Aktienmärkte

Rückschlag für Aktien befürchtet

Experten sind für die Aktienmärkte im nächsten Jahr verhalten zuversichtlich. Einige große Institute rechnen zunächst jedoch mit einem Rückschlag und einem Test der Markttiefstände dieses Jahres.

Rückschlag für Aktien befürchtet

Von Christopher Kalbhenn,

Frankfurt

Mit verhaltenem Optimismus blicken Strategen auf die Aussichten der Aktienmärkte im kommenden Jahr. Nach den Verlusten des auslaufenden Jahres, so die Erwartung, be­stünden gute Aussichten auf moderat positive Anlageerträge. Wirtschaftlich gesehen drohe allenfalls eine milde Rezession, unter anderem weil die Arbeitsmärkte in den Vereinigten Staaten und in Europa recht robust seien, mangels Exzessen kaum systemische Risiken vorhanden seien und staatliche Hilfsmaßnahmen abträgliche Folgen der stark gestiegenen Energiepreise abfedern.

Globale Rezession

Einzelne führende Institute warnen in ihren Jahresausblicken jedoch, dass den Aktienmärkten in den USA und Europa zunächst noch eine schwierige Wegstrecke bevorsteht. Sie sind auch nicht davon überzeugt, dass die Aktienmärkte bereits ihre Tiefs gesehen haben. So befürchtet etwa die UBS, dass der S&P 500 (derzeit bei 3834 Punkten) im Verlauf des zweiten Quartals 2023 auf 3200 Zähler und damit unter seinen Tiefststand dieses Jahres von 3492 Punkten sinken wird. Die Bank geht davon aus, dass sich die Weltwirtschaft unter der Last der Leitzinserhöhungen der Zentralbanken deutlich abschwächen wird. Sie rechnet mit einem globalen Wachstum von nur 2,1%, was unter Ausklammerung der Pandemie und der großen Finanzkrise das niedrigste Wachstum seit dem Jahr 1993 bedeuten würde. Angesichts der Erwartung, dass 13 von 32 Volkswirtschaften bis Ende 2023 in mindestens zwei Quartalen eine Kontraktion erleben würden, zeichnet sich der UBS zufolge eine Art globaler Rezession ab. Die Aktienmärkte preisten für die USA und Europa lediglich eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 41% und 80% ein.

Vor diesem Hintergrund rechnet die Bank mit einem Rückgang der Unternehmensgewinne, die sich in diesem Jahr als bemerkenswert robust erwiesen haben. So prognostiziert sie einen Rückgang des aggregierten Gewinns je Aktie des S&P 500 um 11,2% auf 198 Indexpunkte. Ähnlich sieht dies Morgan Stanley. Dem US-Haus zufolge sind die Konsensgewinnerwartungen für 2023 zu hoch. Bei einem Konsens von 232 geht das Institut für 2023 von einem Rückgang des Gewinns je Aktie des S&P 500 um 11% auf 195 Indexzähler aus. Für den MSCI Europe rechnet die Bank mit einem Rückgang um 10% auf 127 Zähler. J.P. Morgan ist nicht ganz so pessimistisch und er­wartet, dass der aggregierte Gewinn des S&P 500 auf 225 Indexzähler sinken wird.

Auch wenn sich die fundamentalen Gegebenheiten trotz der Schocks des Jahres 2022 widerstandsfähig gezeigt hätten, werde das konstruktive Wachstumsbild nicht fortbestehen, so J.P. Morgan. Die Bank rechnet mit einer Eintrübung, weil sich die Finanzkonditionen verschlechterten und die Geldpolitik sogar noch restriktiver werde, während die Wirtschaft in eine milde Rezession übergehe und die US-Arbeitslosenrate auf rund 5% steige. Sie erwartet die US-In­flation im März bei 5% und den Fed-Leitzins bei 5%. Das laufe auf einen Anstieg des Realzinses auf 5,9% hinaus, was dem stärksten Anstieg seit mehr als 40 Jahren entspreche und eine extreme geldpolitische Veränderung be­deute. Zudem hätten die Verbraucher ihre Überschussersparnisse aufgebraucht und seien von einem negativen Wohlstandseffekt seitens aller Asset-Klassen gleichzeitig getroffen worden. Der sprichwörtliche Schneeball werde nächstes Jahr an Schwung gewinnen, wenn Verbraucher und Unternehmen nicht unbedingt notwendige Ausgaben und Investitionen kürzen. Vor diesem Hintergrund erwartet J.P. Morgan, dass der S&P 500 sein Tief dieses Jahres testen wird.

Deutliche Erholung im Verlauf

Im weiteren Verlauf des Jahres werden die Aktienmärkte den drei Häusern zufolge jedoch drehen und sich deutlich erholen. UBS und Morgan Stanley erwarten den S&P 500 zum Jahresende bei 3 900 Punkten, J.P. Morgan prognostiziert den Index mit 4 200 Zählern. Der Ausverkauf in Kombination mit Disinflation, steigender Arbeitslosigkeit und einer sich verschlechternden Unternehmensstimmung werde für die Fed ausreichen, eine geldpolitische Wen­de zu signalisieren, was eine Markterholung treiben werde, so J.P. Morgan.

Antizipationsmechanismus

Die UBS verweis auf den Antizipationsmechanismus der Aktienmärkte. Sie neigten dazu, eine Erholung der wirtschaftlichen Aktivität vorwegzunehmen und den Boden deutlich vor dem Ende einer Rezession zu erreichen. Im Durchschnitt habe der S&P 500 in der Vergangenheit in der Mitte einer Rezession den Boden erreicht und beginne in rund 75 % aller Fälle während des Abwärtszyklus mit einer signifikanten Erholung. Ein erwarteter Beginn der Rezession im zweiten und ein vermutetes Ende im vierten Quartal spreche für eine Bodenbildung Anfang des dritten Quartals. Die Bank verweist auch auf die Geldpolitik. Sie erwartet für die USA für 2023 und 2024 ein Wachstum nahe null und eben eine Rezession im nächsten Jahr. In Verbindung mit einem schnellen Rückgang der Inflation könnte das der Bank zufolge die Fed veranlassen, ihren Leitzins bis Anfang 2024 auf 1,25 % zu senken. Die Geschwindigkeit dieser Wende werde 2023 jede Asset-Klasse treiben.

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