E-Auto-Bauer

Musks Kontroversen belasten Tesla

Mit seinen Aktivitäten bei Twitter setzt Elon Musk auch die Tesla-Aktie unter Druck. Nun hoffen Investoren darauf, dass der Unternehmer den Chefposten bei dem Kurznachrichtendienst abgibt.

Musks Kontroversen belasten Tesla

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Tesla-Investoren klammern sich an eine Hoffnung: einen Rücktritt Elon Musks vom CEO-Posten bei Twitter. Nachdem in einer Umfrage auf der Plattform 57,5% der Teilnehmer dafür stimmten, der Milliardär solle die Spitzenrolle bei dem Kurznachrichtendienst abgeben, legte die Aktie des E-Auto-Bauers im vorbörslichen US-Handel zu. Nach einer festen Eröffnung an der Wall Street drehte der Titel allerdings schnell ins Minus, wozu auch Herabstufungen durch mehrere Analysten beitrugen.

Zuletzt sorgte die schwache Börsenperformance von Tesla für scharfe Kritik von Investoren. Die Aktie hat mit einem Minus von 58% seit Anfang Januar eine deutliche Underperformance gegenüber dem Nasdaq 100 hingelegt und steuert damit auf ihr schwächstes Jahr jemals zu. Die Marktkapitalisierung des Fahrzeugherstellers, die im November 2021 einen Rekordstand von 1,24 Bill. Dollar erreichte und damit fast doppelt so hoch ausfiel wie die Börsenwerte von Toyota, Volkswagen, Daimler und General Motors zusammen, ist auf 474 Mrd. Dollar eingebrochen.

Fülle an Kontroversen

Aktionäre sorgen sich nicht nur, dass die Konzentration Musks darunter leidet, beide Unternehmen gleichzeitig zu führen – sie werfen dem 51-Jährigen auch vor, der Marke Tesla durch kontroverse Äußerungen und Handlungen bei Twitter zu schaden. Der streitbare Milliardär schloss die Übernahme des Kurznachrichtendienstes Ende Oktober nach für 44 Mrd. Dollar ab und setzte sich selbst als neuen CEO ein. Seither kam es zu Massenentlassungen und einem Exodus von Führungskräften, während Musk die Plattform nutzte, um ehemalige Manager zu attackieren und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Zuletzt sorgte Twitter mit einem Verbot von Links zu anderen Social-Media-Seiten sowie Sperren für die Accounts mehrerer Journalisten für Aufsehen – letztere Maßnahme machte das Unternehmen nach öffentlicher Kritik rückgängig.

Allerdings haben zahlungskräftige Werbekunden wie United Airlines und General Motors ihre Aktivitäten auf der Plattform angesichts der Kontroversen ausgesetzt. Musk warnte bereits wenige Wochen nach der Twitter-Übernahme davor, dass 2023 ein Milliardenloch in der Bilanz des stark von Werbeeinnahmen abhängigen Social-Media-Anbieters klaffen könnte. Auch eine Insolvenz sei nicht ausgeschlossen.

Großvolumige Verkäufe

Die Tesla-Aktie leidet indes nicht nur unter befürchteten Imageschäden durch Musks Twitter-Engagement, sondern auch unter wiederholten großvolumigen Abverkäufen durch den Unternehmer. In der vergangenen Woche stieß der einstige Seriengründer Aktien des E-Auto-Bauers im Gegenwert von mindestens 3,6 Mrd. Dollar ab, was seine zweite milliardenschwere Verkaufsrunde seit der Twitter-Übernahme darstellt. Seit dem im November 2021 erreichten Rekordhoch von Tesla hat Musk damit insgesamt Aktien im Wert von fast 40 Mrd. Dollar auf den Markt geworfen.

Die Gründe für seine jüngsten Verkäufe nannte der Milliardär zwar nicht explizit, Beobachter führen sie aber auf einen erhöhten Cash-Bedarf zurück. So warnte Musk zuletzt in einem Twitter-Post vor der Gefahr hoher Schuldenbelastungen in einem turbulenten, von Zinserhöhungen geprägten Makro-Umfeld. Twitter nahm im Zuge der Übernahme ungefähr 13 Mrd. Dollar an Krediten auf, die jährlichen Zinsverpflichtungen des Social-Media-Unternehmens könnten sich damit auf mehr als 1 Mrd. Dollar belaufen.

Den riskantesten Teil der Verschuldung stellt ein 3 Mrd. Dollar schwerer Bond mit einem Kupon von 11,75% dar. Analysten spekulieren nun darüber, dass Musk die Erträge aus seinen Tesla-Veräußerungen nutzen könnte, um die Twitter-Anleihe zurückzukaufen – eventuell zu einem hohen Discount. Schließlich seien Banken, die solche Papiere auf die Bücher genommen hätten, an einer Reduzierung ihres Exposures interessiert, obwohl es für sie schmerzhaft sei, Verluste zu realisieren. Zu den größten Underwritern des Twitter-Deals zählen Bank of America, Barclays und die japanische MUFG, die auf jeweils 21% des Volumens der Kreditzusagen kommen – sowie Morgan Stanley, deren Anteil sich auf 27% beläuft.

Würde sich Musk die Anleihen sichern, hätte er im Fall einer Insolvenz von Twitter mehr Spielraum, werden Gläubiger im Rahmen eines Chapter-11-Verfahrens gegenüber Anteilseignern doch bevorzugt. Andererseits könnte der Unternehmenseigner die Mittel aus den Tesla-Verkäufen nutzen, um den Social-Media-Anbieter durch Eigenkapitalspritzen zu stützen – was für ihn allerdings ein größeres finanzielles Risiko beinhalten würde.

In jedem Fall drohen die Versuche Musks, eine Twitter-Insolvenz abzuwenden oder sich für den Chapter-11-Fall zu rüsten, laut Analysten weiterhin auf dem Tesla-Kurs zu lasten. Hinzu kommt die Sorge vor Marktanteilsverlusten des E-Auto-Bauers. Zwar hätten unvorhergesehene Verzögerungen in der Software-Entwicklung und die Corona-Lage an den chinesischen Produktionsstandorten Konkurrenten wie Volkswagen zuletzt ausgebremst, merken die Analysten von Bloomberg Intelligence an. Doch dürften die Wolfsburger Tesla bei der Zahl der ausgelieferten batterieelektrischen Vehikel in den Jahren 2025 und 2026 überholen.

Risiken durch Rechtsstreit

Zugleich dürfte ein Rechtsstreit zwischen Musk und Aktionären zusätzliche Kosten für den E-Auto-Bauer nach sich ziehen. Eine Sammelklage von Anteilseignern dreht sich um einen Tweet des Milliardärs aus dem Jahr 2018 – in diesem behauptete er, Mittel gesichert zu haben, um Tesla von der Börse nehmen zu können. Der Verhandlungsauftakt ist für den 17. Januar angesetzt, Bloomberg Intelligence prognostiziert indes, dass es zuvor zu einem Vergleich kommen werde. Dieser könne 500 Mill. bis 1 Mrd. Dollar umfassen, theoretisch seien aber auch Schadensersatzzahlungen von bis zu 6 Mrd. Dollar möglich.

Derweil ist unklar, ob und wann Musk seinen Twitter-Posten abgibt. So betonte der 51-Jährige auch, dass „niemand, der Twitter tatsächlich am Leben halten kann“, den Spitzenjob wolle. Der Unternehmer gelobte zwar, sich an das Ergebnis seiner Twitter-Umfrage zu halten – doch die Tesla-Investoren wissen auch, dass ihr CEO jederzeit zu radikalen Meinungsumschwüngen in der Lage ist.

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