„Viele Investoren betrachten die Situation als Einstiegsgelegenheit“
„Nicht mit Griechenland vergleichbar“
Investoren reagieren gelassen auf die Abwertung der französischen Kreditwürdigkeit – CAC 40 hoch, Renditen runter
wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris
Die Herabstufung Frankreichs durch Fitch war erwartet worden. Entsprechend hält sich die Marktreaktion bei französischen Staatsanleihen in Grenzen. Einige Investoren sehen jetzt sogar eine Gelegenheit, bei französische Anleihen einzusteigen. Denn die Situation sei anders als damals bei Griechenland.
Es ist ein Einschnitt. Und doch haben die Märkte gelassen auf die Abstufung Frankreichs durch Fitch reagiert. Am ersten Handelstag nach der Entscheidung der Ratingagentur, die die Kreditwürdigkeitsnote der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone in der Nacht zu Samstag von AA- auf A+ herabgesetzt hat, legte der CAC 40 Montag sogar zu. Die Renditen zehnjähriger französischer Obligations Assimilables du Trésor (OAT) wiederum verringerten sich so wie die der Bundesanleihen leicht auf 3,486.

Frankreichs Fähigkeit, seine Schulden zu refinanzieren, stehe trotz der Fitch-Abwertung derzeit nicht in Frage, meint der Chefstratege von Natixis Investment Managers, Mabrouk Chetouane. „Viele Investoren betrachten die Situation sogar als Einstiegsgelegenheit.“ Oft würden Ratingagenturen eher im Nachhinein agieren und damit die Lage womöglich sogar noch verschärfen, findet er. Auch wenn 50% französischer Schulden in Händen ausländischer Investoren sei, dürfe die externe Verletzlichkeit jetzt nicht übertrieben werden, mahnt Bruno Cavalier von Oddo BHF. Die Situation Frankreichs sei nicht mit der einiger Randländer wie Griechenland während der Staatsschuldenkrise zu vergleichen. „Frankreich ist keiner Zahlungsbilanzkrise ausgesetzt.“
Ratingagenturen hinken hinterher
„Die von der Agentur Fitch vorgenommene Anpassung wird keine großen Auswirkungen auf den Markt haben, da der Zins auf französische Staatsanleihen bereits höher war als der, der normalerweise der früheren Bewertung von AA- entspricht“, meint denn auch Philippe Waechter, der Direktor der Wirtschaftsforschung von Ostrum Asset Management. „Die Ratingagenturen hinken etwas hinterher.“
Fitch hat die Abstufung mit der hohen, weiter steigenden Verschuldung des Landes, dem hohen Defizit und den zersplitterten Mehrheitsverhältnissen in der Nationalversammlung begründet, die eine haushaltspolitische Konsolidierung behindern. Die Ratingagentur geht davon aus, dass die Schuldenquote von 113,2% des Bruttoinlandprodukts (BIP) im letzten Jahr bis 2027 auf 121% ansteigen wird. „Die Schuldenquote 2024, die bereits doppelt so hoch wie der Schnitt der A-Kategorie ist, liegt 15 Prozentpunkte über dem Niveau von 2019 und ist nun die dritthöchste von Ländern in den Ratingkategorien A und AA“, erklärt Fitch.
Bereits eingepreist
Die Herabstufung durch Fitch sei weitgehend erwartet worden, und der neutrale Ausblick begrenze kurzfristige Bedenken, meint Kredit-Strategin Elisa Belgacem von Generali Investments. „Deshalb rechnen wir in dieser Woche nicht mit wesentlichen Auswirkungen auf französische Finanzwerte, zumal französische Banken – genauso wie französische Staatsanleihen – bereits mit einem leichten Aufschlag gegenüber ihren Ratings gehandelt werden.“
Denn die durch den Sturz der Regierung von François Bayrou verschärfte politische Krise ist bereits eingepreist. „Ein Großteil der Anpassungen der Preise französischer Aktien ist bereits ab August erfolgt“, erklärt Laurent Clavel, Global Head of Multi-Asset bei Axa Investment Managers (IM). „Als Folge der Ankündigung von François Bayrou, sich der Vertrauensfrage zu stellen, haben Aktien mit starker heimischer Exponierung sofort eine Kurskorrektur erfahren, die fast der Hälfte des nach der Bekanntgabe der Auflösung der Nationalversammlung und der vorgezogenen Neuwahlen im Sommer 2024 anfänglichen Rückgangs entsprochen hat.“
Und ewig grüßt das Murmeltier
Der wesentliche Unterschied zum letzten Sommer bestehe darin, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Auflösung der Assemblée Nationale beschlossen wurde. „Der Markt scheint deshalb davon auszugehen, dass eine Rückkehr zu den Urnen kurzfristig wenig wahrscheinlich ist“, sagt Clavel. Die Risikowahrnehmung sei weniger stark als im Juni 2024. Die jetzige Situation Frankreichs erinnere an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, findet Bruno Cavalier, Chefökonom von Oddo BHF. „Man hat das Gefühl, jetzt dieselbe Situation wie vor einem Jahr zu durchleben.“
Entsprechend verhalten fällt jetzt die Reaktion der Märkte aus. Der Spread zwischen französischen OATs und deutschen Bundesanleihen bleibe in der Spanne, die bereits seit der Auflösung der Nationalversammlung letztes Jahr zu sehen sei, sagt Clavel. Die mögliche Anpassung durch Ratingagenturen werde deshalb eher wie eine Angleichung der Sichtweisen denn als neuer Marktschock empfunden. Langfristig blieben jedoch Zweifel, vor allem was die Entwicklung der öffentlichen Finanzen und die Tragbarkeit der Schulden angehe.
Umdenken der Investoren
Galten die französischen Staatsanleihen in Europa lange Zeit als sicherste Option nach Bundesanleihen, hat bei Investoren seit der durch die Neuwahlen im letzten Jahr verstärkten Instabilität ein Umdenken eingesetzt. Die Risikoaufschläge auf langfristige Staatsanleihen Griechenlands, Portugals und Spaniens sind inzwischen niedriger als die französischer OATs, weil diese einst als riskant geltende Länder aus Südeuropa dank einer seriösen Haushaltspolitik das Vertrauen der Investoren zurückgewonnen haben.
Die Renditen französischer und italienischer Staatsanleihen wiederum haben sich in den letzten Monaten immer mehr angenähert. Bei fünfjährigen Staatsanleihen muss Frankreich sogar schon seit einiger Zeit mehr Zinsen als Italien zahlen. „Lange Zeit konnte sich Frankreich hinter dem Schutzschild Italiens verstecken“, sagt Oddo BHF-Chefökonom Cavalier. Doch die Argumente, dass Italien politisch instabiler sei und weder Defizit noch Staatsverschuldung in den Griff bekomme, gälten nicht mehr.
„Die Märkte haben bisher zurückhaltend auf diese Episode politischer Instabilität reagiert, aber der mit den französischen Schulden verbundene Risikoaufschlag belastet die Entwicklung einiger heimischer Werte, die sehr abhängig vom steuerlichen und regulatorischen Umfeld sind“, so Clavel von Axa IM. Am stärksten betroffen seien neben Banken Bau- und Versorgungsunternehmen.