräftigte Morphosys eine signifikante Verringerung der Milzgröße dank der Behandlung von Pelabresib in Kombination mit dem Wirkstoff Ruxolitinib. Damit wurde ein wichtiger primärer Endpunkt erreicht. Eine vergrößerte Milz ist eine Folge der Myleofibrose. Der Makel der Ergebnisse ist, dass sich in der wenn auch relativ kleinen Gruppe der Hochrisikopatienten andere Symptome – sekundäre Endpunkte – weniger stark verringerten als im Vergleichssegment. In diesem wurden Patienten mit Ruxolitinib und einem Placebo behandelt.

"Gute Chancen"

James Gordon, Analyst von J.P. Morgan, zieht aus den unterschiedlichen Ergebnissen für Patienten mit mittlerem und hohem Risiko seine Schlüsse: "Basierend auf der Gesamtheit der Daten sehen wir weiterhin gute Chancen, dass Morphosys die Zulassung für Pelabresib in der Patientengruppe mit mittlerem Risiko erhalten kann." Auch für diesen Fall rechnet er mit einem Umsatzpotenzial von mindestens 1 Mrd. Dollar im Jahr. Dann könnte eine Aktie von Morphosys 52 Euro wert sein. Die Aktionäre müssten aber etwas Geduld und eine gewisse Risikotoleranz haben, so Gordon.

Seine Kollegen von der Schweizer UBS schätzen den möglichen Umsatz mit Pelabresib auf 1,1 Mrd. Dollar. Sie geben zu bedenken, dass eine Erklärung für die schwächeren Studienergebnisse in der Gruppe der Patienten mit hohem Risiko noch fehlt.

Reichweite verlängert

Wenige Tage nach dem Kongress in San Diego nutzte Morphosys die Kursrally für eine Kapitalerhöhung. Institutionelle Investoren erwarben gut 3,4 Millionen Aktien zum Preis von jeweils 30 Euro. Das brachte dem Unternehmen einen Bruttoerlös von knapp 103 Mill. Euro. Ein Zweck der Einnahme ist, die Vorbereitungen zur Markteinführung von Pelabresib zu beschleunigen. Außerdem soll die klinische Entwicklung anderer wichtiger Produktkandidaten gefördert und die Finanzen sollen gestärkt werden.

Morphosys erwartet für dieses Jahr einen Liquiditätsbedarf von etwa 250 Mill. Euro. Mit dem Erlös der Kapitalerhöhung verlängert sich die Reichweite der Finanzmittel nach Einschätzung des Unternehmens voraussichtlich bis Mitte 2026. Damit löst sich aus Sicht von J.P.-Morgan-Analyst Gordon eine massive Belastung in Luft auf.

Der Vorstandsvorsitzende Jean-Paul Kress bewertet die Kapitalerhöhung als "ein klares Bekenntnis von führenden institutionellen Investoren, die an unsere Strategie, unser Wachstumspotenzial und unsere Dynamik glauben".

Vertrauen gewonnen

Die Kapitalerhöhung signalisiert nach Meinung der Analysten von Frankfurt Main Research (FMR) "einen ausgewogenen Ansatz zur Förderung von Wachstum und Innovation im Onkologiesektor bei gleichzeitiger Sicherstellung der finanziellen Stabilität". Ihr Vertrauen in das Marktpotenzial von Morphosys sei gestiegen und spiegele sich in einer wiederholten Kaufempfehlung wider. Das Kursziel erhöhten die FMR-Analysten von 31 auf 39 Euro.

Die Kapitalerhöhung bremste die Kursrally nur leicht. Das Jahr 2023 schloss Morphosys mit einem Kurs von 34,00 Euro ab. Verglichen mit dem Stand 13,21 Euro ein Jahr zuvor ergibt dies einen Anstieg von 157%. Damit war die Aktie Spitze im SDax. Verglichen mit dem Anfang 2020 erreichten Höchststand von 136,20 Euro liegt das aktuelle Kursniveau auf gut einem Viertel. Morphosys-Aktionäre sitzen schon seit langem in der Achterbahn.

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