Saisonalitäten sind "einfach" zeitlos
Technische Analyse
Saisonalitäten sind “einfach” zeitlos
Von Christoph Geyer*)
Es ist ja nicht so, dass die technische Analyse als „einfach“ bezeichnet werden kann. Leider gibt es immer wieder schwarze Schafe, die diese Analysemethode auf die leichte Schulter nehmen und in der Außenwirkung die Methode als ganz leicht zu beherrschen darstellen. Dies hat zur Folge, dass gerade Einsteiger von falschen Voraussetzungen ausgehen und so unweigerlich Verluste generieren.
Besondere Sorgfalt geboten
Auch bei der Analyse von Statistiken, die als Saisonalitäten bezeichnet werden, ist besondere Sorgfalt geboten. Diese Analysemethode genießt immer mehr Aufmerksamkeit und ist besonders gut geeignet, um die klassische technische Analyse mit aufbereiteten Daten aus der Vergangenheit zu unterstützen. Dabei kommen je nach Betrachtung verschiedene Zeiträume zur Anwendung.
Besonders lange Zyklen sind die Präsidentschaftswahlzyklen, die in den USA einen Vierjahresturnus haben und eingeteilt sind in: Wahl-, Nachwahl-, Zwischenwahl- und Vorwahljahre. Jedes dieser Jahre weist einen typischen Verlauf nach statistischer Wahrscheinlichkeit auf. Eine Garantie, dass es immer wieder so kommen muss, gibt es natürlich nicht. Wenn die statistische Wahrscheinlichkeit aber zum Beispiel für einen positiven Verlauf spricht und die aktuelle Börsenlage dies ebenfalls mit der technischen Analyse untermauert, stehen die Chancen recht gut für eine positive Bewegung.
Von den Erntezeiten in der Agrarbranche kennt man solche statistischen Verläufe schon länger, da die Preise gemäß Angebot und Nachfrage hier saisonal schwanken und sich die Händler und Abnehmer längst darauf eingestellt haben. So kann hier beobachtet werden, dass zur Erntezeit die Preise eher niedrig sind und gerade im Winter, wenn die Läger sich leeren, eher hoch.
Es gibt aber noch weit mehr Zyklen, die im Finanzsektor angewendet werden. So kann jedes Produkt nach typischen jahreszeitlichen Verläufen untersucht werden. Dies geht über Zinsen, Rohstoffe bis hin zu einzelnen Aktien. Selbstredend darf eine solche Statistik nicht unreflektiert angewendet werden. Zum einen ist es lediglich eine zusätzliche Analysemethode und zum anderen wird auch diese Methode nicht bei jedem Produkt gleich erfolgreich sein können. Es ist eben nur eine vergangenheitsbezogene Betrachtung.
Wiederkehrende Ereignisse
Soll diese erfolgreich sein, ist es am besten, wenn auch wiederkehrende Ereignisse zugrunde liegen, die die statistische Wahrscheinlichkeit erklären. So können z.B. Steuertermine in den USA einen Einfluss auf die Kursbewegungen haben. Aber auch Wahlversprechen, die meist in Vor- oder Wahljahren gegeben werden, können an der Börse zu positiven Bewegungen führen, die dann in Nachwahljahren manchmal enttäuscht werden.
Es sind aber nicht nur die sehr langen Zyklen wie die US-Wahlen, die erfolgreich genutzt werden können. Es gibt z.B. auch Handelssysteme, die im Intraday-Bereich gerade beim Forex-Handel (Devisen) zum Erfolg führen können. Wenn sich das Gold oder der US-Dollar um eine bestimmte Tageszeit in die eine oder andere Richtung bewegen (bei Gold werden hier immer wieder auch Verschwörungstheorien kolportiert), dann kann dies optisch sehr eindrucksvoll mit solchen Statistiken nachgewiesen und zum Teil auch für Tradings genutzt werden.
Auch beim Handel innerhalb weniger Tage gibt es Statistiken, die eine besondere Auffälligkeit aufweisen. Diese nennt man eventbezogene Saisonalitäten. Sie untersuchen besondere Ereignisse, die börsenrelevant sind. Hier wird dann die Zeit unmittelbar vor und nach einem solchen Event analysiert. Dabei werden meist nicht mehr als eine Handvoll Tage betrachtet, die um dieses Event herum liegen. So wird erkennbar, wie sich der Markt einige Tage vor und einige Tage nach dem Event verhalten hat.
Eines der bekanntesten Events ist das FOMC-Meeting der amerikanischen Notenbank Fed. Hier werden in regelmäßigen Abständen die Notenbankpolitik und damit die Leitzinsen beschlossen und vorgestellt. Der Ansatz ist hier nicht, auf die jeweilige Entscheidung zu schauen und darauf, wie die Marktteilnehmer darauf reagiert haben, sondern vielmehr das Event selbst, gleichgültig wie die Entscheidung ausgefallen ist. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass die Marktteilnehmer eine Erwartungshaltung haben.
Sinnvolle Ergänzung
Dabei gibt es allerdings auch einiges zu beachten. Die statistische Aussage: „Je länger ein erfasster Zeitraum gewählt wird, umso valider ist die Aussage“ trifft hier nur bedingt zu. In den drei Tagen nach der Veröffentlichung der Fed-Beschlüsse hat der Dow Jones bei den letzten 741 Fed-Meetings der zurückliegenden 126 Jahre 420 mal positiv tendiert. Allerdings konnte diese hohe Trefferquote in den letzten fünf Jahren nicht mehr behauptet werden. Ungeachtet dessen stellt eine solche Statistik eine sinnvolle Ergänzung dar, die bei richtiger Anwendung und vor allem auch richtiger Interpretation einen entscheidenden Vorteil bei der Anlageentscheidung bringen wird.
*) Christoph Geyer ist freier technischer Analyst der VTAD e.V.