Tiefe Zweifel an Frankreichs Börse

Aktienstrategen sehen geringe Reformkraft des Landes mit Sorge - Wirtschaft könnte 2013 schrumpfen

Tiefe Zweifel an Frankreichs Börse

Frankreichs Aktienmarkt hat die Herabstufung des Landes durch die Ratingagentur Moody’s im November bislang recht gut verarbeitet. Zu den Perspektiven im neuen Jahr äußern sich Anlagestrategen allerdings mit einiger Sorge. Dies liegt nicht zuletzt an der bislang recht geringen Reformkraft des Landes.Von Gesche Wüpper, Paris Nachdem Moody’s Frankreich Mitte November als zweite große Ratingagentur nach Standard & Poor’s die Top-Bonitätsnote “AAA” entzogen hat und die dritte große Agentur Fitch bereits droht, sie werde im kommenden Jahr nachziehen, blicken Investoren mit Sorge nach Frankreich. Denn nach Ansicht der Bonitätswächter muss die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone schleunigst strukturelle Reformen in Angriff nehmen.Bisher zeigen sich die Märkte davon allerdings relativ unbeeindruckt. Nach Ansicht der meisten Analysten dürfte sich die Entwicklung nicht oder nur kaum auf die Renditen für französische Staatsanleihen auswirken; gewissermaßen zum Beweis dieser These fiel die Rendite der zehnjährigen Papiere am Mittwoch auf ein Rekordtief von 1,993 %. Und auch der Leitaktienindex CAC 40 reagierte kaum. Seit Bekanntgabe der Herabstufung durch Moody’s legte er sogar um rund 150 Punkte auf 3 591 Punkte zu.Dennoch sollten Anleger nach Ansicht von Analysten in Bezug auf den französischen Aktienmarkt vorsichtig sein. So stufen die Anlagestrategen von Credit Suisse Frankreich aktuell mit “Unterbewerten” ein. Sorgen bereitet ihnen vor allem die Tatsache, dass das Land stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat und in einem globalen Ranking auf Platz 21 abgerutscht ist. Zudem sei in Frankreich weniger Reformbereitschaft zu erkennen als in Nachbarländern. Anleger sollten deshalb in den kommenden Monaten genau beobachten, wie die Regierung mit der geplanten Reform des Arbeitsmarktes vorankommt. “Das reicht nicht aus””Wir haben Zweifel an Frankreich”, sagt auch Sylvain Goyon, Analyst von Natixis. Ohne starke strukturelle Reformen bestehe das Risiko, dass sich der französische Aktienmarkt im kommenden Jahr rückläufig entwickele – im Kontrast dazu fallen die Prognosen für den deutschen Leitindex Dax, der 2012 schon um rund 25 % gestiegen ist, zurzeit überwiegend positiv aus. Die Anfang November von der sozialistischen Regierung vorgestellten Maßnahmen gingen zwar in die richtige Richtung. “Doch das reicht nicht aus”, sagt Goyon.Das Sentiment trüben vor allem die schwachen Wachstumsperspektiven. So fürchten die Ökonomen von Natixis, dass sich das Haushaltsgesetz 2013 negativ auf das französische Bruttoinlandsprodukt auswirken wird, denn die Regierung setzt bei der Defizitbekämpfung bisher vor allem auf Steuererhöhungen, die sowohl Unternehmen als auch Haushalte belasten dürften. Natixis erwartet deshalb, dass sich der private Konsum – der traditionell größte Wirtschaftsmotor – abschwächen wird. Als Folge davon dürfte Frankreichs Wirtschaft 2013 um 0,4 % schrumpfen. Doch nicht alle Branchen dürften davon in gleichem Maße betroffen sein, sagt Natixis-Analyst Goyon.Für den Fall, dass die Herabstufung Frankreichs am Credit-Markt kritisch gesehen wird und die Kreditausfallversicherung teurer wird, hat Natixis nun eine Liste mit Unternehmen erstellt, die Anleger meiden sollten. Darauf finden sich beispielsweise der Flughafenbetreiber Aéroports de Paris (ADP), die Fluggesellschaft Air France-KLM, der Atomkonzern Areva, die drei Großbanken Crédit Agricole, BNP Paribas und Société Générale, der Versorger EDF, die Umweltdienstleister Veolia Environnement und Suez Environnement, die Versicherer Axa und CNP Assurances sowie der Autobauer Renault. Zu den Papieren, die am wenigsten unter einer Verteuerung französischer Credit Default Swaps leiden dürften, gehören die Luxusgüterkonzerne LVMH und PPR, der Pharmariese Sanofi, der Flugzeugbau- und Rüstungskonzern EADS, der Brillenglasspezialist Essilor, der Spirituosenkonzern Pernod Ricard und der Öldienstleister Technip.Davon abgesehen dürften einige Branchen wie die Nahrungsmittelindustrie, der Lebensmitteleinzelhandel, der Immobiliensektor, Telekommunikationsunternehmen und, wenn auch in geringerem Maße, Fernsehsender unter dem erwarteten Rückgang des Konsums französischer Haushalte leiden. Bei Unternehmen aus diesen Sektoren ist deshalb ebenfalls Vorsicht angebracht. Vorsicht bei ZyklikernUnter Berücksichtigung der Anfälligkeit bei einem CDS-Anstieg und einem Rückgang des Konsums erwarten die Analysten von Natixis, dass sieben an der Börse von Paris notierte Unternehmen am stärksten leiden könnten, wenn die makroökonomischen Prognosen der Volkswirte zutreffen: Dazu gehören ADP, Air France-KLM, Axa, CNP Assurances, Crédit Agricole, Société Générale und TF1.