Telefónica arbeitet Schuldenberg ab
Von Thilo Schäfer, MadridAuf seiner ersten Bilanzpresskonferenz Ende Februar unterstrich der neue CEO von Telefónica, José María Alvarez-Pallete, sein Engagement für das Unternehmen, für das er seit fast 20 Jahren arbeitet: “Ich habe einen wesentlichen Teil meines Vermögens in Telefónica-Aktien investiert.” Bereut hat dies der Spanier, der im April den langjährigen Vorsitzenden César Alierta beerbte, sicherlich nicht. Seit Jahresbeginn ist der Kurs um 16 % auf 10,40 Euro geklettert – deutlich mehr als der Leitindex Ibex 35 – und damit aus einem langen Dornröschenschlaf erwacht. Zuletzt lag der Kurs im Dezember 2015 über 10 Euro. Lange Zeit war das Papier des Telekommunikationskonzerns für die Anleger wegen der Probleme auf dem spanischen Heimatmarkt und in Brasilien, wegen des Brexit und der hohen Verschuldung wenig attraktiv. Blatt wendet sichDoch das Blatt hat sich gewendet. Im vergangenen Jahr verzeichnete Telefónica ein Wachstum bei Umsatz und Betriebsergebnis (Operating Income before Depreciation and Amortization, Oibda), das sich im Schlussquartal beschleunigte. In Spanien, dem wichtigsten Markt des Unternehmens, wurde zum Jahresende ebenfalls die Wende geschafft, und der Umsatz legte wieder zu. Telefónica profitiert nun von den hohen Investitionen in den Ausbau der schnellen Glasfasernetze und in Inhalte wie Fußball oder Serien. Die Strategie des Konzerns basiert zunehmend auf einem Gesamtpaket, das den Kunden Mobiltelefon, Festnetz, Internet und Zugang zu den eigenen Plattformen bietet, wo diese Inhalte abgerufen werden können.Telefónica erwartet für das laufende Geschäftsjahr eine weitere Verbesserung der Margen. Die Investitionen werden verringert, die negativen Einflüsse der Wechselkurse in Lateinamerika nehmen ab, und die Einsparungen und Synergieeffekte kommen zum Tragen. In diesem Jahr soll der Umsatz auf den 52 Mrd. Euro von 2016 verharren, obwohl die Auswirkungen neuer Regulierung in den europäischen Märkten das Wachstum mit etwa 1,2 Prozentpunkten belasten werden, wie der Konzern erklärte. Trotz dieses vorsichtigen Ausblicks legte die Aktie in den vergangenen Wochen zu. Dies nutzen die Spanier dazu, ihren Anteil an der Deutschland-Tochter um 6 % auf nun 69,2 % zu erhöhen. “Dies wird die Nettoverschuldung leicht verbessern, da die Dividendenrendite von Telefónica Deutschland höher ist als die von Telefónica”, meinen dazu die Analysten von Citi.Der hohe Schuldenberg ist und bleibt das große Problem der Spanier. Im Mai letzten Jahres verbot die Europäische Kommission den Verkauf der Großbritannien-Tochter O2 an Hutchison Whampoa aus Singapur aus Wettbewerbsgründen. Im September musste dann der bereits angelaufene Börsengang von Telxius, in der die Telefonmasten und Unterseekabel gebündelt wurden, mangels Interesse der Märkte abgeblasen werden. Die Ratingagenturen Moody’s und Fitch stuften Telefónica im Herbst auf die untere Investment-Grade-Stufe herab, da sie am Schuldenabbau zweifelten. Alvarez-Pallete fasste eine mutige Entscheidung und kürzte die Dividende für 2016 von 0,75 Euro auf 0,55 und auf 0,40 für dieses Jahr. Zur Reduzierung der Verbindlichkeiten wurden nichtstrategische Aktiva verkauft, wie ein Fernsehsender in Argentinien oder ein Anteil an China Unicom. Im Februar konnte letztlich ein 40 %-Anteil an Telxius an den US-Fonds KKR veräußert werden. Damit sank der Schuldenberg auf nun 47,3 Mrd. Euro. Im Juni waren es noch 52,2 Mrd. Euro.Weitere Verkäufe schloss Finanzvorstand Angel Vila auf der Bilanzpressekonferenz nicht aus, jedoch nur “wenn es strategischen Sinn macht und der Preis stimmt”. Das gilt vor allem für O2. Telefónica hält sich für die britische Tochter alle Optionen offen: ein Börsengang, der Verkauf an einen Großinvestor und auch, das Unternehmen zu behalten. Aufgrund der Unsicherheiten wegen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union rechnen Analysten jedoch nicht damit, dass Telefónica in naher Zukunft bezüglich O2 aktiv wird.Daher will der Vorstand die Schulden vornehmlich durch das organische Wachstum und den höheren Cash-flow reduzieren. Nach den massiven Investitionen verfügt Telefónica nun über eine äußerst wettbewerbsfähige Infrastruktur, über die der Erlös pro Kunde erhöht werden soll, vor allem über die Nutzung von Daten. Auch die vorgenommenen Einsparungen werden sich nun bezahlt machen. Die Synergieeffekte der Fusion von O2 mit E-Plus in Deutschland wurden vor kurzem höher bewertet als bisher. In Spanien läuft ein Programm zum freiwilligen Stellenabbau, und das üppige Werbebudget wurde gestutzt. Schließlich sinken die Finanzierungskosten des Schuldenbergs dank der Niedrigzinsen und der Umstrukturierung der Verbindlichkeiten. Letzte Woche brachte Telefónica Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von 30 Jahren für 2 Mrd. Dollar an den Mann. Im Januar hatte der Konzern Anleihen im Wert von 1,75 Mrd. Euro abgesetzt und damit höher verzinste Verbindlichkeiten ersetzt.Die Analysten der Deutschen Bank zeigen sich zuversichtlich, dass Telefónica dank des besser laufenden Geschäfts die Schulden kontinuierlich senken kann. “Es ist unwahrscheinlich, dass Telefónica ihr Investment Grade verliert”, so die Experten. Die Deutsche Bank hob ihr mittelfristiges Kursziel deutlich von zuvor 8,50 Euro auf nun 11,40 Euro an und liegt damit am oberen Rand der Prognosen. Die derzeitige Marktkapitalisierung von Telefónica im Verhältnis zum Buchwert liegt nach Einschätzung dieser Experten unter dem Durchschnitt der Branche. Auch andere Analysten sind nach der Vorlage der Jahresbilanz optimistischer. J.P. Morgan, Bank of America Merrill Lynch und Independent Research sehen die Aktie mittelfristig ebenfalls bei über 10 Euro, während Barclays, Goldman Sachs oder HSBC den Kurs darunter ansiedeln. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten liegt laut Reuters bei 9,87 Euro. Demnach empfehlen nun 19 Häuser den Kauf der Aktie, 12 raten zum Halten und nur drei zum Verkauf.