GELD ODER BRIEF

Ströer knabbert an Hedgefonds-Attacke

Von Antje Kullrich, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 27.5.2016 Ein Teil der Wegstrecke ist geschafft. Der Werbevermarkter Ströer hat mittlerweile etwa die Hälfte des Kursverlustes vom 20. April wieder wettgemacht. Vor gut einem Monat hatte der...

Ströer knabbert an Hedgefonds-Attacke

Von Antje Kullrich, DüsseldorfEin Teil der Wegstrecke ist geschafft. Der Werbevermarkter Ströer hat mittlerweile etwa die Hälfte des Kursverlustes vom 20. April wieder wettgemacht. Vor gut einem Monat hatte der US-Hedgefonds Muddy Waters den MDax-Konzern attackiert. Der kalifornische Investor Carson Block und sein Team hatten in einem ausführlichen Bericht das Geschäftsmodell des Außen- und Online-Werbers auseinandergenommen, Wachstumskalkulationen in Frage gestellt und die Corporate Governance bei Ströer bemängelt. InteressenkonfliktObwohl Muddy Waters einen klaren Interessenkonflikt offenlegte – der Fonds hatte zuvor eine Short-Position gebildet -, führte die Attacke zu einem Kurssturz. Die Anleger trennten sich reihenweise von den Ströer-Papieren, in der Spitze rutschte die Notierung um 30 % ab. Am Ende des Handelstages war Ströer 530 Mill. Euro weniger wert.”Wirecard 2.0″, schimpften viele in Anspielung auf einen ähnlichen Angriff auf den Zahlungsdienstleister Wirecard zwei Monate zuvor. Die BaFin untersucht beide Vorgänge. Werben um VertrauenStröer hatte unmittelbar nach der Attacke aus Kalifornien eine Reihe von Gegenmaßnahmen ergriffen. In schriftlichen Stellungnahmen und einer kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz wies der Konzern die Vorwürfe von Muddy Waters vehement zurück und drohte rechtliche Schritte an.Tina Ströer, Ehefrau von Gründersohn und Aufsichtsratsmitglied Dirk Ströer, kaufte in den zwei Tagen nach der Attacke börslich und außerbörslich Aktien für knapp 600 000 Euro.Vor allem den schon länger geplanten Capital Market Day in London am 29. April nutzte die Ströer-Führung dann, um um Vertrauen bei den Investoren und Analysten zu werben. Christoph Schlienkamp vom Bankhaus Lampe attestierte dem Vorstand anschließend, dass die Erläuterungen ausführlich gewesen seien. Vorstandschef Udo Müller habe detaillierte Hintergrundinformationen zur Unternehmenssituation 2012 vorgelegt – dem Zeitpunkt, als Ströer ins Digitalgeschäft eingestiegen war. Einstieg mit GeschmäckleDer Aufbau der neuen Sparte hatte damals in den Augen mancher Beobachter ein Geschmäckle gehabt, da der Konzern als Keimzelle drei kleine Unternehmen gekauft hatte, an deren bisheriger Muttergesellschaft Gründersohn Dirk Ströer und Vorstandschef Udo Müller mehrheitlich beteiligt waren. Steiler WachstumskursDie Ströer-Führung kündigte als Reaktion auf die Attacke noch mehr an: Ein Aktienrückkauf sei eine Option, hieß es, ohne dass bislang weitere konkrete Pläne gefolgt wären. Als vertrauensbildende Maßnahme darf gewertet werden, dass die Kölner ihren Wirtschaftprüfer Ernst & Young noch einmal verschärft auf die eigenen Zahlen gucken lassen wollen.Den letztlich positivsten Kurseffekt hatte jedoch die Veröffentlichung des Zwischenberichts, der den eingeschlagenen Wachstumspfad bei Umsatz und Ergebnis eindrücklich bestätigte. Analysten positiv gestimmtIn den vergangenen Jahren ist es mit dem ehemals reinen Außenwerber steil bergauf gegangen. Nachdem das frühere Familienunternehmen im Juli 2010 zum Preis von 20 Euro unter Führung von J.P. Morgan und Morgan Stanley an die Börse gegangen war, folgten zunächst drei Verlustjahre, die vom Abbau des hohen Schuldenstands geprägt waren.Seit 2013 schreibt Ströer schwarze Zahlen und hat seitdem Umsatz und Jahresüberschuss mit beachtlichen Wachstumsraten gesteigert Auch in diesem Jahr rechnet das MDax-Unternehmen, das aktuell mit 2,7 Mrd. Euro bewertet wird, wieder mit einem nominal deutlich zweistelligen prozentualen Schub bei Umsatz und Ergebnis. Hier wirkt sich unter anderem die aufsehenerregende Akquisition von T-Online und des digitalen Werbevermarkters Interactive Media im Sommer 2015 positiv aus.Die Analysten sind sich weitgehend einig: Ströer ist auf dem gegenwärtigen Kursniveau für sie ein Kauf. Die in den aktuellen Berichten veröffentlichten Kursziele bewegen sich zwischen 62 und 80 Euro.Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt aktuell zwischen 17 und 18, die Dividendenrendite beläuft sich – basierend auf dem Vorschlag von 0,70 Euro für das vergangene Jahr – auf rund 1,4 %. Irritierende KommunikationOb Ströer die latenten Kommunikationsprobleme der Vergangenheit beheben kann, bleibt abzuwarten. Sie haben dazu beigetragen, dass Ströer in Sachen Corporate Governance nicht immer die beste Figur machte. Mitte 2012 hatte Dirk Ströer mitten im Kurstief ein Aktienpaket von 3,1 % verkauft, das als private Transaktion deklariert war und für Verunsicherung sorgte. In den vergangenen beiden Jahren überraschte der Werbevermarkter mit Volten bei der Dividende. Nachdem für 2013 zunächst keine Ausschüttung geplant gewesen war und Konzernchef Müller das auch noch weit ins Frühjahr 2014 hinein propagiert hatte, zahlte Ströer letztlich doch – erstmals – zehn Cent an die Anteilseigner. Auch in diesem Jahr gab es mehr als zunächst kommuniziert. Ende Februar hatte der Vorstand noch 0,60 Euro in Aussicht gestellt und dann vier Wochen später auf 0,70 Euro erhöht. Ein bisschen irritierend wirkt diese Ankündigungspolitik dann doch.