Rüstungsboom geht an Heckler & Koch vorbei
Rüstungsboom geht an Heckler & Koch vorbei
Geld oder Brief
Rüstungsboom geht an Heckler & Koch vorbei
Von Tobias Möllers. Frankfurt
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine boomt die einstmals verpönte Rüstungsindustrie. Aktien wie die von Rheinmetall, Hensoldt und Renk springen von einem Rekord zum nächsten und gehören auch in diesem Jahr zu den stärksten Werten am Aktienmarkt. An einem deutschen Traditionskonzern geht der aktuelle Boom allerdings weitgehend vorbei: Heckler & Koch.
Während Rheinmetall und Co. allein in diesem Jahr über 170% und mehr zugelegt haben, notiert die Aktie der H&K AG, die seit zehn Jahren an der Euronext in Paris gehandelt wird, bei 45 Euro aktuell gut 60% unter ihrem Wert vom Jahresbeginn. Im März 2022 waren die Papiere kurzzeitig noch auf fast 200 Euro gestiegen. Seitdem herrscht Tristesse. Dabei sehen die nackten Zahlen zunächst gar nicht so schlecht aus: Im ersten Halbjahr 2025 konnte Heckler & Koch seinen Auftragseingang deutlich auf 282,5 Mill. Euro steigern. Das waren stolze 42% mehr als im ersten Halbjahr 2024. Zum Auftragsschub trug auch der Anlauf der Serienproduktion des neuen Sturmgewehrs G95A1 für die Bundeswehr bei. H&K will bis Jahresende mehrere Tausend der neuen Sturmgewehre auszuliefern. Es ist einer der größten Aufträge in der Firmengeschichte. Das operative Ergebnis fiel 2025 allerdings trotzdem um 1,1%, das Ergebnis nach Steuern sogar um über 8%.
Bilanz überzeugt nicht
Das Unternehmen betonte dennoch, dass der hohe Auftragseingang, das Umsatzwachstum und die stabile Ertragslage eine positive Geschäftsentwicklung sichern. Über 1.300 Beschäftigte arbeiten vor allem am Stammsitz in Oberndorf im Nordschwarzwald für das Unternehmen. „Die aktuellen Halbjahreszahlen bestätigen unsere starke Marktposition“, konstatierte der Vorstandsvorsitzende Dr.-Ing. Jens Bodo Koch im August. Am Aktienmarkt konnte die Bilanz gleichwohl nicht überzeugen. Die Papiere des Unternehmens, das in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feierte, setzten ihre vorherige Talfahrt zwar nicht fort, dümpeln aber weiter auf niedrigen Niveau vor sich hin. Beim „Hauptausrüster von Bundeswehr und Sicherheitsbehörden“ und „einem der führenden Hersteller von Handfeuerwaffen“ ist vom aktuellen Rüstungsboom nichts zu sehen. Ein Problem von Heckler & Koch ist genau diese Ausrichtung. Das Unternehmen konzentriert sich auf tragbare Schusswaffen, größere Militärgeräte fertigt H&K dagegen nicht. Letztere sind es aber hauptsächlich, die die Verbündeten in die Ukraine schicken.
Schon 2024 gingen Selbst- und Fremdwahrnehmung deutlich auseinander. Während das Unternehmen sich weiter auf Wachstumskurs sah und das zweitbeste Ergebnis der Firmengeschichte bejubelte, bemängelten Kritiker den deutlich gesunkenen Gewinn. Die gesunkenen Profitabilität zeigt sich nun auch 2025 wieder.
Undurchsichtige Eigentümerstruktur
Belastend für die Aktie war auch ein jahrelanger Aktionärsstreit. 2024 musste aufgrund des Machtkampfs sogar die Hauptversammlung des Unternehmens abgebrochen werden. Bei dem Streit ging es um den deutschen Investor Andreas Heeschen, der lange Zeit Mehrheitsaktionär von Heckler & Koch gewesen war. Er verpfändete den größten Teil seines Aktienpakets an die Luxemburger Finanzholding CDE, beanspruchte dann später aber weiter die Stimmrechte für sich. 2024 wurde das strittige Aktienpaket über fast 40% des Grundkapitals bei der Hauptversammlung nicht zur Abstimmung zuzulassen – also weder der CDE noch Heeschen das Votum zugesprochen. Im Februar dieses Jahres stellte der Bundesgerichtshof letztendlich fest, dass die umstrittenen Aktien auf CDE übergegangen sind. H&K teilte daraufhin mit, dass nach dem sechs Jahre langen Streit damit die gesellschaftsrechtliche Frage geklärt sei. CDE mit Sitz in Luxemburg sei und bleibe Mehrheitsaktionär der H&K AG.
Für Außenstehende sind die Mehrheitsverhältnisse dennoch nicht einfach zu durchblicken. Die CDE hat eine Stiftungs-Struktur, bei der Treuhänder mittelbar die Aktienmehrheit für den Investor halten. Hier gab es zuletzt einen Wechsel. Die Finanzgesellschaft Erell LLC aus Jackson im US-Bundesstaat Wyoming wird als neuer mittelbarer Mehrheitsaktionär genannt. Wie ein H&K-Sprecher auf eine Anfrage der Tageszeitung „Die Welt“ erklärte, ist die neue US-Gesellschaft oberhalb der CDE angesiedelt. „Materiell oder personell hat sich nichts geändert“, heißt es dazu bei H&K. Die neue Treuhandgesellschaft führe zu keiner Veränderung der Entscheidungsberechtigung in Bezug auf die von der CDE gehaltenen H&K-Aktien. Nichtsdestotrotz bleibt die Eigentümerstruktur bei Heckler & Koch kompliziert. Eine Tatsache, die nicht gerade zur Attraktivität der Aktie beiträgt.
Kaum Aktien im Streubesitz
Für das Unternehmen spricht der anhaltend hohe Auftragseingang. Zudem wurde der Standort Oberndorf in den letzten Jahren für 100 Mill. Euro modernisiert. Die Profitabilität von Heckler & Koch schwächelte aber zuletzt, die Aktionärsstruktur ist schwer durchschaubar und von den enormen Rüstungsaufwendungen zur Unterstützung der Ukraine profitierte das Unternehmen kaum bis gar nicht. Zudem ist nur ein sehr geringer Teil der Aktien im Streubesitz. Neuen Rückenwind für die Aktie könnte das von der Bundesregierung aufgesetzte Sondervermögen für Rüstung in Höhe von 500 Mrd. Euro bringen. Zuletzt wurde auch hier aber eher über Drohnen, Patriots, Flugzeuge und Panzer diskutiert. Waffengattungen, die Heckler & Koch nicht im Programm hat.
