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Novartis verpflichtet sich zur Nachhaltigkeit

Von Timo Kürschner *) Börsen-Zeitung, 8.10.2020 Novartis hat eine Vorreiterrolle in der Pharmabranche übernommen und erstmals eine Anleihe über 1,85 Mrd. Euro platziert, die direkt an die eigenen Nachhaltigkeitsziele gekoppelt ist sowie an die...

Novartis verpflichtet sich zur Nachhaltigkeit

Von Timo Kürschner *)Novartis hat eine Vorreiterrolle in der Pharmabranche übernommen und erstmals eine Anleihe über 1,85 Mrd. Euro platziert, die direkt an die eigenen Nachhaltigkeitsziele gekoppelt ist sowie an die Anfang September angekündigten sozialen Ziele für einen breiteren Patientenzugang bis 2025. Die endgültige Höhe der Zinszahlung hängt dabei vom Erreichen der Zielvorgaben ab. Die Erfüllung von ESG-Kriterien (Environment, Social and Governance) ist inzwischen eine wichtige strategische Priorität für das Unternehmen. Sie beruht auf vier Säulen: Einhaltung ethischer Standards, nachhaltige Preisgestaltung sowie breiterer Zugang zu Medikamenten, Bewältigung globaler Gesundheitsherausforderungen und verantwortungsbewusstes gesellschaftliches Engagement. Bis 2030 will der Konzern zudem entlang der gesamten Lieferkette Klimaneutralität erreichen. Im Rahmen des Programms für einen breiteren Medikamentenzugang will Novartis die Verfügbarkeit seiner Medikamente bis 2025 in Ländern mit niedrigen bzw. mittleren Einkommen um mindestens 200 % steigern.Darüber hinaus unternimmt Novartis Schritte, um die Reichweite seiner Flaggschiff-Programme bei Lepra, Malaria, der Chagas-Krankheit sowie der Sichelzellenanämie im gleichen Zeitraum um mindestens 50 % zu erhöhen. Mit der Erfüllung der Ziele will das Unternehmen in allen Therapiegebieten über 24 Millionen Patienten erreichen. Der jetzt begebene SLB (Sustainability-Linked Bond) hat eine Laufzeit von acht Jahren und bietet den Anlegern ab 2026 eine um 25 Basispunkte (BP) höhere Verzinsung, sollte Novartis die eigenen Zielvorgaben verfehlen. Der IPT (Initial Price Thought) der Emission lag bei 55 BP und reduzierte sich im Verlauf der Emission auf 40 BP über Mid Swap. Letztendlich wurde die Anleihe zu 99,35 % platziert. Die Nachfrage der Investoren war allerdings nicht ganz so groß. Am Ende war sie nur rund zweifach überzeichnet. Dies könnte neben der noch ungewohnten Form für die Investoren auch am Nullkupon des Bonds gelegen haben. Solider PharmawertDie engen Spreads sind der fundamentalen Stärke des soliden Pharmawertes geschuldet, der über stabile “AA-“-Ratings bei S&P und Fitch bzw. über ein um einen Notch schlechteres “A1”-Rating bei Moody’s verfügt, ebenfalls mit stabilem Ausblick. Die erste SLB-Emission von Novartis und im Sektor wurde hauptsächlich in Frankreich (24 %), Großbritannien und Deutschland (je 20 %) sowie in den Beneluxstaaten (13 %) platziert. Von Schweizer Investoren wurden weitere 8 % gekauft. Einen Anreiz für Unternehmen, ESG-Bonds zu emittieren, gibt es auch von anderer Seite. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) kürzlich beschlossen, dass Anleihen mit Kuponstrukturen, die an bestimmte Nachhaltigkeitsziele geknüpft sind, als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems zugelassen werden. Die Novartis-Anleihe darf zudem ab Januar 2021 auch von der EZB im Rahmen der Ankaufprogramme für Anleihen, CSPP (Corporate Sector Purchase Programme) und PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme), direkt gekauft werden.Die Wurzeln des Schweizer Unternehmens reichen 250 Jahre zurück. Novartis selbst entstand 1996 aus der Fusion der beiden Vorgängerunternehmen Sandoz und Ciba-Geigy. Nach einem Spartentausch im Jahr 2015 mit dem Wettbewerber GlaxoSmithKline – das Impfstoff- und Konsumentengeschäft wurden gegen die Onkologie getauscht – und der Abspaltung der Augensparte Alcon im vorigen Jahr ist Novartis ein reiner Arzneimittelhersteller geworden, der aus zwei Sparten besteht: Innovative Medicines (Entwicklung und Vermarktung von patentgeschützten Arzneimitteln) und Sandoz (Generikasparte). Im Januar 2020 übernahm Novartis zudem The Medicines Company für 9,6 Mrd. Dollar, was zu einem Verschuldungsanstieg führte. Nichtsdestotrotz lag die Nettoverschuldung mit 26,5 Mrd. Dollar (Stand H1/2020) auf einem im Verhältnis zum operativen Cash-flow (6,5 Mrd. Dollar) akzeptablen Niveau. Die Finanzrelation Debt/Ebitda lag 2019 bei 1,6x und dürfte sich in diesem Jahr auf etwa 2,0x erhöhen. Nettoumsatz steigt leichtWährend der Jahresauftakt noch sehr dynamisch ausfiel, waren im zweiten Quartal Kompensationseffekte aufgrund der Covid-19-bedingten Vorratskäufe des ersten Quartals zu verkraften. Der Nettoumsatz der fortzuführenden Geschäftsbereiche stieg im ersten Halbjahr daher lediglich um 3 % auf 23,6 Mrd. Dollar. Hauptumsatztreiber war einmal mehr die Sparte Innovative Medicines mit Entresto (Herzinsuffizienz) und Cosentyx (Schuppenflechte) sowie dem sehr teuren Gentherapeutikum Zolgensma (Spinale Muskelatrophie). Das Wachstum dieser und anderer Arzneimittel wurde teilweise durch eine rückläufige Entwicklung bei Lucentis und anderen ophthalmologischen Produkten absorbiert.Die Generikasparte Sandoz verzeichnete vor allem aufgrund des weiter schlechten Preisumfelds in den USA einen leichten Rückgang. Erfolgreich entwickelt sich dabei bei aber weiter das Geschäft mit generischen Biopharmazeutika, das gute Zukunftsprognosen hat und in Europa und den USA zweistellige Zuwächse verbuchte. Unter dem Strich erzielte Novartis im ersten Halbjahr aus den fortzuführenden Geschäftsbereichen einen Reingewinn von 4 Mrd. Dollar bzw. einen um einmalige Effekte adjustierten von 6,7 Mrd. Dollar. Die bereinigte operative Gewinnmarge stieg um 3 % auf 33,2 %.Novartis hat derzeit Anleihen im Wert von umgerechnet rund 23,8 Mrd. Euro ausstehen. Rund 60 % der Anleihen sind in der Bilanzwährung Dollar begeben, der Rest in Euro (37 %) und Schweizer Franken (5 %). Anleihefälligkeiten für 2020 gibt es keine mehr. Im nächsten Jahr werden 1,85 Mrd. in Euro begebene Bonds fällig. Insgesamt hat der Konzern ein sehr ausgewogenes Fälligkeitenprofil, in dem in den nächsten Jahren jährlich meist um die 2 Mrd. Euro zur Rückzahlung anstehen. Wir halten den Konzern aufgrund der sehr guten Ratings für ein solides Basisinvestment. Allerdings sind die Novartis-Bonds dementsprechend teuer und daher nur begrenzt attraktiv. Enge CDS-SpreadsDie gute Bonität des Konzerns zeigt sich auch in extrem engen CDS-Spreads. Dieser als Indikation für das Ausfallrisiko dienende Spread liegt aktuell mit einer Laufzeit von fünf Jahren bei 14 BP und blieb auch während des Höhepunktes der Coronakrise im Frühjahr mit maximal 28 BP auf extrem niedrigem Niveau. Die Anleihen sind vor allem sehr risikoaversen Anlegern zu empfehlen, die sich mit einer sehr kleinen oder sogar negativen Rendite begnügen. Die höchsten Renditen bieten derzeit noch die Bonds 08/2030 und 08/2038, die allerdings aufgrund der langen Laufzeit einem hohen Zinsänderungsrisiko unterliegen. Der jetzt begebene SLB 09/2028 von Novartis könnte zudem attraktiv für Nachhaltigkeitsportfolien anstelle von Staatsanleihen sein. *) Timo Kürschner ist Senior Analyst für den Pharmasektor bei der Landesbank Baden-Württemberg.