Vertrauen der Investoren in französische Staatsanleihen schwindet
Vertrauen der Investoren in Frankreich schwindet
Renditen französischer und italienischer Staatsanleihen nähern sich immer stärker an – Investoren empfinden Frankreich inzwischen als riskanter
Seit den überraschenden Neuwahlen im letzten Jahr steht Frankreich für politische Instabilität. Dazu kommen die hohe Staatsverschuldung und das hohe Defizit. All das spiegelt sich in den steigenden Renditen für zehnjährige französische Staatsanleihen wieder. Der Abstand zu italienischen könnte bald verschwinden.
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von Gesche Wüpper, Paris
Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein – die Kurven bewegen sich immer mehr aufeinander zu. Der Abstand zwischen den Renditen französischer und italienischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit hat bereits vor drei Jahren begonnen, sich zu verringern. Doch die Tendenz hat sich innerhalb der letzten zwölf Monate beschleunigt. Inzwischen ist der Abstand sogar fast verschwunden. So ist der Spread zwischen Frankreich und Italien auf 0,13 Prozentpunkte geschrumpft. Die Rendite für die französischen Obligations Assimilables du Trésor (OAT) betrug zuletzt 3,48%, die für die Buoni Poliennali del Tesoro (BTP) 3,62%.
Umkehrung der Vorzeichen
Dabei galten französische Staatsanleihen nach den deutschen als relativ sicher, italienische dagegen als riskant. 2012 während der Eurokrise hatte sich der Abstand zwischen beiden auf mehr als 400 Basispunkte erhöht. Inzwischen haben sich jedoch die Vorzeichen geändert. Spätestens seit den von Präsident Emmanuel Macron letztes Jahr überraschend angesetzten Neuwahlen haben Investoren umgedacht.
War Italien früher für häufige Regierungswechsel bekannt, gilt es seit dem Amtsantritt von Premierministerin Giorgia Meloni als relativ stabil. Dagegen steht Frankreich mit seinen Minderheitsregierungen seit letztem Jahr für politische Ungewissheit. Schlimmer noch: Der Sturz der Regierung von Michel Barnier über einen Misstrauensantrag zum Haushaltsentwurf hat Anlegern vor Augen geführt, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone Defizit und Verschuldung nicht in den Griff bekommt.
Fankreichs Manko
„Galt Italien in der Haushaltspolitik einst als schlechter Schüler der Europäischen Union, ist es jetzt in der Lage, Frankreich Lektionen zu erteilen“, meint Ökonom Philippe Crevel. Während es Meloni gelungen ist, das Defizit 2024 von zuvor 7,2% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 3,4% zu senken, ist Frankreichs Defizit letztes Jahr von 5,4% auf 5,8% gestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich auch die Staatsverschuldung Frankreichs auf rund 113% des BIP, während sich Italiens Schulden von fast 160% vor vier Jahren auf zuletzt 135% verringerten.

Es sind vor allem die hohe Staatsverschuldung und das Defizit, die die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen nach oben getrieben haben. Italienische Staatsanleihen gälten heute als weniger riskant als französische, sagt Pictet-Investmentstratege Christopher Dembik. „Aus dem einfachen Grund, weil die Regierung Meloni Anstrengungen unternommen hat, um das Defizit zu senken.“
Bei fünfjährigen Staatsanleihen muss Frankreich schon seit einiger Zeit mehr Zinsen als Italien zahlen. Auch andere einst als riskant geltende Länder aus Südeuropa, die sogenannten Club-Med-Staaten, haben dank einer strengen Haushaltspolitik das Vertrauen der Investoren zurückgewonnen. Deshalb sind die Risikoaufschläge für langfristige Staatsanleihen aus Griechenland, Portugal und Spanien inzwischen niedriger als die Frankreichs.
Drohen Abstufung
Die Renditen für zehnjährige französische OATs dürften ebenfalls schon bald die italienischer Staatsanleihen übersteigen, meint Ökonom Andrew Kenningham von Capital Markets. Laut Bloomberg wäre es dann das erste Mal seit 1998, dass sich die Renditen der Staatsanleihen beider Länder im Einklang entwickeln. Die Experten von Commerzbank und Nomura denken ähnlich wie Kenningham.

Sollte Fitch am 12. September Frankreichs Kreditwürdigkeitsnote abstufen und damit Moody's folgen, steigt die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario – zumal Italien auch bei den Ratingagenturen inzwischen wieder an Glaubwürdigkeit gewonnen hat. Neue Misstrauensanträge gegen die Regierung in Paris wegen des Haushaltsentwurfs 2026 und erwartete Proteste nach der Sommerpause könnten die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen weiter nach oben treiben.
Wettbewerb mit Deutschland
„Die Situation kann sich nur verschlechtern“, meint Pictet-Investmentstratege Dembik zu der Entwicklung der Renditen französischer Staatsanleihen. Nächstes Jahr müsse Frankreich Schuldanleihen über 310 Mrd. Euro emittieren, wenn man den Vorhersagen der Regierung von Premierminister François Bayrou Glauben schenke. „Das ist enorm“, findet Dembik. Vor allem, wenn man bedenke, dass Frankreich bei dem Versuch, ausländische Käufer dafür zu finden, im Wettbewerb mit anderen europäischen Ländern stehe.
„Lange Zeit sind Investoren auf französische Verbindlichkeiten ausgewichen, weil sich Deutschland, das als zuverlässigster Emittent der Eurozone gilt, wenig verschuldet hat“, erklärt der Pictet-Experte. Das werde sich jedoch nächstes Jahr ändern, weil die Emmissionen deutscher Schuldtitel 330 Mrd. Euro betragen dürften. Deshalb werde sich Frankreich 2026 in einer nie gekannten Situation wiederfinden. „Die Schuldtitel werden mit denen Deutschlands und Italiens konkurrieren. Da Investoren eher diese beiden Länder bevorzugen werden, werden die Zinssätze unaufhaltsam weiter steigen.“
Befürchtetes Szenario
Alle wüssten, dass die von François Bayrous Regierung vorgeschlagenen haushaltspolitischen Anpassungen nicht ausreichend seien, meint Dembik. „Das ist der perfekte Cocktail für eine Krise oder bestenfalls eines langsamen Strömungsabrisses Frankreichs.“ Deshalb fürchte Pictet ein Szenario für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, das der Griechenland-Krise 2009 ähnele – auch wenn sich die Situation Frankreichs von der Griechenlands damals unterscheide. Denn in Frankreich gebe es keine Manipulierung öffentlicher Haushalte und die Ratingagenturen hätten noch immer Vertrauen in Frankreich, auch wenn sie die Kreditwürdigkeitsnote abstufen würden. Es könnte jedoch ein langsamer Niedergang drohen, bei dem die Bevölkerung verarme, weil Frankreich die Abgaben immer weiter erhöhe, um seine Schulden zu bezahlen.
Viele ausländische Investoren
Die Frage ist nun, wie insbesondere die ausländischen Investoren darauf reagieren, wenn die Haushaltsdebatte in Frankreich nach der Sommerpause wirklich beginnt. Nach Angaben von Oddo BHF befinden sich rund 55% der französischen Schuldtitel in Besitz ausländischer Investoren, nur rund 26% in Händen heimischer Anleger, der Rest liegt bei der Zentralbank. Laut Barclays haben japanische Investoren letztes Jahr wegen der zunehmenden politischen Ungewissheit bereits für 30 Mrd. Euro französische Staatsanleihen verkauft.