Französische Präsidentschaftswahlen

Unterschätztes Risiko Le Pen

Investoren blicken derzeit gelassen auf die französischen Präsidentschaftswahlen. Doch Analysten warnen vor den Gefahren eines möglichen Wahlsiegs der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen.

Unterschätztes Risiko Le Pen

Von Gesche Wüpper, Paris

Normalerweise sorgen sie für Spannungen an den Finanzmärkten. Doch dieses Mal scheinen Investoren dem Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich wesentlich gelassener entgegenzublicken als vor fünf Jahren. Wie damals stehen sich Amtsinhaber Emmanuel Macron und Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National (RN) Sonntag in der Stichwahl gegenüber. Im Gegensatz zu 2017 sei der Ausgang der Wahl deutlich unsicherer, urteilen die Experten von Natixis. Im Vergleich zu damals scheine die Risikoprämie der französischen Politik jedoch von Investoren sehr wenig integriert worden zu sein.

Die Präsidentschaftswahlen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone seien für Investoren ein Nicht-Ereignis, sagte Ökonom Christopher Dembik von Saxo Bank nur wenige Tage vor der ersten Wahlrunde. Vor fünf Jahren hätten sich zahlreiche ausländische Investoren zur selben Zeit panisch nach den Auswirkungen erkundigt. Dieses Jahr dagegen habe Saxo Bank kaum eine Frage zu den Wahlen bekommen. Natixis macht dieses gesunkene Interesse auch an der Zahl der von Bloomberg veröffentlichten Artikel über die populistischen Präsidentschaftskandidaten fest. Das erkläre sich möglicherweise durch die vor fünf Jahren vorhandene Furcht vor einem Frexit, heißt es bei den Experten der Investmentbank.

Auch der Spread zwischen französischen OAT-Anleihen und deutschen Bundesanleihen ist diesmal nicht so groß wie 2017. „Der große Unterschied diesmal ist, dass Le Pen ihre gegen die EU und gegen den Euro gerichtete Rhetorik verwässert hat“, erklärt Mike Riddell von Allianz Global Investors. Auch wenn Le Pen den Austritt aus der Gemeinschaftswährung aus ihrem Wahlprogramm gestrichen habe, würden ihre Wahlkampfversprechen verdeckt dahin führen – mit dem Risiko, die wirtschaftliche Situation Frankreichs zu schwächen, warnt Jean-François Robin von Natixis.

Schock für die Sicherheit

Ein Wahlsieg der rechtsextremen Kandidatin wäre nicht nur für Europa, sondern auch für die Sicherheit und die diplomatische Position Frankreichs ein Schock, da die Herausforderin aus der integrierten Kommandostruktur der Nato austreten will und für eine Annäherung des Militärbündnisses mit Russland nach einem Ende des Ukraine-Kriegs eintritt. Die öffentlichen Finanzen würden sich bei ihrem Wahlsieg laut Robin deutlich verschlechtern und das Misstrauen wirtschaftlicher Akteure und Investoren würde erheblich steigen.

Bei einem Sieg von Le Pen könnte es zu einer Ausweitung der Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen kommen, sagt Jean-Marie Mercadal, Head of Investment Strategies bei OFI Asset Management. Der französische Leitindex CAC 40 könnte nachgeben und der Euro gegenüber dem US-Dollar abwerten. „Ein Sieg von Marine Le Pen würde auch die Volatilität von französischen Staatsanleihen und Staatsanleihen von Peripherieländern wie Italien in die Höhe treiben“, erklärt Benjamin Melman, der Leiter der Investmentstrategie von Edmond de Rothschild Asset Management. „Die Prämien für deutsche Bundesanleihen würden weiter steigen, bis das Risiko einer Lähmung nachlässt.“

Kooperationen in Gefahr

Laut der letzten von „Les Echos“ und „Radio Classique“ veröffentlichten Umfrage kann Macron Sonntag auf 56% der Stimmen hoffen. Als sein Vorsprung Anfang April in Umfragen geschrumpft war, gerieten Infrastrukturkonzerne wie Vinci und Eiffage an der Börse unter Druck, da Le Pen Autobahnen wieder verstaatlichen will. Sie will auch deutsch-französische Rüstungskooperationen wie das geplante Kampfjetsystem FCAS (Future Combat Air System) oder einen neuen Kampfpanzer beenden. An ihnen sind Konzerne wie Airbus, Dassault Aviation und Safran beteiligt. Le Pen verspricht auch, die Umsatzsteuer auf Energie und Treibstoff auf 5,5% zu senken, Subventionen für Solar- und Windkraft zu streichen und Windkraftanlagen wieder abzubauen.

Energie als Macron-Profiteur

Auf einen Sieg Macrons dagegen würden Investoren mit Gelassenheit reagieren, da seine erste Amtszeit positiv für französische Aktien gewesen sei, sagt Hywel Franklin von Mirabaud Asset Management. Sie hätten sich seit seinem Amtsantritt besser als die meisten ihrer europäischen Pendants entwickelt. „Bei einem Sieg Macrons erwarten wir, dass Marktsegmente wie Energie und mit der Energiewende verknüpfte Unternehmen sowie Rohstoffe, Rüstung und Finanzdienstleister profitieren würden“, sagt Lale Akoner, Senior Market Strategist bei BNY Mellon Investment Management. Im Vergleich zu anderen Ländern leide Frankreich aufgrund des hohen Atomstromanteils derzeit weniger stark unter Öl- und Gaspreissteigerungen. Ein Wahlsieg am Sonntag allein wird jedoch nicht ausreichen. Beobachter zweifeln daran, dass Macrons Partei La République en marche bei den Parlamentswahlen im Juni auf eine deutliche Mehrheit kommen wird.

Bericht Seite 6

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