GELD ODER BRIEF

Salesforce-Einkaufstour beunruhigt Anleger

Von Sebastian Schmid, New York Börsen-Zeitung, 26.8.2016 Der erfolgsverwöhnte Cloud-Software-Anbieter Salesforce sieht sich an der New York Stock Exchange derzeit erstaunlichem Gegenwind ausgesetzt. In den drei Monaten seit der Vorlage des...

Salesforce-Einkaufstour beunruhigt Anleger

Von Sebastian Schmid, New YorkDer erfolgsverwöhnte Cloud-Software-Anbieter Salesforce sieht sich an der New York Stock Exchange derzeit erstaunlichem Gegenwind ausgesetzt. In den drei Monaten seit der Vorlage des Zwischenberichts zum ersten Quartal am 20. Mai haben sich die Titel mit einem Minus von knapp 5 % auf 79,70 Dollar enttäuschend entwickelt. Der Technologiewerteindex Nasdaq Composite legte in der gleichen Zeitspanne 7 % zu. Auf Sicht von einem Jahr oder länger weist Salesforce zwar noch die bessere Bilanz auf. Doch die Zweifel der Investoren wachsen. Das von Firmengründer Marc Benioff geführte Unternehmen hat in den kommenden Wochen und Monaten eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten.Nach der etwa im Rahmen der Erwartungen gebliebenen Entwicklung des Unternehmens im ersten Quartal steht zunächst der Zwischenbericht zum zweiten Quartal an. Dabei müssen die Anleger mehr Geduld als gedacht aufbringen. Die ursprünglich für den 29. August geplante Zahlenvorlage wurde vergangene Woche auf den 31. August verschoben. Ergebnisseitig wird wegen einiger Großakquisitionen mit weniger gerechnet, als Salesforce noch im Mai in Aussicht gestellt hatte. Damals waren 24 bis 25 Cent bereinigter Gewinn je Aktie prognostiziert worden. Von Thomson Reuters befragte Analysten rechnen im Schnitt aktuell mit 22 Cent je Aktie. Der Umsatz wird von den Marktbeobachtern mit 2,02 Mrd. Dollar am oberen Ende des Ausblicks erwartet. Die sehr vorhersehbare Natur des Cloud-Dienstleistungsgeschäfts mit meist regelmäßig wiederkehrenden Erlösen sorgt dafür, dass die Überraschungen ohnehin meist nur gering ausfallen. Ein Sonderfaktor ist in diesem Jahr der plötzlich gewachsene Akquisitionshunger des Konkurrenten von Softwarekonzernen wie Microsoft, Oracle oder SAP. Seit dem Jahresbeginn wurden bereits sieben Übernahmen vereinbart. Nach weniger als zwei Dritteln des Jahres liegt Salesforce bereits über ihrem Durchschnittswert von sechs Übernahmen pro Jahr in den vergangenen fünf Jahren. Unterlegen bei LinkedinDie größte versuchte Übernahme misslang dabei allerdings. So hat Salesforce mehreren US-Medien zufolge das gegen Microsoft unterlegene Angebot für Linkedin abgegeben. Salesforce soll mit 200 Dollar je Aktie bzw. 26,7 Mrd. Dollar sogar eine halbe Milliarde Dollar mehr geboten haben als der Windows-Konzern. Microsoft habe aber die Oberhand behalten, weil das Softwarehaus die komplette Offerte in bar machen konnte. Salesforce soll dagegen nur 85 Dollar je Anteilschein in bar und den Rest in eigenen Aktien geboten haben.In Unterlagen an die SEC schildert Linkedin, dass der Chief Executive Officer des konkurrierenden Bieters nach der Annahme der Microsoft-Offerte zum Ausdruck gebracht habe, er sei bereit gewesen, noch “deutlich mehr” zu zahlen. Sollte Benioff dies wirklich erklärt haben, zeigt das einen Einstellungswechsel, der in die künftigen Erwartungen an den Konzern einfließen sollte. Offenbar ist der CEO bereit, die Verschuldung rasant hochzufahren. Schon der Baranteil der Linkedin-Offerte von 85 Dollar je Aktie bzw. 11,4 Mrd. Dollar hätte die Liquiditätsreserve per Ende April – bestehend aus Barreserve sowie kurzfristigen und langfristigen handelbaren Wertpapieren – um mehr als das Zweifache überstiegen. Die Verbindlichkeiten von 7,2 Mrd. Dollar hätten mehr als verdoppelt werden müssen.Kurz nachdem die Linkedin-Übernahme gescheitert war, übernahm Salesforce Anfang Juni den Cloud-Softwarekonzern Demandware für 2,8 Mrd. Dollar in bar. Demandware konzentriert sich auf Mietsoftware-Angebote für Onlinehändler – ein Markt, in dem das US-Softwarehaus bis dahin kaum präsent war. Zwar ist Salesforce im Geschäft mit Cloud-Software zum Management von Kundenbeziehungen (CRM) vor SAP, Oracle und Microsoft noch immer Marktführer. SAP mit Hybris und Oracle mit Art Technology haben sich im Onlinehandelsgeschäft bereits mit eigenen Zukäufen verstärkt, so dass Salesforce hier nur nachgezogen hat. Auch die Übernahme des Bürosoftware-Anbieters Quip Anfang August scheint mit dem Blick auf die Konkurrenz erfolgt zu sein. Quips Cloud-Bürsoftware gilt als leistungsstarke Alternative zum Platzhirsch Office 365 von Salesforce-Wettbewerber Microsoft. Teures TrostpflasterBezogen auf den Erlösbeitrag sollten Salesforce-Aktionäre nicht zu hohe Erwartungen an Demandware stellen. Benioff rechnet mit 100 Mill. bis 120 Mill. Dollar Umsatzbeitrag im Gesamtjahr. Es dürfte viele Jahre dauern, bis Demandware den komplett in bar gezahlten Übernahmepreis von 2,8 Mrd. Dollar wieder eingespielt hat. Die Prämie von 75 % auf den letzten Schlusskurs vor der Offerte, zeigt, dass sich der Konzern ein teures Trostpflaster für die gescheiterte Linkedin-Übernahme gegönnt hat. Der Salesforce-Chef muss nun zeigen, ob seine schlagzeilenträchtige Übernahme auch die gewünschten Erfolge zeitigen kann.Der neue Akquisitionshunger trifft auch deshalb auf viel Skepsis, weil Salesforce in der Vergangenheit am M & A-Markt nicht nur überzeugen konnte. UBS-Analyst Brent Thill nennt als Beispiel etwa die knapp 700 Mill. Dollar schwere Übernahme von Buddy Media vor vier Jahren. Auch die bislang größte Übernahme Exact Target, die sich Salesforce im Juni 2013 gut 2,5 Mrd. Dollar kosten ließ, traf nicht voll ins Ziel. Damit wurde die Basis für die Marketing Cloud gelegt, die das nächste Milliardengeschäft werden sollte. Im Ende Januar abgelaufenen Geschäftsjahr erlöste der Bereich mit 654 Mill. Dollar 29 % mehr als in der Vorjahresperiode.Auf Basis des Rechnungslegungsstandards US-GAAP dürften schwarze Zahlen nach den zahlreichen Übernahmen in weite Ferne rücken. Im ersten Quartal per Ende April hatte sich der Verlust auf knapp 12 Mill. Dollar mehr als verdoppelt. Demandware hatte vor der Übernahme für den laufenden Turnus bei 300 Mill. Dollar Umsatz rund 50 Mill. Dollar Verlust erwartet.