Reise- und Freizeitaktien

Reisewerte können wieder fliegen

Aus Sicht der technischen Analyse haben Reiseaktien nach dem Omikron-Rutsch wieder gute Erholungschancen. Im Vergleich zum Gesamtmarkt besteht ohnehin Aufholpotenzial.

Reisewerte können wieder fliegen

Von Frederik Altmann*)

Reise- und Freizeitwerte haben in den vergangenen zwei Jahren besonders stark unter den Einschränkungen wegen der Pandemie gelitten. Entsprechend stark ist der Branchenindex Stoxx Europe 600 Travel & Leisure (SXTP) zeitweise unter Druck geraten. Der Index ist ein guter Seismograf für die Erwartungen über die weitere Entwicklung der Pandemie. So brach er Ende Februar 2020, als sich erstmals das Ausmaß der Virusverbreitung abgezeichnet hatte, in nur vier Wochen um bis zu 57% ein. In den folgenden fünf Quartalen kämpfte sich der Reise- und Freizeitwerte-Index dann sogar wieder über sein Vor-Corona-Niveau zurück, bevor die Omikron-Variante einen neuen Kursrutsch brachte.

Der Chart des Index signalisiert mittlerweile eine entspanntere Sicht der Börsianer auf die Pandemielage. Technisch haben Reiseaktien nach dem Omikron-Rutsch wieder gute Erholungschancen. Im Vergleich zum Gesamtmarkt, der seine Vor-Corona-Stände bereits deutlich hinter sich gelassen hat, besteht ohnehin Aufholpotenzial.

Unterstützung hält

In der jüngsten Korrektur hat die Unterstützung für den SXTP um 206 Punkte gehalten. Der Index konnte sich hier stabilisieren und im Anschluss erholen. Dabei hat ein Fibonacci-Korrekturniveau ent­scheidend geholfen. Auf Basis der Zahlenreihe des italienischen Mathematikers Leonardo da Pisa (Fibonacci genannt) rechnen technische Analysten damit, dass starke Trendbewegungen wahrscheinlich im Anschluss zu bestimmten Prozentsätzen korrigiert werden. Im Hintergrund steht die Theorie des Goldenen Schnitts, in der grob gesprochen Drittelrelationen be­sondere Bedeutung haben.

Nach der steilen Erholung des Index von August 2020 bis April 2021 von 157 auf 287 Punkte hat er 61,8% seines Anstiegs korrigiert auf 206,56 Zähler. Solch ein Rückschlag wird oft als „maximales Korrekturziel“ angenommen. Einige sehen auch die Marke von 76,4% als „Last Line of Defense“ an. Halten diese Korrekturniveaus nicht, so müssen sich Anleger darauf einstellen, dass eine Bewegung ganz, also zu 100%, zurückgenommen wird.

Die Signifikanz von Fibonacci-Niveaus zeigt sich bereits im vorhergehenden Rückschlag bis auf 237,34 Zähler. Hier waren 38,2% des Anstiegs – die Minimalkorrektur – eingeholt, bevor sich der Index wieder in Richtung Erholungshoch bewegen konnte. Mit der später aufkommenden Angst um Omikron erwies sich diese Minimalkorrektur aber als unzureichend, und der Index testete doch noch seinen größeren Korrekturumfang.

Bei 206 liegt zudem eine horizontale Haltelinie. Sie gibt dem wichtigen Kursniveau weitere Relevanz. Die zusätzliche Unterstützung re­sultiert aus einigen Spitzen und Tiefs im Kursverlauf zum Jahreswechsel 2020/2021, nachdem der Index auf dem Level zunächst Probleme hatte sich nach oben durchzusetzen. Darunter liegt zudem eine mehrfache Unterstützung bei 200 Punkten, die zudem eine psychologisch wichtige Marke darstellt. Das Niveau ist in der jüngsten Korrektur aber gar nicht mehr getestet worden, was auch leicht positiv wirkt.

Die erst etwas zögerliche, aber dann an Dynamik gewinnende Aufwärtsbewegung der letzten Wo­chen bekräftigt das positive Bild einer soliden Bodenbildung. Zu­letzt zeigte sich eine Outside Formation im Wochenstart (rote Ellipse). Diese umschließt die vorhergehende, kleine und weniger überzeugende Kerze vollkommen und gibt damit ein bullishes Signal. Betrachtet man den Monatschart, bohrt sich damit eine lange weiße Kerze in die vorherige scharfe Korrektur hinein und gleicht diese zu großen Teilen wieder aus. Lange weiße Kerzen sind im Candlestick-Chart ein Signal positiver Dynamik. Sie zeigen im Zeitraum deutlich steigende Kurse. Kleine Kerzen dagegen bringen mehr Unentschlossenheit zum Ausdruck. So zeigte die kleine schwarze Kerze am Korrekturtief, dass der Markt „nicht mehr weiter runter wollte“.

Die Fibonacci-Regeln können nicht nur auf Korrekturniveaus angewendet werden. Aus einer regelkonformen Kursentwicklung lassen sich über die Fibonacci-Projektionen auch wahrscheinliche Kursziele für den künftigen Verlauf ermitteln. Legt man die Fibonacci-Projektionen an den oben beschriebenen Kursverlauf an, kann man hieraus ein erstes Kursziel von 336 ableiten. Denn oftmals wird die Ursprungsbewegung im Anschluss an eine regelmäßige Korrektur noch mal nach oben projiziert. Ausgehend vom Zwischentief bei 205,86 errechnet sich beim erneuten Anstieg um gut 130 Punkte die Länge der Ursprungswelle. Das entsprechende Ziel lautet somit 336. Im Hintergrund der Fibonacci-Projektionen steht auch die Elliott-Wellen-Theorie, die prozentuale Erweiterungen entsprechend erwarten lässt. Demnach wären sogar noch höhere Kurse wahrscheinlich. Einer ersten Aufwärtswelle mit Korrektur folgt nach dieser Theorie eine längere, zweite Aufwärtsbewegung. Demnach ist regelmäßig eine Erweiterung des initialen Anstiegs um 161,8% zu erwarten. Das wären 416,88 Zähler im Index.

Nach zwei sehr schweren Jahren im Reise- und Freizeitsektor gibt es aus technischer Sicht nun wieder positivere Signale für die Aktien. Das zeigt auch Hoffnung der Börsianer, dass die Pandemie in diesem Jahr erheblich eingedämmt bzw. hinter uns gelassen werden kann. Wenn das gelingt, könnten die Aktien von Tui bis Lufthansa und auch Unterhaltungstitel wie CTS Eventim zu den Favoriten zählen.

*) Frederik Altmann ist Investmentanalyst bei Alpha Wertpapierhandel.

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