GELD ODER BRIEF

PKP Cargo sieht Licht am Ende des Tunnels

Von Sebastian Becker, Warschau Börsen-Zeitung, 21.10.2016 Polen ist nun wirklich kein Markt, der in den vergangenen zwölf Monaten mit herausragend positiven Nachrichten geglänzt hätte. Nicht nur die politischen Querelen mit der EU um den Umbau des...

PKP Cargo sieht Licht am Ende des Tunnels

Von Sebastian Becker, WarschauPolen ist nun wirklich kein Markt, der in den vergangenen zwölf Monaten mit herausragend positiven Nachrichten geglänzt hätte. Nicht nur die politischen Querelen mit der EU um den Umbau des polnischen Verfassungsgerichts und der Medien, sondern auch Sondersteuern für Banken und Einzelhändler mit großen Umsätzen haben dafür gesorgt, dass das Land schon lange keine Topadresse mehr für internationale Investoren ist.Ein Wert, den bisher niemand so richtig auf der Rechnung hatte, macht aber mit überraschenden Zuwächsen auf sich aufmerksam: Die Aktie des halbstaatlichen polnischen Bahnkonzerns für Frachtgut, der PKP Cargo, ist in den vergangenen drei Monaten um 30 % auf Niveaus um 45 Zloty geklettert. Dabei hatte das Papier im ersten Halbjahr um 0,5 % nachgegeben. Und im Jahresverlauf verlor die Aktie in der Spitze fast 30 %. Zum Vergleich: Der Blue-Chip-Index WIG 30, dem die PKP Cargo angehört, verlor in den vergangenen drei Monaten 1 % und zeigte sich demnach schwächer als die Frachtgut-Aktie. Analysten optimistischSo äußert sich auch der Markt sehr optimistisch dazu: Von 13 Analysten, die die einheimische Fachpublikation “Bankier.pl” befragt hat, raten zehn den Anlegern, sich die Aktie ins Portfolio zu holen. Zwei Häuser bewerten die PKP Cargo neutral, und nur eines senkt den Daumen. Die Fachleute gehen davon aus, dass der Konzern gerade dabei ist, die Probleme zu lösen, die ihn so stark belastet haben. In erster Linie sollen sich Investitionen in Mrd.-Euro-Höhe in die Bahninfrastruktur, die das Land in den kommenden Jahren mit Hilfe von EU-Mitteln anstrebt, positiv auswirken. Darüber hinaus dürften sich die Preise für den Transport von Kohle verbessern, der ein wichtiges Geschäft für das Unternehmen ist. Zudem sehen die Analysten in naher Zukunft Fortschritte im Transport von Baumaterialien.Dabei haben es die Probleme in sich, die der Dienstleister lösen muss. Dazu gehören rückläufige Zahlen, ein lästiger Verlustbringer im Konzern, gewichtige Konkurrenz sowie starke Gewerkschaften, die die Handlungsspielräume des Managements einengen.Der Konzern hat bis Ende Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um 67 % auf 130 Mill. Zloty oder 30,1 Mill. Euro verringert. Der Nettoverlust lag bei 195 Mill. Zloty oder 45,2 Mill. Euro. Hier hat der Vorstand insgesamt 98 Mill. Zloty oder 22,7 Mill. Euro auf den Transportdienstleister AWT abgeschrieben, den die Polen 2014 für mehr als 100 Mill. Euro erworben haben. Das Management um den Rechtswissenschaftler und Politiker Maciej Libiszewski beklagt, dass dieses Geschäft fast ein Fünftel der gesamten operativen Kosten von 2,3 Mrd. Zloty (530 Mill. Euro) ausgemacht hat. Dabei haben die Polen einen Umsatz von gerade einmal 2,1 Mrd. Zloty (490 Mill. Euro) generiert.Ein Grundsatzproblem bleibt, dass die Gebühren für den Zugang zu den Gleisen, die von einer anderen Tochter des PKP-Gesamtkonzerns verwaltet werden, im europäischen Vergleich sehr hoch sind. Dieses Problem wird in der Branche seit geraumer Zeit beklagt. Der Konzern ist zwar nach wie vor die Nummer 1 am Eisenbahnmarkt, muss sich aber gegen starke Mitbewerber wehren – insbesondere gegen die Deutsche Bahn (DB). Die Polen haben bei den Transportvolumina bis Ende August 43,5 % des Marktes kontrolliert. Im Gesamtjahr 2015 waren es noch knapp 47 % gewesen. Die DB kam bis Ende August auf 18,3 % und lag im vergangenen Jahr bei nur 17,7 %. Harte KonkurrenzZusätzlich muss sich die gesamte Bahnbranche der harten Konkurrenz durch den Straßenverkehr erwehren, der seine Dienstleistung wesentlich billiger und flexibler anbieten kann. Die Polen verfügen über eine der größten Lkw-Verkehrsflotten in ganz Europa, die gerne von internationalen Speditionen beauftragt wird.Zudem muss sich das Management mit starken Gewerkschaften auseinandersetzen. Das polnische Fachportal für Personal www.pulshr.pl berichtet, dass 87 % der über 22 000 Mitarbeiter einer Arbeitnehmervertretung angehören. Schätzungen zufolge beträgt der Wertverlust der PKP-Cargo-Aktie seit der letzten Gehaltsrunde im Juli 2015 759 Mill. Zloty oder 176 Mill. Euro.Entsprechend zurückhaltend verhält sich der Vorstand auch bei der Auszahlung der Dividende. Für das abgelaufene Jahr hat sich die Hauptversammlung (HV) entschieden, keine Volumina auszuzahlen. Grund: die Rückgänge bei den Geschäften. Der Nettogewinn war im Vergleich zum Vorjahr um etwa 60 % auf rund 31 Mill. Zloty (7,2 Mill. Euro) geschrumpft.2014 hatte es für die Aktionäre noch 2,46 Zloty je Aktie gegeben. PKP Cargo hatte einen Gewinn von 276 Mill. Zloty oder fast 64 Mill. Euro erwirtschaftet. Zwölf Monate zuvor war die Führungsriege sogar noch spendabler und schüttete 3,07 Zloty aus. Grundsätzlich ist der Konzern ein Unternehmen, das eine solide Dividendenpolitik betreibt – allein schon deswegen, weil knapp ein Drittel der Aktien von der staatlichen Muttergesellschaft PKP SA gehalten wird. Folglich fließen die Mittel wieder dem Staat zu. Doch kommen die privaten Aktionäre auch nicht zu kurz, da sich 38,9 % im Streubesitz befinden.Neben den geschäftlichen Problemen ist das Management auch nicht so besetzt, wie internationale Investoren es gerne sehen. Der Rechtswissenschaftler und nationalkonservative Politiker Maciej Libiszewski, der seit Jahresanfang den Vorstand führt, verdankt seine Inthronisierung nämlich weniger seiner Fachkompetenz als vielmehr seiner Mitgliedschaft in der Regierungspartei PiS. Früher hat er auch für den inzwischen verstorbenen Ex-Präsidenten Lech Kaczynski gearbeitet, als dieser Bürgermeister in Warschau war.”Wir schauen hoffnungsvoll auf die kommenden Rechnungslegungszeiträume”, machte Libiszewski sich und den Aktionären weiter Mut. “Die geplanten Investitionen in die Straßen- und Bahninfrastruktur führen dazu, dass der Markt eine Perspektive hat”, betonte der Vorstandsvorsitzende. “Die Lage der Firma PKP Cargo ist nicht gut – vorsichtig ausgedrückt”, gab der Manager denn auch zu. Folglich gebe es noch sehr viel Arbeit. “Doch ist ein Licht am Ende des Tunnels schon eindeutig zu sehen.”