GELD ODER BRIEF

Ping An will auf der Techno-Party mithalten

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 11.5.2018 Versicherungsunternehmen stehen im Ruf, vor allem etwas für Value-Investoren zu sein, die der Old Economy verhaftet sind und auf langfristige Ertragsperspektiven sowie solide...

Ping An will auf der Techno-Party mithalten

Von Norbert Hellmann, SchanghaiVersicherungsunternehmen stehen im Ruf, vor allem etwas für Value-Investoren zu sein, die der Old Economy verhaftet sind und auf langfristige Ertragsperspektiven sowie solide Dividendenrenditen setzen. Bei Chinas zweitgrößtem Versicherungskonzern Ping An Insurance sieht die Chose zumindest seit dem vergangenen Jahr ein wenig anders aus. An der Hongkonger Börse haben sich auf Wachstumswerte und den Technologiesektor fixierte Investoren in die Aktie des Ping-An-Konzerns regelrecht vernarrt. Die Begeisterung entspringt wohl der Einschätzung, dass man die Gesellschaft mit gutem Gewissen immer mehr der New Economy zuordnen kann. So hat sich Ping An mit ihren Kapitalreserven im Rücken in eine ganze Reihe von Fintech-Aktivitäten gestürzt und mit zahlreichen Investments bei Technologie-Start-ups in der Bandbreite von Online-Banking-Plattfirmen über Gesundheitsportale bis zur Gesichtserkennungstechnologie hervorgetan. Ping An hat allein konzernintern umgerechnet über 9 Mrd. Dollar (7,5 Mrd. Euro) an Investments in Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und innovative Projekte in den Bereichen Fintech, Medizintechnik, künstliche Intelligenz und Online-Portale für Gesundheit und andere soziale Dienste sowie in Automobil- und Immobilienfinanzierung gesteckt. Engagierte PositionierungMit der engagierten Positionierung in der New Economy und einer Inkubator-Rolle hebt sich Ping An als Chinas größter privater Versicherer zweifelsohne von den staatlichen Rivalen im heimischen Lebensversicherungsmarkt ab. Mittelfristig soll rund die Hälfte der Konzernerträge nicht mit klassischen Finanzdienstleistungen, sondern aus dem Technologiegeschäft heraus bestritten werden. Gegenwärtig freilich tragen diese Aktivitäten noch nicht wesentlich zur “Bottom Line” bei. Was die Anlegergemeinde allerdings vor allem elektrisiert, ist die Zubringerrolle für Hongkonger IPOs im Internet- und Technologiebereich. Zusammen mit Tencent, die beim Spin-off und Initial Public Offering (IPO) der Online-Buchsparte China Literature neue Begeisterungsstürme für Tech-IPOs in Hongkong losgetreten hat, wähnt man Ping An hier in einer Schrittmacherrolle. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass die Performance der Ping-An-Aktie in Hongkong in erster Linie von der Sogwirkung der Techsektor-Hausse und weniger von den Perspektiven im heimischen Lebensversicherungs- und Retail-Banking-Geschäft getrieben wird. Als ein Indiz gilt, dass die Ping-An-Aktie in Hongkong im Vergleich zur Notierung an der Börse Schanghai eine leichte Prämie aufweist, während man bei den dual gelisteten chinesischen Werten praktisch immer einen Bewertungsabschlag der Hongkonger H-Aktien zu den A-Aktien auf dem Festland sieht. Nun allerdings wird der mit IPO-Fantasien im Zusammenhang stehende Elan der Ping-An-Aktie auf eine neue Probe gestellt. Das erste Exerzitium mit Abspaltung und Börsengang einer von Ping An herangezüchteten Internetgesellschaft, das IPO von Ping An Healthcare and Technology Co., hat die Erwartungen nicht erfüllt. Die im Markt als Ping An Good Doctor bekannte Gesellschaft ist als größte Online-Plattform für die Vermittlung von Gesundheitsdiensten auf dem chinesischen Festland beim 1,1 Mrd. Dollar schweren IPO mit großen Vorschusslorbeeren ins Rennen gegangen, enttäuschte aber beim Debüt. Angesichts einer drastischen Überzeichnung der für Retail-Investoren angedachten Tranche vom mehr als 650-Fachen war mit einem Raketenstart der Titel am ersten Handelstag gerechnet worden, tatsächlich aber konnte die Good-Doctor-Aktie mit der Erstnotierung am 4. Mai gerade mal um 1 % zulegen und beendete den ersten Handelstag auf Höhe des Emissionspreises. Das bedeutet die schwächste Performance für einen Technologiesektor-Debütanten im Hauptsegment der Hongkonger Börse seit etwa vier Jahren. Die ähnlich dramatisch überzeichnete Aktie von China Literature war im Herbst 2017 am ersten Handelstag um 86 % in die Höhe geschossen. Für Ping An bedeutet das rumpelige Handelsdebüt von Good Doctor einen Realitäts-Check, der die Perspektiven für die Unterbringung weiterer und größerer Spin-offs und damit die Monetisierung des konzerneigenen Technologiefundus vorgibt. In der Pipeline befindet sich Ping An Healthcare Management als medizinische Big-Data-Plattform, die für ein mehr als 4 Mrd. Dollar schweres IPO in Hongkong anstehen soll. Weitere potenzielle Schwergewichte sind die Fintech-Plattform Oneconnect sowie der Online-Anbieter für Kredite und Vermögensverwaltungsdienste Lufax. Das verkorkste Handelsdebüt von Good Doctor hat auf den Kurs der Ping-An-Aktie zwar kaum negativ abgefärbt, doch wurden Erwartungen enttäuscht, dass mit dem Spin-off und einer angegliederten Begeisterungswelle eine neue Rally losgetreten werden kann. Schließlich ist der Ping-An-Kurs seit Erreichen eines Allzeithochs Anfang Februar bei 98,85 HK-Dollar im Frühjahr aus dem Tritt gekommen und hat fast 22 % eingebüßt. Die Analysten bleiben aber positiv für die Ping-An-Aktie gestimmt. Bei den 25 Adressen, die den Wert in Hongkong verfolgen, sieht man 7 Kaufsignale, 16-mal “Outperform” und 2 Haltempfehlungen. Das Bild hat sich in den vorigen sechs Monaten nicht verändert, und es sind weiter keine “Sell”-Einstufungen in Sicht. Aus fundamentaler Sicht ist die Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13 mittlerweile sehr moderat bewertet. Die zwischen 90 und 100 HK-Dollar abgesteckten Kursziele zeigen beim gegenwärtigen Stand von 78 HK-Dollar noch Luft nach oben an.