Potenzial für Hochprozentiges

Europas Getränkekonzerne bergen laut UBS nur durchwachsene Chancen - AB Inbev und Diageo attraktiv

Potenzial für Hochprozentiges

Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es einer Studie der Schweizer Großbank UBS zufolge für die europäische Getränkeindustrie derzeit nicht. Die Bewertungen seien zum Teil schon zu hoch, für einige Aktien sei aber noch Luft nach oben.amb Frankfurt – Ein deutlicher Kursanstieg seit Jahresanfang, fast historische Höchststände bei der Bewertung und nun auch noch die Wirren im wichtigen Absatzmarkt Brasilien – Aktionäre von Konzernen, die Bier, Likör, Wodka oder Whisky anbieten, machen sich derzeit Sorgen. Die UBS hat die Unternehmen in einer Studie unter die Lupe genommen und kommt zu einem gemischten Ergebnis: Zum Kauf empfehlen die Analysten vor allem Anheuser-Busch Inbev und Diageo, aber auch Britvic und Heineken. Auf “Neutral” gesetzt werden Pernod Ricard und Rémy, zum Verkauf geraten wird bei Campari und Carlsberg.Die Aktien der europäischen Getränkekonzerne sind seit Jahresanfang im Schnitt um 12 % gestiegen, das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 und die Free-Cash-flow-Rendite von 4,5 % für 2018 bewegen sich nahe den Rekordhochs und bedeuten einen Aufschlag von 48 % zum breiten Markt, wie es in der Studie heißt: “Abgesehen davon haben die politischen Ereignisse in Brasilien gezeigt, dass das Tempo der Gewinnerholung keineswegs sicher ist.” Zuletzt hatten Korruptionsvorwürfe gegen den Präsidenten Michel Temer das Land erschüttert. Primus bei Cash-flowsDaher raten die Analysten zum Differenzieren: Favoriten sind Anheuser-Busch Inbev (AB Inbev) und Diageo. Für die größte Brauereigruppe der Welt AB Inbev, die ihren Sitz in Brüssel hat, wird ein Kursziel von 120 Euro (aktuell 104,90 Euro) genannt. AB Inbev ist nach Ansicht der Analysten am besten aufgestellt und wird auch in einem anhaltend unsicheren makroökonomischen Umfeld in diesem Jahr das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um 9 % steigern können – Folge vor allem von Kostensenkungen. Zudem seien die Free Cash-flows so hoch wie bei sonst niemandem in der Branche.Risiken sieht die UBS zwar wegen der wichtigen Rolle Brasiliens für das Geschäft von AB Inbev, dort würden immerhin 20 % des Ebitda erwirtschaftet. Doch nehme der Gegenwind durch die Real-Abschwächung ab, zudem seien die Vergleichszahlen vom Vorjahresquartal niedrig. Negativ sei die bereits hohe Bewertung der Aktie auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) für 2018 mit einem Aufschlag von 10 % zur Basiskonsumgüterbranche. Die Gewinnschätzungen im Basisszenario liegen bei 4,17 Euro, 5,30 Euro und 5,91 Euro je Aktie für 2017 bis 2019.Diageo werden 24,50 Pfund (aktuell 23,62 Pfund) zugetraut. Die Analysten erwarten, dass der weltgrößte Spirituosenkonzern, zu dessen Portfolio zum Beispiel Smirnoff-Wodka, Johnnie-Walker-Whisky und Guinness-Bier gehören, wieder zu einem Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich zurückkehren wird.Dazu beitragen werden nach Ansicht der Experten die verbesserte Lage in den Schwellenländern, vor allem in Afrika, ein schrittweise wieder steigender Marktanteil in den USA und die Rückkehr zu Wachstum in Europa. Zudem sei das Unternehmen auf gutem Weg, die angepeilte Margensteigerung um 100 Basispunkte bis 2019 zu schaffen, auch durch Rückenwind von der Währungsseite. Für den Gewinn je Aktie werden 110,99 Pence für 2017, 121,57 für 2018 und 130,35 für 2019 prognostiziert.Ebenfalls empfohlen werden Britvic und Heineken (“Buy”). Für den stark auf Großbritannien konzentrierten britischen Softdrink-Anbieter Britvic liegt das Kursziel bei 7,10 Pfund (aktuell 7,25 Pfund). Nach Ansicht der Analysten sind das schwache Konsumumfeld in Großbritannien und die für 2018 geplante Zuckersteuer bereits mehr als eingepreist. Übersehen würden die Wachstumschancen in Brasilien und den USA. Die Schätzungen für das Ergebnis je Aktie belaufen sich auf 48,84, 51,89 und 53,20 Pence für die Jahre 2017 bis 2019.Für Heineken (Kursziel 90 Euro, aktuell 88,12 Euro), den zweitgrößten Brauereikonzern der Welt, rechnen die Experten mit einem überdurchschnittlichen Umsatz- und Gewinnwachstum, zudem sehen sie Chancen durch zusätzliche Übernahmen und Aktienrückkäufe. In der Bewertung spiegle sich das noch nicht wider. Die Gewinnprognosen liegen bei 3,87, 4,39 und 4,86 Euro je Aktie bis 2019. Risiken in IndienPernod Ricard (Kursziel 112 Euro, aktuell 124,50 Euro) wird lediglich auf “Neutral” gestuft. Das Unternehmen werde zwar wieder organische Wachstumsraten im mittleren einstelligen Prozentbereich erzielen, die Analysten sehen aber Risiken für das Wachstum in Indien und die Wodka-Marke “Absolut” in den USA. Unter den Spirituosenherstellern sei Diageo interessanter, mit ähnlicher Umsatzdynamik, aber besserer Margenentwicklung und Potenzial bei den Ausschüttungen. Für das Ergebnis je Aktie für 2017 werden 5,98 Euro erwartet, für 2018 dann 6,46 und für das Folgejahr 6,91 Euro.Auch der Cognac- und Orangenlikörhersteller Rémy Cointreau (Kursziel 86 Euro, aktuell 98,32 Euro) wird auf “Neutral” gesetzt. Hier werden ebenfalls Wachstumsraten im mittleren einstelligen Prozentbereich erwartet, Folge der sich verbessernden Lage in China, wo der Konzern unter den Antikorruptionsmaßnahmen gelitten hatte, sowie Wachstum in den USA. Allerdings werde die Aktie bereits zu einem Aufschlag von 30 % zur Basiskonsumgüterbranche gehandelt. Die Analysten rechnen mit einem Gewinn je Aktie von 2,96 Euro für 2017, 3,47 Euro für 2018 und 3,96 Euro für 2019.Der italienische Konzern Davide Campari-Milano, der neben Campari auch Getränke wie Skyy Vodka, Cinzano und Averna verkauft, ist nach Ansicht der Analysten hingegen bereits zu teuer. Als Kursziel werden 4,50 Euro genannt, deutlich unterhalb der aktuellen Notierung von 6,37 Euro. Die Strategie des Unternehmens, Umsatz und Bruttomargen durch die Konzentration auf die wichtigsten globalen Marken zu steigern, halten sie für richtig, der Umsatz werde im mittleren einstelligen Prozentbereich zulegen, das Ebit im hohen einstelligen Bereich. Das spiegle sich aber bereits in der Bewertung wider, im Vergleich zu anderen Konsumaktien werde Campari zu einem Aufschlag von 20 % gehandelt, am oberen Ende der historischen Spanne. Mögliche Zukäufe werden nicht berücksichtigt. Je Aktie wird für 2017 ein Gewinn von 0,23 Euro, für 2018 dann 0,25 Euro und 0,28 Euro für 2019 erwartet.Für den dänischen Brauereikonzern Carlsberg, die Nummer 3 auf dem weltweiten Brauereimarkt hinter AB Inbev und Heineken, liegt das Kursziel bei 630 dkr, ebenfalls weit unter der derzeitigen Notierung (aktuell 728,50 dkr). Auch hier seien die Chancen durch die Strategie des neuen Managements und das Kostensenkungsprogramm im Kurs enthalten. Außerdem sehen die Analysten weniger Potenzial in den Schwellenländern: Die Lage in Russland bleibe schwierig, in Asien falle das schwache Geschäft in Indien stärker ins Gewicht als die Erholung in China. Die Gewinnprognosen belaufen sich auf 32,60 dkr für 2017, 36,09 dkr für 2018 und 39,82 für 2019. Weitere KaufempfehlungenDiageo wird auch von der US-Großbank J.P. Morgan und dem Analysehaus Jefferies zum Kauf empfohlen, Goldman Sachs plädiert hingegen für “Sell”. J. P. Morgan (“Overweight”) nennt ein Kursziel von 25 Pfund, die Aktie gehört sogar zu den “Top Picks” der Analysten in der Branche. Jefferies (“Buy”) hat das Kursziel von 25 auf 26 Pfund angehoben. Der Spirituosenhersteller beginne sich unter dem neu verantwortlichen Javier Ferran bereits zu verändern, hieß es, die Analysten sehen Überraschungspotenzial für die Profitabilität. Goldman Sachs nennt ein Kursziel von 21 Pfund. Die Analysten gehen davon aus, dass der Marktanteil in den USA weiter sinken wird.