Geld oder BriefRheinmetall

Rheinmetall-Aktionäre profitieren von den teuren Konzern-Produkten

Der Aktienkurs von Rheinmetall hat stark zugelegt, aufgrund der eindrucksvollen Auftragslage und der guten Ergebnisse. Analysten sind für den Titel weiter zuversichtlich. Allerdings sollten die gravierenden Probleme der westlichen Rüstungsindustrie nicht übersehen werden.

Rheinmetall-Aktionäre profitieren von den teuren Konzern-Produkten

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Rheinmetall-Aktionäre profitieren von den teuren Konzern-Produkten

ku Frankfurt
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der deutsche Aktienindex Dax rennt momentan von einem Allzeithoch zum nächsten, im laufenden Jahr hat er bereits um fast 21% zugelegt. Noch deutlich besser ist jedoch die Kursentwicklung seines derzeit besten Mitglieds Rheinmetall verlaufen. Die Aktie hat seit Jahresbeginn um sage und schreibe 51% zugelegt. Kürzlich, nämlich am 22. November, markierte der Titel mit 295 Euro sogar ein Allzeithoch. Trotz dieses Höhenflugs sind die Analysten weiterhin sehr positiv für die Aktie gestimmt. Gemäß Bloomberg raten nicht weniger als 16 von insgesamt 19 Häusern zum Kauf, bei zwei Einstufungen mit "Halten". Das durchschnittliche Kursziel für die kommenden zwölf Monate liegt bei 343,44 Euro, die Aktie hätte damit noch ein Potenzial von 19%. Die Analysten von J.P. Morgan halten sogar ein Kursziel von 420 Euro für realistisch.

Sehen lassen kann sich auch die Ertragslage des größten deutschen Rüstungskonzerns, der freilich mit einer Marktkapitalisierung von 12,35 Mrd. Euro im Vergleich zu den großen amerikanischen Wettbewerbern ein Zwerg ist. Im dritten Quartal legten die Erlöse im Vorjahresvergleich um 24% auf 1,76 Mrd. Euro zu. Das operative Ergebnis kletterte sogar um 59% auf 191 Mill. Euro. Der Konzern verfügt über einen imposanten Auftragsbestand von 36,5 Mrd. Euro, dies ist etwa das Sechsfache des gesamten Jahresumsatzes von 2022.

Das Unternehmen hat mittelfristig große Pläne. Die Erlöse, die 2023 rund 7,5 Mrd. Euro betragen, sollen bis 2026 auf 13 bis 14 Mrd. Euro ausgebaut werden. Davon sollen 11 Mrd. Euro auf die Rüstungssparte entfallen. Die operative Ergebnismarge, die im laufenden Jahr bei rund 12% liegt, soll bis dahin 15% übersteigen.

War vor einigen Jahren noch das Automobilzuliefergeschäft deutlich wichtiger als die relativ schlecht laufenden Rüstungsaktivitäten, so hat sich dies seit dem Beginn des Ukrainekriegs gedreht. Nun stehen die Rüstungsprodukte im Mittelpunkt. Dazu gehören nicht nur die Kanone und wichtige Baugruppen für den deutschen Kampfpanzer Leopard, weitere gepanzerte Fahrzeuge wie der Radpanzer Puma sowie Artilleriemunition. Der Konzern hat auch einen neuen Kampfpanzer KF51 "Panther" als möglichen Nachfolger für den Leopard vorgestellt und soll im Rahmen des Kaufs des US-Kampfflugzeugs F-35 Lightning 2 durch die Bundesluftwaffe in deren Produktion eingebunden werden, um nur einige Konzernprodukte zu nennen.

Positive Aussichten

Da allgemein erwartet wird, dass die Rüstungsausgaben von Nato und EU in den kommenden Jahren noch weiter stark hochgefahren werden und Rheinmetall für die Landesverteidigung unerlässliche Produkte herstellt, sind die Aussichten für die Aktie ohne Zweifel positiv. Die Betrachtung des Titels und seiner Perspektiven könnte damit eigentlich abgeschlossen werden. Allerdings hat der Ukrainekrieg erhebliche Probleme westlicher Rüstungsgüter und ihrer Produktion offengelegt, die möglicherweise eine komplette Neuaufstellung der westlichen Rüstungsindustrie erforderlich machen könnten. Das hätte auch Folgen für die Aktionäre. Es beginnt bei den Preisen westlicher Rüstungsgüter. Ein Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A7 kostet ungefähr 19 Mill. Euro. Rheinmetall ist sich des stolzen Preises offensichtlich bewusst und will den möglichen Nachfolger KF51 Panther mit 15 Mill. Euro etwas billiger anbieten. Allerdings kostet der wichtigste russische Kampfpanzer T-90M3, der im Ukrainekrieg Beobachtern zufolge eine deutlich bessere Performance gezeigt hat als der veraltete, zu schwere und gegen die tödlichen russischen Drohnen nur unzureichend geschützte Leopard, im Export zwischen 2,5 und 3,5 Mill. Dollar. Man kann davon ausgehen, dass der russische Staat, dem der Panzerhersteller Uralwagonsawot gehört, nur etwa die Hälfte des Exportpreises bezahlt. Dies bedeutet, dass Deutschland und die Nato im Ernstfall schwerlich mit Leopard-Panzern verteidigt werden können, weil diese viel zu teuer sind, als dass sich Stückzahlen anschaffen ließen, die mit den russischen vergleichbar wären. Allerdings sind auch die Produktionskapazitäten von Rheinmetall und anderen westlichen Rüstungskonzernen vergleichsweise klein, so dass Bestellungen beispielsweise von Panzern oft über Jahre hinaus abgearbeitet werden müssen. Wie die "Bild-Zeitung" kürzlich herausfand, ist die deutsche Rüstungsindustrie nur in der Lage, rund 40 Panzer pro Jahr zu bauen. Das russische Verteidigungsministerium hat dagegen kürzlich mitgeteilt, dass im zu Ende gehenden Jahr rund 2.000 Kampf- und Schützenpanzer gebaut worden seien – die staatlichen russischen Betriebe hatten über viele Jahre ungenutzte Produktionskapazitäten als Reserve vorgehalten, eine Strategie, die sich nun auszahlt. Westliche Verteidigungsministerien können von derartigen Stückzahlen nur träumen.

Geringe Kapazitäten

Ähnliches gilt für die im Ukrainekrieg so wichtige Artilleriemunition, bei der es auf der ukrainischen Seite eine massive Unterversorgung aus den zur Neige gehenden Nato-Beständen gibt. Auch dies liegt an den geringen Produktionskapazitäten, – auch bei Rheinmetall. Im März hatte die EU der Ukraine eine Million Artilleriegranaten versprochen, aber bis Mitte November nur rund 300.000 liefern können. Die russische Produktion von Artilleriemunition wird indes im Westen auf mindestens 2 Mill. Stück pro Jahr geschätzt, liegt aber vermutlich weit darüber. Die EU hatte viel Geld zur Verfügung gestellt, mit dem angesichts der kurzfristig kaum zu erweiternden Produktionskapazitäten vorhersehbaren Ergebnis: Wie die Tageszeitung "Die Welt" berichtete, hat sich einfach nur der Durchschnittspreis pro Granate von 2.000 Euro auf 3.600 Euro erhöht. Der Preis pro entsprechender russischer Granate wird auf höchstens 200 Dollar geschätzt, möglicherweise ist er aber nur halb so hoch.

Kritiker wenden auch ein, dass die westliche Rüstungsindustrie auf sehr vielen für die moderne Kriegsführung extrem relevanten Gebieten die technologische Führerschaft an die russische und chinesische Industrie verloren hat, etwa bei den hyperschallschnellen ballistischen Raketen, Kampfflugzeugen und Bombern, Panzern, elektronischen Störsystemen, Luftverteidigungssystemen, U-Booten, nuklearen ballistischen Raketen, Drohnen und Loitering Ammunition, Artillerie und vielem mehr. Ein Beispiel sind die hyperschallschnellen Raketen, die von Russland in der Ukraine mit enormer Wirkung eingesetzt wurden. Ihre Entwicklung hat in Russland bereits in den 1970er Jahren begonnen, sie wurde von staatlichen Rüstungsunternehmen kontinuierlich bis heute betrieben. Gewinnorientierte westliche Rüstungsunternehmen sind hingegen im Einzelfall auf staatliche Entwicklungsaufträge angewiesen, sie können sich teure langfristige Entwicklungsarbeit nicht leisten, mit dem Ergebnis, dass bislang nur Russland Hyperschall-Raketen zur Verfügung hat, gegen die es im Westen keine Verteidigungsmöglichkeit gibt.

Blick auf die Lage

Bislang ist der Krieg in Europa auf die Ukraine begrenzt. Sollte es doch noch eine Ausweitung geben und eine direkte Konfrontation zwischen russischen und Nato-Streitkräften drohen oder sich in der längeren Perspektive abzeichnen, würden die Regierungen kaum eine andere Wahl haben, als die deutsche und europäische Rüstungsindustrie unter staatlicher Führung neu zu strukturieren. Aktionäre von Rüstungskonzernen wie Rheinmetall sollten die Nachrichtenlage im Blick behalten.