Anleihemarkt

Schwellenländer profitieren vom Zollstreit

Emerging Markets gelten im gegenwärtigen Makro-Umfeld als attraktiv. Sie profitieren unter anderem von Umschichtungen der Anleger infolge des Handelsstreits.

Schwellenländer profitieren vom Zollstreit

Investments in Anleihen der Schwellenländer gelten im gegenwärtigen makroökonomischen Umfeld als ausgesprochen attraktiv. Experten sehen verschiedene globale Treiber. „Das langsamere US-Wachstum, wie der schwache Juli-Arbeitsmarktbericht bestätigt, führt zu einer spürbaren Divergenz der Konjunkturzyklen zwischen Schwellenländern und Industrieländern“, sagt Anupam Damani, Co-Leiterin des Bereichs Schwellenländer-Anleihen bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Schätzungen von Goldman Sachs zufolge wird das durchschnittliche Wachstum der Schwellenländer stetig zunehmen, wobei der Wachstumsunterschied gegenüber den Industrieländern im Jahr 2025 auf 2,5% anwachsen soll.

Attraktives Spektrum

„Das globale Anleihespektrum ist dadurch so attraktiv wie seit Langem nicht mehr“, sagt Damani. Schwellenländer bieten ihrer Ansicht nach eine überzeugende Diversifikationsmöglichkeit nach dem US-Exzeptionalismus-Trend. „Angesichts unserer eher lockeren Fed-Prognose – wir erwarten später im Jahr Zinssenkungen der Fed –, einem potenziell schwächeren US-Dollar, abnehmender Handelsunsicherheit und gelockerten globalen Finanzbedingungen entsteht ein günstiges makroökonomisches Umfeld für Schwellenländer-Anleihen“, sagt die Emerging-Markets-Expertin. Sie weist auch auf den Faktor Kapitalflüsse hin. In den vergangenen Monaten sei das Interesse an Schwellenländer-Schuldtiteln deutlich gestiegen. Spezialisierte Schwellenländer-Anleihefonds verzeichnen nach jüngsten Daten von Morgan Stanley und EPFR seit 15 Wochen kontinuierliche Zuflüsse, wodurch die Nettozuflüsse seit Jahresbeginn auf 32,5 Mrd. Dollar gestiegen sind.

Deflationäre Wirkungen

Im Blick hat Damani verständlicherweise auch den von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochenen Handelskrieg. Das Schwellenländeruniversum sei sehr heterogen – und das gelte auch für die Auswirkungen der Handelsspannungen. Doch die Handelsspannungen wirkten weltweit und insbesondere in Asien deflationär, da China seinen Leistungsbilanzüberschuss umschichten müsse. Niedrigere Ölpreise verstärkten diesen deflationären Impuls, der zusammen mit hohen Realzinsen in einigen Märkten den Weg für weitere Zinssenkungen ebne. Wenn der Hauptkonkurrent mit deutlich höheren Zöllen belegt werde, könnten Schwellenländer einen Handelsvorteil erlangen, da ihre Produkte in den USA vergleichsweise günstiger werden. „Die US-Zollpolitik und die wachsenden Sorgen über die steigende US-Verschuldung haben dazu geführt, dass Asset-Manager ihre Übergewichtung in US-Märkten überdenken und nach Diversifikation suchen. Davon profitieren Schwellenländer-Schuldtitel“, hält Damani fest. Die Handelsspannungen hätten den US-Dollar geschwächt, was für Schwellenländer insgesamt Rückenwind bedeute: Ein schwächerer Dollar könne lokale Schwellenländer-Zinsen und Währungen stützen und die Schuldendienstfähigkeit von Staaten und Unternehmen in Schwellenländern verbessern.

„Länder mit niedrigen Zollsätzen wie Ägypten, die Dominikanische Republik und Costa Rica könnten vom Nearshoring profitieren und als Produktionsstandorte für Unternehmen attraktiv werden, die Zölle vermeiden und Lieferketten verkürzen wollen. Wir scheinen den Höhepunkt der globalen Unsicherheit überschritten zu haben: Mehrere Schwellenländer wie Vietnam, Indonesien, die Philippinen und Indien haben bereits Handelsabkommen mit den USA geschlossen, wobei jedoch noch einige Unklarheiten hinsichtlich zukünftiger Verpflichtungen bestehen“, sagt Damani.

Komfortable Situation

Im aktuellen geldpolitischen Zyklus befinden sich die meisten Emerging Markets in einer komfortablen Situation. „Insgesamt bieten hohe Realzinsen und stabile bzw. aufwertende Währungen den Zentralbanken in den Schwellenländern viel Spielraum für Zinssenkungen. Niedrigere Ölpreise und die erwartete Lockerung der Fed später im Jahr könnten einen zusätzlichen Anreiz für weitere Zinssenkungen geben“, sagt die Expertin. Sie beobachtet jedoch, dass die Zentralbanken der Schwellenländer allmählich in eine Phase der Feinjustierung eintreten. Während die Disinflation voranschreite und in mehreren Märkten Zinssenkungen erfolgen, dürfte das Tempo eher schrittweise verlaufen.

Im weiteren Jahresverlauf dürfte die geldpolitische Heterogenität und regionale Divergenz ihrer Ansicht nach zunehmen: „Einige Zentralbanken beenden ihren Zyklus, pausieren oder müssen angesichts ihrer heimischen Situation weiter senken. Einzelne Schwellenländer profitieren von positiven strukturellen Entwicklungen, etwa Südafrika mit seinem niedrigeren Inflationsziel. Für Schwellenländer-Investoren bietet dies die Möglichkeit, in unterschiedliche Zinssenkungszyklen zu diversifizieren“, sagt Damani.

Mexiko und Chile attraktiv

Eine ganze Reihe von Emerging Markets hält Damani für vielversprechend. „Wir halten attraktive Carry-Quellen wie Mexiko, Chile und Südafrika und positionieren uns zugleich für Wachstum in den Ländern Türkei, Serbien, Guatemala und der Elfenbeinküste. Diese Länder befinden sich unserer Ansicht nach auf einem positiven Kurs und dürften eine stetige Spread-Kompression erleben, da sich ihre Fundamentaldaten und Kreditratings verbessern“, hält Damani fest. Bei Frontier Markets wie etwa Sambia, Pakistan und Ghana agiert sie selektiver und flexibler. Hier bieten sich laut Damani unkorrelierte Alpha-Potenziale für das Portfolio.

Einige Regionen in Mittel- und Osteuropa sowie niedrig bewertete und anfälligere Frontier Markets stehen weiterhin auf der Watchlist bei den EM-Experten von GSAM wegen erhöhter Risiken für die fiskalische Nachhaltigkeit. Im Bereich Hartwährungsanleihen habe man die Positionen bei hochvolatilen Öl-Titeln im Staatsanleihesegment gezielt reduziert.

„Unsere Underweight-Positionen in der diskretionären Zinsstrategie sind vor allem durch relative Value-Chancen motiviert und weniger durch große makroökonomische Richtungswetten. Das hilft uns, die lokale Marktvolatilität zu steuern“, sagt sie.

Damani hat aktuell keine starke Präferenz für Investments in Hartwährungsanleihen oder Bonds in Lokalwährung. „Das günstige makroökonomische Umfeld, positive technische Faktoren, das Potenzial für einen schwächeren US-Dollar und Rückenwind durch niedrigere Ölpreise wirken sich insgesamt günstig für Schwellenländer aus. In lokalen Schwellenland-Märkten haben wir unsere Positionen bei Zinsen erhöht, da diese von einer Lockerung der Fed weiter profitieren könnten.“

Im Gespräch: Anupam Damani

Schwellenländer-Anleihen
profitieren von Zollstreit

Goldman-Sachs-Expertin sieht Wachstumsvorteile für Emerging Markets

Anleihen der Schwellenländer hält Anupam Damani, Expertin für Emerging Markets bei Goldman Sachs Asset Management, derzeit für attraktiv. Die Länder bieten Wachstumsvorteile, und zudem besteht viel Spielraum für Zinssenkungen, denn die Währungen der Länder werten auf. Positiv wirkt auch der US-Zollstreit.

Von Kai Johannsen, Frankfurt