Sogar Jerome Powell sieht keine KI-Blase
Sogar Jerome Powell sieht keine KI-Blase
Sogar Jerome Powell sieht keine KI-Blase
Mehrere Strategen machen aufgrund steigender Gewinne und hoher Cashflows heute eine andere Situation als beim Dotcom-Hype aus
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Droht jetzt das Platzen einer KI-Blase, so wie vor 25 Jahren die Dotcom-Blase geplatzt ist? Vor allem aufgrund steigender Gewinne machen US-Notenbank-Chef Powell und etliche Kapitalmarktstrategen heute eine andere Situation aus. Franklin Templeton sieht den Zenit eines Bullenzyklus.
Gerade haben mit Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta fünf der großen US-Tech-Konzerne ihre Quartalszahlen präsentiert. Und die Botschaft ist eindeutig: Der KI-Boom geht weiter, die Umsätze und die Gewinne klettern überdurchschnittlich. Abstriche gab es lediglich bei Meta, bei denen die Kosten explodiert sind. Aber sonst haben sich die Big-Tech-Firmen erneut als echte Gewinnmaschinen präsentiert.
Angesichts der Kurssteigerungen der Technologiewerte sowie ambitionierter Bewertungen fragen sich immer mehr Investoren wie Carsten Klude, Stratege bei M.M. Warburg: „Wann folgt dem Rausch der Kater?“ Und droht nicht die KI-Blase jetzt bald zu platzen, genauso wie vor 25 Jahren die Dotcom-Blase zu platzen begann? Damals hat der US-Tech-Index Nasdaq in der Spitze bis zu 80% an Wert eingebüßt. Und den Frankfurter „Little Nasdaq“, den Neuen Markt, gibt es längst nicht mehr.
Powell sieht keine Parallelen
Die meisten Analysten und Strategen prognostizieren indes keine ausgeprägte KI-Blase, die jetzt heftig platzen dürfte. Sie verweisen dabei vor allem auf das starke Gewinnwachstum der Tech-Firmen, das anhaltenden dürfte. Hinzu kommt die unterstützende Geldpolitik der US-Notenbank. Allerdings raten fast alle Experten dazu, nicht allein in Big Tech zu investieren, und Risiken durch Diversifikation in andere Aktienmärkte wie die Schwellenländer und andere Assets zu begrenzen.
Sogar US-Notenbankpräsident Jerome Powell sieht keine Parallele zwischen der Dotcom-Blase und den aktuellen Kurszuwächsen bei KI-Titeln. Die hochbewerteten Firmen rund um Künstliche Intelligenz erzielten Gewinne und verfügten über starke Geschäftsmodelle, erklärte er vor der Presse. Die sei ein deutlicher Unterschied zur Vergangenheit. Künstliche Intelligenz sei aktuell “eindeutig eine der wichtigsten Wachstumsquellen der Wirtschaft“, sagte Powell.
Marcus Weyerer, Investmentstratege bei Franklin Templeton, sieht US-Aktien im Zenit des Bullenzyklus und erwartet weiterer Kursgewinne. „Ein robustes Gewinnwachstum und ein gemischtes, aber weiterhin günstiges makroökonomisches Umfeld stützen weiterhin risikoreiche Anlagen“, sagt Weyerer. Die Stärke der Mega-Caps halte weiter an. „Im Gegensatz zu den häufigen Vergleichen mit der Dotcom-Blase weisen die heute führenden Unternehmen starke, nachhaltige Bilanzen und systematische Preissetzungsmacht auf“, erklärt der Stratege. „Wir sind überzeugt, dass eine solche Konzentration ein Merkmal moderner Märkte und kein Mangel ist.“
„Weiteres Aufwärtspotenzial“
Wenn KI das heutige Äquivalent zur Internetrevolution darstelle, dann sei das Debüt von ChatGPT im Jahr 2022 sein „Netscape-Moment“ gewesen.“, sagt Weyerer. „Vor diesem Hintergrund könnte das Jahr 2025 eher dem Jahr 1997 als dem Jahr 1999 ähneln, was auf weiteres Aufwärtspotenzial hindeutet.“ Historisch gesehen folgten echte Bärenmärkte in der Regel auf exogene Schocks und nicht nur auf überhöhte Bewertungen. „Unserer Ansicht nach ist überhöhte Vorsicht derzeit das größte Risiko für Anleger.“ Der US-Markt befinde sich weiterhin in einer Hochphase.

„Eines sollte man nicht vergessen: Bewertungskennzahlen sind schlechte Markttiming-Indikatoren“, erläutert M.M. Warburg-Stratege Klude. „Denn was teuer ist, kann noch teurer werden, was günstig ist, kann noch billiger werden.“ Allzeithochs markierten typischerweise nicht das Ende, sondern die Fortsetzung von Aufwärtstrends. „Starke Märkte bleiben oft stark.“
KI-Boom, nicht Blase
Zirkuläre KI-Deals, die komplex und deren Geldflüsse zum Teil schwer nachvollziehbar seien, lassen Skeptiker befürchten, dass das KI-Ökosystem eine Blase sei, die nur wachsen könne, wenn sich die Unternehmen gegenseitig subventionierten. „Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zu den 1990er Jahren: Die großen Tech-Konzerne verkaufen dieses Mal keine Aktien an leichtgläubige Anleger, sondern sie kaufen mehrheitlich eigene Anteile zurück“, erklärt Klude. „In echten Blasen emittieren Unternehmen dagegen massiv neues Eigenkapital, heute passiert das Gegenteil. In der Vergangenheit sind Blasen dadurch entstanden, dass (zu) optimistische und oftmals leichtgläubige Investoren Geld in Unternehmen investierten, die sich als unprofitabel oder als Betrüger erwiesen. Deshalb würden wir die aktuelle Entwicklung als KI-Boom, aber nicht als KI-Blase charakterisieren.“
Finanzierung aus dem Cashflow
Die Privatbank Merck Finck hat gerade ihre Allokation in US-Aktien erhöht. „Ein wichtiger Treiber bleibt dabei der KI-Boom: Investitionen in Rechenzentren sowie immaterielle Vermögenswerte übersteigen in den USA inzwischen die klassischen Ausgaben für Maschinen und Anlagen“, erklärt Chefstratege Robert Greil. Zur Euphorie der Dotcom-Phase bestünden wesentliche Unterschiede. So beruhten die Kursgewinne der großen US-Techkonzerne heute weitgehend auf starkem Gewinnwachstum und nicht nur auf steigenden Bewertungen. Zudem seien die Bewertungen zwar auf den ersten Blick ambitioniert, aber nicht vergleichbar mit den Extremwerten der Jahrtausendwende. Auch finanzierten, anders als damals, „Hyperscaler“ wie Amazon, Microsoft oder Alphabet ihre Investitionen nicht auf Pump, sondern aus dem laufenden Cashflow.
IT-Werte in Asien günstiger
„Wir sehen aktuell keine Entwicklung einer Blase“, erklärt auch Anja Hochberg, neue Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank. „Die Berichtssaison zeigt, dass die Gewinnentwicklung gut ist, und wir haben eine unterstützende Geldpolitik.“ Die Nutzerzahlen für künstliche Intelligenz und die Zahlen, die in Aussicht gestellt werden, seien realistisch. „Der Durchdringungsgrad von KI in der Volkswirtschaft und auch im privaten Leben wird schneller zunehmen als wir das bei anderen Technologien gesehen haben.“ Gleichwohl sollten sich Anleger möglichst breit aufstellen und auch Schwellenländer berücksichtigen. „In Asien sind IT-Werte wesentlich niedriger bewertet als in den USA.“
„Tanz ums goldene Kalb“
Hingegen sieht Fondsmanager Peter E. Huber in den USA einen „Tanz um das goldene Kalb.“ Das starke Gewinnwachstum gehe einseitig auf das Konto von vielleicht zehn führenden Tech-Konzernen, die sich gegenseitig beteiligten und Aufträge zuschanzten. „Ob die gewaltigen Investitionen in Rechenzentren die erhofften Profite bringen, steht noch in den Sternen“, meint Huber. Der Anteil von US-Aktien mit über 70% im MSCI World lasse sich auf Dauer nicht aufrechterhalten. „Wir haben US-Aktien deutlich untergewichtet.“