Staatliche Bankia schaltet auf Wachstum um
Von Thilo Schäfer, MadridDie Übernahme von Banco Mare Nostrum (BMN) durch die ebenfalls verstaatlichte Bankia war seit langem erwartet worden. Trotzdem machte der Börsenkurs von Spaniens viertgrößtem Geldinstitut nach Verkündung der Entscheidung am Dienstag einen Sprung und legte im Verlauf der Woche bis Donnerstag um gut 6 % zu. Der Grund war offenbar der für Bankia unerwartet günstige Kaufpreis von 825 Mill. Euro, der durch die Ausgabe neuer Aktien gezahlt wird. Analysten hatten den Wert von BMN zuvor auf 1 Mrd. bis 1,3 Mrd. Euro geschätzt. Der spanische Bankenrettungsfonds Frob, der nach der Fusion weiterhin Großaktionär mit 66,6 % der Anteile ist, hatte Anfang des Jahres die aus drei früheren Sparkassen hervorgegangene Bank privaten Investoren zum Kauf angeboten, mit dem Ziel, den Großteil der Staatshilfen von 1,6 Mrd. Euro für BMN zurückzugewinnen. Doch am Ende gab es nur ein unbefriedigendes Angebot, weshalb der Frob die Fusion anstieß. Durch den Zusammenschluss der beiden letzten Kreditinstitute, die nach der Finanzkrise in öffentlicher Hand verblieben sind, erhofft sich die Regierung höhere Erlöse bei der bevorstehenden Reprivatisierung. Potenzial erhöht”Die Fusion erhöht unser Potenzial zur Wertschöpfung und damit auch die Möglichkeiten, die Staatshilfen zurückzahlen zu können”, sagte der Vorsitzende von Bankia, José Ignacio Goirigolzarri, bei der Präsentation der Operation. Das sehen die Märkte offenbar ähnlich, wie der Anstieg des Börsenkurses auf 4,33 Euro bis Donnerstag zeigt. Fünf Analysten setzten ihre Kursziele auf 4,70 Euro herauf, andere liegen sogar noch ein Stück darüber. Seit Jahresbeginn ist der Bankia-Kurs um 15 % gestiegen und in den letzten zwölf Monaten um fast 70 %. Auch die anderen spanischen Banken haben in letzter Zeit ordentliche Zugewinne verzeichnet, mit Ausnahme von Banco Popular, der Anfang des Monats abgewickelt und an den Branchenprimus Santander verkauft wurde.Bankia, die aus dem Zusammenschluss von sieben Sparkassen entstanden war, musste nach Rekordverlusten 2012 für 22,4 Mrd. Euro vom Staat gerettet werden. Das neue Management um Goirigolzarri schafft es in kurzer Zeit, die Bank zu sanieren und wieder in den schwarzen Bereich zu führen. Im vergangenen Jahr erzielte das Kreditinstitut einen Gewinn von 804 Mill. Euro. Die Übernahme von BMN läute eine neue Ära ein, sagte der Vorsitzende: “Von einer Geschichte der Umstrukturierung gehen wir jetzt zum Wachstum über”.In der Tat macht Bankia einen wichtigen Sprung und stärkt die Position als Nummer 4 in Spanien, hinter Santander, BBVA und Caixabank. Mit den 38 Mrd. Euro von BMN erhöht sich die Bilanzsumme auf 223 Mrd. Euro. Die Kredite steigen um 20 %, die Einlagen um 28 % und die Zahl der Kunden um 26 % auf 8,2 Millionen. Die Analysten und das Bankmanagement verwiesen außerdem auf die Tatsache, dass Bankia in der spanischen Branche den geringsten Anteil riskanter Kredite an Immobilienunternehmen hat, der gerade einmal 1,5 % des Portfolios beträgt.Ein wesentlicher Vorteil der Fusion ist, dass sich beide Banken geografisch sehr gut ergänzen. So ist BMN hauptsächlich in den Mittelmeerregionen – daher der Name Mare Nostrum – tätig, wo die Sparkassen, aus denen das Institut entstanden ist, ansässig waren, nämlich Murcia, Granada und die Balearen. Bankia hat dort dagegen wenig Präsens.Über den Abbau von Stellen und Filialen wollte Goirigolzarri noch nicht spekulieren. Doch erwartet Bankia Synergieeffekte von 155 Mill. Euro ab dem dritten Jahr nach der Fusion. Risiken beim Zusammenschluss werden nicht erwartet, da die beiden Banken mit dem Frob einen gemeinsamen Hauptaktionär haben.Für den Umbau hat die Bank 334 Mill. Euro einkalkuliert. Zusammen mit 1 Mrd. Euro für die Risikovorsorge bei BMN und der Ausgabe neuer Aktien kostet die Übernahme Bankia insgesamt rund 2 Mrd. Euro. Dank eines Kapitalüberschusses kann das verstaatlichte Kreditinstitut die Operation ganz aus eigenen Kräften stemmen und muss dafür nicht den Markt anzapfen. Goirigolzarri verriet, dass man als Alternative für die Verwendung des überschüssigen Kapitals über einen Aktienrückkauf nachgedacht hatte.Dennoch hat die Operation Auswirkungen auf die Kapitaldecke, was von Analysten als eines der wenigen, wenn auch nicht allzu wichtigen Mankos angekreidet wurde. Die harte Eigenkapitalquote CET 1 fully loaded sinkt von 13,4 % Ende März auf 11,5 % und soll bei Vollzug der Fusion Ende des Jahres wieder auf 12 % steigen, was deutlich über dem Branchenschnitt in Spanien liegt.Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S & P) bestätigte nach Ankündigung der Fusion das Rating von “BBB-” mit positivem Ausblick. Die Konjunktur läuft nach wie vor auf vollen Touren, und die meisten Volkswirte erwarten nach einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 3,2 % im Jahr 2016 für dieses Jahr erneut einen Anstieg um die 3 %. Von einem möglichen Anstieg der Zinsen würde Bankia besonders stark profitieren, da gut 80 % ihrer Kredite variable Sätze haben. Reprivatisierung erwartetDie Frage ist nun, wann und wie die geplante Reprivatisierung vonstatten geht. Die Regierung hatte letztes Jahr die Frist für den Verkauf um zwei Jahre verlängert bis Ende 2019. Bankia ist die einzig verbliebene Möglichkeit, mit der der Staat einen Teil der Hilfsgelder wieder hereinholen kann. Die spanische Notenbank berechnete unlängst, dass die Rettung der Finanzbranche den Steuerzahler 60 Mrd. Euro gekostet hat. Goirigolzarri und Wirtschaftsminister Luis de Guindos sagten diese Woche, dass ein Verkauf weiterer Aktien noch in diesem Jahr eine Möglichkeit wäre. Das Problem ist aber, dass der Kurs derzeit weit entfernt ist von dem Stand, zu dem der Staat zuletzt 2014 ein Paket von 7,5 % des Kapitals veräußert hatte. Ein Verkauf unter diesem Wert könnte für die Regierung politisch heikel sein.