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Ohne die EZB-Nachfrage dürfte die Kurve steiler werden

Nach Meinung von Christoph Rieger, Head of Rates und Credit Research bei der Commerzbank, dürfte die Kurve ohne die Nachfrage der EZB steiler werden.

Ohne die EZB-Nachfrage dürfte die Kurve steiler werden

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Ohne die EZB-Nachfrage dürfte die Kurve steiler werden

Von Christoph Rieger*)

Der vollständige Stopp der Reinvestitionen bedeutet, dass die EZB ab Juli nicht mehr in der Lage sein wird, die APP-Flows zu glätten. Wir schätzen die Auswirkungen auf die einzelnen Emittenten ab. Die Bondkurven dürften sich weiter versteilern und BTP-Spreads ausweiten.

Die vollständige Beendigung der APP-Reinvestitionen ab Juli sollte keine große Überraschung sein. Der zuletzt veröffentlichte Survey of Monetary Analysts (SMA) zeigt, dass die Analysten überwiegend damit gerechnet hatten. Dies hat es der EZB vermutlich leichter gemacht, bereits auf ihrer Mai-Sitzung den erwarteten vollständigen Stopp der Reinvestitionen anzukündigen. Zur Erinnerung: Im Dezember sagte Lagarde, die 15 Mrd. Euro seien „auf der Grundlage der Empfehlungen unserer Marktleute“ gewählt worden.

Bemerkenswert ist auch, dass immerhin 25% der Befragten eine Änderung der Forward Guidance für das PEPP erwarteten. Das Pandemic Emergency Purchase Programme ist das in der Pandemie aufgelegte Notkaufprogramm, das mit 1,7 Bill. Euro gut ein Drittel aller Anleihebestände bei der EZB ausmacht. Wenn die beschleunigte APP-Reduzierung reibungslos verläuft, könnte die EZB das zum Anlass nehmen, den avisierten Termin für die vollständigen PEPP-Reinvestitionen von Ende 2024 vorzuziehen.

Der vollständige Stopp bedeutet nun jedoch, dass die EZB nicht mehr in der Lage sein wird, ihre APP-Flows „im Laufe der Zeit zu glätten, um eine regelmäßige und ausgewogene Marktpräsenz zu ermöglichen“, wie es während der Phase der teilweisen Reinvestitionen praktiziert wurde. Bereits im Sommermonat Juli müssen für mehr als 30 Mrd. Euro der EZB-APP-Bestände neue Investoren gefunden werden, im Oktober sogar für mehr als 50 Mrd. Euro.

Dies muss kein Problem sein, wenn der Finanzierungsfortschritt komfortabel ist und es in diesen Phasen hoher Tilgungen genügend Rückflüsse gibt.

Leider veröffentlicht die EZB keine Daten zu ihrer Fälligkeitsstruktur nach Ländern.

Um die Auswirkungen des Rückzugs der EZB auf die verschiedenen Marktsegmente zu prognostizieren, haben wir ihre APP-Fälligkeiten pro Emittent und Anleihe geschätzt.

Für Bunds schätzen wir, dass Fälligkeiten von 23 Mrd. Euro von Juli bis Dezember nicht mehr reinvestiert werden. Dies entspricht 16% des von uns erwarteten Bruttoangebots in diesem Zeitraum, für das der Markt neue Käufer finden muss.

Für italienische Anleihen (BTPs) schätzen wir rund 26 Mrd. Euro für den Zeitraum, was etwa 24% des von uns erwarteten Bruttoangebots entspricht.

Für Frankreich (OATs) und Spanien (SPGBs) erwarten wir, dass im zweiten Halbjahr rund 17 Mrd. Euro bzw. 11 Mrd. Euro an Fälligkeiten bei der EZB anfallen, was etwa 13% bzw. 14% des erwarteten Bruttoangebots entspricht.

Die supranationalen Emittenten (EU, EIB, ESM, etc.) profitieren von geringen Fälligkeiten bis zum Jahresende, die erst im April nächsten Jahres an Fahrt gewinnen werden, wenn die geschätzten Fälligkeiten von 10 Mrd. Euro im Public Sector Purchase Program (PSPP) nicht mehr reinvestiert werden.

Die entscheidende Frage lautet natürlich, kann der Markt das absorbieren?

Die von uns geschätzten Volumina sind nicht besonders alarmierend angesichts der äußerst reibungslosen Absorption des noch größeren Nettoangebots im ersten Quartal. So konnten BTPs im ersten Quartal problemlos ein positives Nettoangebot von 37 Mrd. Euro verkraften und sogar gegenüber Bunds zulegen, trotz der fortgesetzten EZB-Zinserhöhungen und des Bankenstresses.

In dieser Hinsicht wird das Angebot inländischer Banken wohl entscheidend werden, um einer Spreadausweitung entgegenzuwirken. Die jüngsten Veröffentlichungen der Banca d‘Italia und Analysen zu den anstehenden Rückzahlungen langfristiger EZB-Kredite (TLTROs) mahnen jedoch zur Vorsicht.

Zum einen wurden die inländischen BTP-Käufe zu Beginn des Jahres weitgehend von den Großbanken getätigt, die jedoch in der zweiten Jahreshälfte und insbesondere gegen Jahresende tendenziell ihr Exposure wieder reduzieren.

Gleichzeitig könnten kleinere und mittelgroße Banken in den kommenden Monaten zu Nettoverkäufern werden, um die anstehenden TLTRO-Rückzahlungen zu bewältigen. Italien ist das einzige Land, in dem die Banken mehr TLTROs ausstehen haben als Überschussliquidität.

Außerdem verkürzen die italienischen Banken ihre Duration erheblich. Die Duration der BTP-Bestände des inländischen Bankensektors ist mittlerweile unter vier Jahre gefallen. Auch wenn dies zum Teil auf Bewertungseffekte angesichts rasch steigender Zinsen zurückzuführen ist, ist es doch bezeichnend, dass die Duration des Portfolios auch nach wieder stabilen BTP-Renditen im vierten Quartal weiter zurückging.

Dies ist besonders relevant, da die EZB ihre Rückzahlungen stets in wesentlich längere Laufzeiten als die typischen „Anleihe-Recycler“ (meist Geldmarktfonds) reinvestiert hat, um den mechanischen Durationsverfall ihres Portfolios abzumildern.

Die gewichtete durchschnittliche Laufzeit des italienischen und des gesamten PSPP-Portfolios beispielsweise liegt seit Beginn der ersten Reinvestitionsphase im Jahr 2019 sehr konstant bei 7,2 Jahren, was wiederum bedeutet, dass die Reinvestitionen der Fälligkeiten eine deutlich längere Laufzeit hatten.

Wir schätzen, dass die gewichtete Laufzeit der PSPP-Käufe in den letzten Jahren im Durchschnitt mehr als 10 Jahre betrug, und – was entscheidend ist – auch während der Reinvestitionsphase des letzten Jahres blieb die geschätzte gewichtete durchschnittliche Laufzeit (WAM) der Käufe erhöht. Für BTPs schätzen wir seit 2021 sogar eine monatliche Kauf-WAM von 11 Jahren.

Daher werden die fehlenden EZB-Reinvestitionen auf risikoäquivalenter Basis viel schwerer wiegen, zumal sich die vorherrschende Durationsaversion nur langsam auflöst, wie die immer noch steilen Kreditkurven zeigen.

Unterm Strich könnte damit die Anspannung an den Märkten im Vorfeld der Euro-QT-Beschleunigung zunehmen, da die EZB nach Juni nicht mehr in der Lage sein wird, die Tilgungszahlungen zu glätten.

Der APP-Abbau wird sich im Juli auf über 30 Mrd. Euro mehr als verdoppeln und im Oktober auf über 50 Mrd. Euro ansteigen.

Die Auswirkungen auf die Kurve
könnten deutlicher sichtbar werden.
Da die EZB-Nachfrage am langen
Ende komplett versiegt, während die
Durationsaversion anhält, werden vermutlich steilere Kurven erforderlich sein, um genügend neue Investoren für
Papiere mit längeren Laufzeiten zu gewinnen.




Bei BTPs rechnen wir daher mit weiteren Spreads, wobei der 10-jährigeSpread gegen Bunds auf über 200 Basispunkte steigen dürfte.

*) Christoph Rieger ist Head of Rates und Credit Research bei der Commerzbank.

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