Kryptowährungen

„Strom­verbrauch sollte neutral betrachtet werden“

Blockchain-Forscher Philipp Sandner hat den Stromverbrauch von Bitcoin untersucht. Für die Bewertung von Emissionen sei entscheidend, was ein Investor oder Unternehmen mit der Kryptowährung anfange.

„Strom­verbrauch sollte neutral betrachtet werden“

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Eine kontroverse Diskussion beschäftigt die Kryptowelt seit Monaten – in ihrem Mittelpunkt steht der Energieverbrauch von Bitcoin. Die Cyberdevise gilt als Stromfresser, was institutionelle Investoren abschreckt. So hatte Tesla-Chef Elon Musk der Digitalwährung im Mai mit Verweis auf Umweltbedenken den Rücken gekehrt. Spätestens seitdem stellt sich für Marktteilnehmer die Frage, ob Bitcoin, per Protokoll auf den ex­trem rechenintensiven Proof-of-Work-Konsensmechanismus festgelegt, angesichts des Nachhaltigkeitstrends überhaupt jemals der Sprung in den Mainstream gelingen kann.

Quelle entscheidend

Das Blockchain Center der Frankfurt School of Finance hat den Stromverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Bitcoin nun genauer untersucht. „Stromverbrauch sollte erst einmal neutral betrachtet werden, sonst müssten auch Videospiele oder Streamingdienste wie Netflix geächtet werden“, sagt Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center. Es komme darauf an, aus welchen Quellen die Energie stamme.

Den Berechnungen von Sandner und seinen Kollegen liegen Daten des Cambridge Center for Alternative Finance zugrunde, das den Bit­coin Electricity Consumption Index erstellt. Dieser zeigt auch, dass der monatliche Verbrauch mit dem Kurs der Cyberdevise steigt und im Mai zum Ende einer monatelangen Rally einen historischen Höchstwert erreichte. Nach einem Rückgang, den Beobachter auf die Verbannung von Krypto-Mining aus China zurückführen, hat der Energiekonsum angesichts der rekordhohen Kursniveaus zuletzt wieder kräftig angezogen. Denn je höher Bitcoin notiert, desto attraktiver ist auch die Tätigkeit der Miner, die neue Einheiten der Digitalwährung schürfen.

Die Frankfurter Forscher haben anhand von IP-Adressen versucht, den Standort der Mining-Anlagen zu bestimmen und zu ermitteln, welcher Anteil des Energiekonsums auf einzelne Länder entfällt. Die Kalkulationen bezüglich der Emissionen beruhen wiederum auf der Annahme, dass der vom Bitcoin-Netzwerk genutzte Strommix dem Energieprofil des jeweiligen Landes entspricht.

Somit kommt das Blockchain Center zu dem Ergebnis, dass der Betrieb des Bitcoin-Netzwerks zwischen dem 1. September 2020 und 31. August 2021 knapp 91 Terawattstunden bzw. nahezu 38 Megatonnen CO2-Äquivalent beanspruchte. Aktuelle Schätzungen verorteten den Footprint der gesamten Welt auf fast 45874 Megatonnen CO2-Äquivalent, womit Bitcoin auf einen Anteil von 0,08% am globalen Ausstoß käme.

Die Forscher räumen aber ein, dass Miner unter Pseudonymen operieren und nicht klar ist, wie fortschrittlich die jeweils genutzte Hardware ist. Deshalb schwankten Schätzungen zum Stromverbrauch auch extrem. Sandner hofft nun, dass die Transparenz durch Initiativen wie das Bitcoin Mining Council und die voranschreitende Regulierung steigt.

Indes basierten laut aktuellen Studien heute 56% des globalen Minings auf nachhaltigen Quellen. „Hypothetisch könnte Bitcoin zu 100% über CO2-neutrale Energien geschürft werden“, heißt es von den Forschern. Allerdings sei dies nicht der Fall, da die Miner ihre Profitabilität zu optimieren suchten.

Nach dem Verursacherprinzip müssten die Miner zwar eigentlich dafür aufkommen, den Kohlendioxid-Ausstoß auszugleichen. In der Realität sei dies aber nicht umsetzbar und auch keine gerechte Lösung. Denn die Miner seien für den Betrieb des Bitcoin-Netzwerks und damit auch für die positive Kursentwicklung elementar – daher profitiere jeder, der in die Kryptowährung investiere, von ihrer Tätigkeit.

Geschäftsmodelle wichtig

Die Verantwortung der Parteien im Bitcoin-Ökosystem für den Treibhausgasausstoß sei also proportional zu ermitteln. Dabei sei wichtig, ob das jeweilige Geschäftsmodell darauf ausgelegt sei, Bitcoin zu halten oder ob es das Netzwerk nutze, um Transaktionen abzuwickeln. Einen Bitcoin über ein Jahr zu halten generiere 2,04 Tonnen CO2-Äquivalent. Durch Abwicklung einer Bit­coin-Transaktion entstünden indes 369,49 Kilogramm CO2-Äquivalent.

Folglich unterscheide sich die Emissionsbilanz eines Kryptoverwahrers stark von der einer Handelsplattform. Für beide ließen sich somit aber die Kompensationskosten für ihren Ausstoß berechnen. Eine Tonne CO2-Äquivalent auszugleichen koste derzeit 50 Dollar – wer eine Bitcoin-Einheit ein Jahr lang halte, müsse also 102,20 Dollar bezahlen. Die Kosten für eine Transaktion lägen bei 18,47 Dollar.

„Bei der Diskussion über Nachhaltigkeit sollte aber auch nicht untergehen, dass Bitcoin durchaus einen sozialen Nutzen schafft“, betont Sandner. In El Salvador erhielten durch die Einführung der Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel Hunderttausende Menschen eine Anbindung an ein funktionierendes Finanzsystem, wo vorher keines vorhanden gewesen sei.