Dank dynamischer Konjunktur

Spanische Börse zeigt sich wieder großzügiger gegenüber den Anlegern

Nach drei schwachen Jahren eroberte der Ibex 35 zuletzt die 10.000 Punkte wieder. Die Zinserhöhung im Euroraum trieb die Kurse der spanischen Banken, auch die Perspektiven für 2024 werden gut eingeschätzt.

Spanische Börse zeigt sich wieder großzügiger gegenüber den Anlegern

Spanische Börse wieder großzügiger zu Anlegern

Ausschüttung von Dividenden erreicht mit 30 Mrd. Euro Stand vor der Pandemie – Börsenbetreiber BME fordert Verbesserung der Rahmenbedingungen

Nach drei schwachen Jahren eroberte der Ibex 35 zuletzt die 10.000 Punkte wieder. Die Zinserhöhung im Euroraum trieb die Kurse der spanischen Banken. Die Rally vom Jahresende kommt zum Erliegen. Doch die Perspektiven für 2024 werden gut eingeschätzt, auch dank der dynamischen Wirtschaftskonjunktur.

ths Madrid

Die Madrider Börse feierte 2023 das beste Jahr seit 2019. Der Leitindex Ibex 35 stieg um 22,8%, was in Europa nur noch von Mailand übertroffen wurde. Treiber waren die Banken, die von der Zinserhöhung in Europa profitierten, aber auch Inditex, der Moderiese und Schwergewicht im Ibex, und der Baukonzern ACS legten ordentlich zu. Abgesehen von den rasant gestiegenen Leitzinsen in Europa, sprechen Experten von einem Aufholeffekt der spanischen Märkte nach schwachen Vorjahren.

Der Ibex 35 startete bei 9.000 Punkten Ende Oktober eine Rally und kletterte auf 10.300 Punkte, den besten Wert seit Anfang 2020 vor dem Ausbruch der Pandemie. In den letzten Tagen notiert der Leitindex jedoch wieder unterhalb der 10.000 Punkte. Analysten sehen einen Mitnahmeeffekt nach dem guten Vorjahr oder eine „Korrektur der Exzesse“, wie es die spanische Bankinter beschreibt. Doch die Perspektiven der spanischen Aktienmärkte für 2024 sind nach Einschätzung der meisten Fachleute gut.

Bankinter rechnet mit einem Kursgewinn des Ibex 35 von 12% bis 11.317 Punkte zum Jahresende. Zu den Gründen zählen die Analysten die jüngste Verbilligung der spanischen Staatsanleihen wegen des allgemein erwarteten Endes der Zinserhöhungen im Euroraum, was Aktien wieder attraktiver machen würde. Trotz des Aufschwungs in den letzten Monaten hält Bankinter, wie auch andere Häuser, den spanischen Markt weiterhin für günstig. „Unsere individuellen Bewertungen der Unternehmen im Index zeigen ein größeres Wachstum, als im Markt angenommen wird“, heißt es in einem Börsenbericht. Die Kollegen von Renta 4 Banco sehen den Ibex 35 zum Ende des Jahres sogar bei 11.860 Punkten.

Robuste Konjunktur

„Das Ende des Zyklus mit steigenden Zinsen und die vorhersehbare Zinssenkung stärken langfristige Werte, sowohl defensive (erneuerbare Energien, Netze, Versorger) als auch zyklische Werte (Immobilien und Infrastruktur)“, kommentiert David Manso, Leiter der Aktienmarktgeschäfte bei Caixabank Asset Management.

Die spanische Wirtschaft hat die Mehrfachkrisen von Pandemie, Kriegen und Preisexplosion bislang besser gemeistert als andere europäische Nachbarländer. Das Bruttoinlandprodukt legte im vergangenen Jahr geschätzt um 2,4% zu. Auch für 2024 rechnen Volkswirte mit einem Wachstum von gut 1,5%. Besonders der Arbeitsmarkt, der in früheren Krisen stark eingebrochen war, zeigt sich diesmal sehr robust. Das stärkt die Binnennachfrage und hat den Banken nennenswerte Zahlungsausfälle erspart. Zudem hat die Touristenhochburg Spanien 2023 einen neuen Besucherrekord verzeichnet, was die Kurse von Werten aus der Reisebranche wie den Flughafenbetreiber Aena, den Reise-IT-Konzern Amadeus oder die Hotelkette Meliá beflügelte.

Was die spanische Börse attraktiv macht, ist die großzügige Dividendenpolitik der Unternehmen. Nach der Zurückhaltung während der Pandemie und dem russischen Angriff auf die Ukraine, kehrte die Ausschüttung im vergangenen Jahr fast wieder auf das Niveau von 2019 zurück. Die notierten Firmen zahlten insgesamt Dividenden von 30,3 Mrd. Euro, 17% mehr als im Vorjahr. Hinzu kamen mehrere umfangreiche Aktienrückkäufe im letzten Jahr. Mit einer Aktienrendite von 4,1%, nach Zahlen des Börsenbetreibers BME, bekleidet Spanien international einen der führenden Plätze.

Besonders großzügig gegenüber den Anlegern zeigten sich zuletzt die spanischen Banken, nachdem die Europäische Zentralbank die Beschränkungen der Ausschüttung aufhob. Die Finanzinstitute in Spanien profitierten mehr als anderswo in Europa von der Zinswende, da sie ihr Geld vor allem im klassischen Privatkundengeschäft machen. Trotz der Sondersteuer auf Zinsertrag und Provisionen sprudelten die Gewinne.

Ende der Zinskurve

Doch zuletzt erlitten die Aktienkurse der Banken einen Dämpfer. Die Analysten von J.P. Morgan stuften die Kursprognosen für BBVA, Caixabank, Sabadell und Bankinter zurück. Der Anstieg der Zinsen durch die EZB hat nach Einschätzung vieler Experten den Höhepunkt erreicht. „Ich glaube jedoch, dass der Markt die Fähigkeit der spanischen Finanzbranche unterschätzt, auch in einem Umfeld von Zinskürzungen hin zu einem normalen Niveau Renditen über den Kapitalkosten zu erzielen“, meint dagegen Manso von Caixabank AM.

Für eine gewisse Unsicherheit an der Bolsa de Madrid sorgte in den letzten Wochen der Pharmakonzern Grifols. Ein Bericht von Gotham City Research, einem auf Leerverkäufe spezialisierten US-Anleger, über vermeintliche Bilanztricks verursachte einen Einbruch der Aktien von rund 40%. Die spanische Börsenaufsicht CNMV hat Untersuchungen aufgenommen, sowohl in die Bilanzen von Grifols als auch wegen möglicher gezielter Fehlinformationen durch Gotham City.

Im vergangenen April ging ein Schock durch Spaniens Wirtschaftswelt, als der Baukonzern Ferrovial seinen Stammsitz in die Niederlande verlegte. Das Argument des Vorstands war, dass man über ein Listing am Euronext in Amsterdam leichter an die US-Börse gelangen könne. Trotz dieses Schlags für den Standort Madrid hat seitdem kein anderer Konzern Anzeichen gemacht, dem Beispiel von Ferrovial, das weiter im Ibex ist, zu folgen.

Standort verbessern

„In Spanien zu notieren ist exakt so wie anderswo in Europa“, versicherte der Vorsitzende der Wettbewerbsaufsicht CNMC, Rodrigo Buenaventura, vor zwei Wochen den anwesenden ausländischen Investoren auf dem Spain Investors Day in Madrid. Doch scheint es noch Potenzial zur Verbesserung zu geben. Die Betreibergesellschaft der spanischen Börsen BME, die zur Schweizer Six gehört, veröffentlichte vor Tagen eine Blaupause, um den spanischen Aktienmarkt attraktiver zu machen. „Es wurde ein Defizit festgestellt, was die Größe angeht und auch, dass das geltende regulatorische und steuerliche Umfeld in Spanien zum Nachteil seiner Kapitalmärkte gegenüber anderen Ländern im globalen Wettbewerb ist“, heißt es in der Studie von BME.

Mit weniger Bürokratie und Anreizen für Kleinanleger soll auch das Geschäft mit Neuemissionen angekurbelt werden. Letztes Jahr wagten sich in Spanien gerade einmal zehn Unternehmen auf das Parkett im Segment BME Growth. Experten erwarten 2024 eine Wiederbelebung der IPOs. “Die Pipeline sieht gut aus“, erklärt Manso. “Das Problem liegt in den hohen geopolitischen Risiken und Zinsen bei weiterhin 4 bis 5%, sodass wenig zusätzlicher Lärm genügt, um die Kapitalmärkte wieder zu schließen.“