Schwieriges, aber erfolgreiches Börsenjahr
Von Christian Henke*)
Trotz aller Widrigkeiten war das Börsenjahr 2021 bislang erfolgreich. Wenige Tage vor Jahresultimo fällt das Fazit positiv aus. Von den Widrigkeiten gab es in den vergangenen rund zwölf Monaten reichlich. Die Pandemie hat die Finanzmärkte weiter im Griff. Vor allem seit Ende November sorgt die neue Virusmutation Omikron für neuerliche Verunsicherung. Aber auch die mitunter deutlich gestiegene Inflation und das nicht allzu überraschende Eingreifen der US-Notenbank Fed war ein zentrales Thema in diesem bald endenden Börsenjahr.
Bevor wir auf die derzeitige charttechnische Verfassung und die Markttechnik des Dax eingehen, schauen wir uns die Performance einiger wichtiger globaler Indizes an. Der Weltaktienindex MSCI World, hier dargestellt durch den iShares MSCI World Core ETF, konnte bislang ein Plus von rund 21% verzeichnen und dient uns als Benchmark. Deutlich besser als das 1600 Aktien umfassende Finanzprodukt entwickelten sich die Börsen in Wien, Paris, Amsterdam sowie die Wall Street ab. Die genannten Börsenbarometer konnten gegenüber dem Weltaktienindex mit einer positiven relativen Performance überzeugen. Hierbei wird die Kursentwicklung des Index mit der Benchmark verglichen. Verlierer waren hinsichtlich der relativen Performance die Märkte in Asien. Aber auch der deutsche Leitindex gehört trotz eines Kursplus von rund 15% zu den Underperformern. Dennoch können die heimischen Anleger zufrieden sein und wohlwollend auf das Jahr 2021 zurückschauen.
Im Laufe dieses Jahres war die Pandemie das eine oder andere Mal das zentrale Thema an den Finanzmärkten. Die neue Virusvariante hatte die Marktteilnehmer auf den Boden der Realität geholt. Allerdings fielen die Kursabschläge nicht so dramatisch aus wie im Jahr zuvor. 2020 waren die weltweiten Märkte deutlich gen Süden gezogen worden. Erst im März 2021 konnte das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht und übertroffen werden. Anschließend folgten neue Rekordstände. Vor wenigen Wochen konnte erstmals in der Dax-Geschichte die 16000-Punkte-Marke überwunden werden.
Doch seit Mitte November hat die Dynamik spürbar nachgelassen. Seitdem hält sich der Dax im Big Picture auf Monatsbasis in einer Fortsetzungsformation in Form einer Handelsspanne auf. Das am 19. November markierte Allzeithoch bei 16290 Zählern stellt die Oberseite der momentanen Seitwärtsphase dar. Die untere Begrenzung besteht aus den Tiefs von Mai und Oktober bei 14800 Punkten. Dazwischen liegt auf dieser Zeitebene die steigende und seit April 2015 intakte Trendlinie bei 15540 Zählern, die seit April dieses Jahres mehrmals der Zankapfel zwischen den Bullen und Bären war.
Folglich wäre der Ausbruch aus der Handelsspanne in die eine oder andere Richtung entscheidend für die Entwicklung im kommenden Jahr. Im ersten Szenario besprechen wir den Ausbruch nach oben. Aus der Höhe der genannten Chartformation errechnet sich ein Kursziel von rund 17800 Punkten. Zuvor liegen im Langfristchart die seit Juni 2007 steigende Trendlinie bei 17390 Zählern sowie das 161,8-Prozent-Fibonacci-Level (Extension) bei 17470 Punkten. Hierbei wurde die Kursimplosion während des Beginns der Coronakrise im Februar und März des vergangenen Jahres berücksichtigt.
Covid-19 bleibt Thema
Wenngleich die erwähnte Omikron-Variante laut den momentan vorliegenden klinischen Studien wahrscheinlich einen milden Krankheitsverlauf hat, dürfte Covid-19 uns auch im kommenden Jahr beschäftigen. Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, hat zwar unlängst die Katze aus dem Sack gelassen und neben der Erhöhung der Reduzierung der Anleihekäufe Zinserhöhungen in Aussicht gestellt, die Geld- und Zinspolitik könnte auch 2022 ein zentrales Thema sein. Ein Ausbruch aus der Preisspanne gen Süden hätte eine Trendumkehr zur Folge. In diesem Fall lautet das charttechnische Kursziel auf der Unterseite 13310 Punkten. Die Höhe der Handelsspanne haben wir von der Unterseite der Chartformation subtrahiert. Davor liegt jedoch das markante Hoch bei 15531 Zählern von November 2017. Dieses Hoch stellte bis März dieses Jahres eine nicht überwindbare Hürde dar. Der Dax konnte erst im fünften Anlauf diesen Widerstand bezwingen.
Kursmotor heiß gelaufen
Bislang gibt es kaum Anlagealternativen. Dividendenpapiere könnten auch im kommenden Jahr ganz oben auf der Einkaufsliste der Investoren stehen. Dennoch sollte eine Korrektur nicht vom Tisch gewischt werden. Bei der Betrachtung der wichtigsten Börsenbarometer fällt auf, dass einige reif für eine Konsolidierung sind. Der Relative-Stärke-Index (RSI), den wir als Oszillator kennen, wird an dieser Stelle als Trendfolgeindikator verwendet. Bei einem Wert von über 52 liegt ein Kauf- und bei einem Niveau von unter 48 ein Verkaufssignal vor. Zudem werden die Periodenlängen 5, 8, 13- und 21 Monate berücksichtigt. Bei mindestens drei Kaufsignalen steht die Ampel auf Grün, bei drei Ausstiegssignalen entsprechend auf Rot. Die Mehrheit der beobachteten Indizes weisen auf den genannten Periodenlängen Werte von mitunter deutlich über 70 auf. Dies dient als Warnsignal. Eine Korrektur würde an den intakten Einstiegssignalen erst einmal nichts ändern.
*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG.