Italien

Viele neue Notierungen in Mailand

Italiens Aktienmarkt steht vor einer Welle von neuen Notierungen. Der Markt profitiert auch von der Ankündigung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, Italien unter die Arme greifen zu wollen.

Viele neue Notierungen in Mailand

bl Mailand

Der geplante ökologische Umbau und die Digitalisierung haben der Mailänder Börse in unruhigen Zeiten neue Impulse gegeben. Der Wasserstoff-Spezialist und Thyssenkrupp-Partner De Nora hält jedenfalls an seinen Börsenplänen fest und plant eine Notierung Ende Juni oder Anfang Juli. Eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielten institutionelle Anleger, die ihre In­vestitionen bestätigt haben. Obwohl die Bewertung von 2,72 bis 3,28 Mrd. Euro deutlich unter den noch vor Monaten erwarteten 5 Mrd. Euro liegt, handelt es sich um eines der größten IPOs seit Beginn des Ukraine-Kriegs.

Heißer Juni

Der Juni ist nicht nur klimatisch heiß. Der Nahrungsmittelergänzungshersteller Erfo will am 27. Juni im Segment Euronext Growth Milan starten. Das Technologie-Unternehmen Engineering Group, das die Börse 2016 verlassen hatte, will nach einer Übernahme zurück an den Aktienmarkt. Ähnliche Pläne hegen Energy (Energiesektor) und der Factoringspezialist Generalfinance. Zu­vor waren Bellini Nautica, High Quality Food und Redelfi (Digitalunternehmen) an den Markt gegangen. Und mit der Eni-Ökostrom-Tochter Plenitude steht vermutlich für Juli noch ein ganz großes IPO an. Die Royal Bank of Canada schätzt den Börsenwert auf 8,4 Mrd. Euro. Das könnte etwas hoch gegriffen sein. Zudem hängt der genaue Zeitpunkt von den Marktbedingungen ab.

Sofern es bei all diesen Vorhaben bleiben sollte, wären das gute Nachrichten für die Mailänder Börse, die seit Jahresanfang zehn Neunotierungen und neun Delistings verzeichnet. Positiv reagiert hat der Aktienmarkt auch auf die Ankündigung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, Krisenländern wie Italien mit Maßnahmen gegen hohe Anleihespreads „unter die Arme greifen“ zu wollen. Davon haben vor allem Bankenwerte wie BPM, Fineco Bank und Intesa Sanpaolo profitiert. Der Finanzsektor, der im Vergleich zu seiner gesamtwirtschaftlichen Be­deutung an der Börse stark übergewichtet ist, konnte so zumindest einen Teil seiner Verluste der vergangenen Wochen und Monate wettmachen.

Stark gelitten haben zuletzt trotz positiver Umsatz- und Ertragszahlen Mode- und Luxuswerte wie Tod’s (minus 40,7% seit Jahresbeginn), Moncler (minus 41,9%) oder Salvatore Ferragamo (minus 36,6%). Auch Werte aus dem Autosektor wie Ferrari (minus 24,9%), Stellantis (minus 26,1%) oder die Beteiligungsholding Exor (minus 22,9%) gehörten zu den Verlierern und haben mehr abgegeben als der Börsenindex FTSE Mib (minus 18,6%) oder das Kleinwertesegment Italia Growth (früher AIM) mit einem Verlust von 18,7%.

Vergleichsweise gut aus der Affäre zogen sich der Mineralölkonzern Eni, dessen Kurs etwa auf dem Niveau des Jahresanfangs liegt, Generali (minus 14,1%), der Infrastrukturkonzern Atlantia (plus 28%) sowie das Rüstungsunternehmen Leonardo (plus 53,7%), das von der veränderten geopolitischen Lage profitierte. Börsenschwergewicht Enel (Kapitalisierung: 55,8 Mrd. Euro) musste deutlich Federn lassen.

Nach einem schwierigen Jahresstart sehen Analysten etwa von Anima vorsichtige Anzeichen für eine Besserung am Aktienmarkt – trotz der großen makroökonomischen Unsicherheiten. Es könne der Moment gekommen sei, wieder vorsichtige Positionen aufzubauen.

Allerdings bedrohten die im Durchschnitt auf 2,5% gesenkten Wachstumsprognosen, die hohe Inflation, höhere Refinanzierungszinsen für den Staat, die das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 0,5 Prozentpunkte schmälern könnten, ein Wachstumsszenario, heißt es bei Mediobanca. Die Analysten des Geldhauses sehen gerade bei Banken erhebliche Risiken. Wegen der „starken Abhängigkeit“ vom Assetmanagement stufen sie Intesa Sanpaolo mit einem Kursziel von 1,8 (derzeit: 1,76) Euro von „Neutral“ auf „Underperform“ herab. Unicredit belassen sie wegen makroökonomischer Risiken und einer schwachen Bewertung auf „Neutral“, mit Kursziel 12,20 (9,50) Euro. BPM steht auf „Outperform“. Zur Begründung werden Übernahmespekulationen genannt.

Modekonzerne hochgestuft

Im Modesektor stuft Mediobanca Brunello Cuccinelli (Kursziel 57 Euro) und Moncler (70 Euro) auf „Outperform“ hoch – vor allem we­gen der Wiederöffnung des durch die Pandemie lange Zeit geschlossenen chinesischen Marktes. Ferragamo wird dagegen auf „Underperform“ gestellt. Den Autosektor sieht Mediobanca etwa wegen der Chipknappheit, konjunktureller Unsicherheiten und der Inflation kritisch. Pirelli und der Landmaschinenkonzern CNH Industrial haben die Analysten jedoch auf „Outperform“ angehoben. Pirelli profitiere von einer starken Position im Premiumsektor und bei Elektroautos. Auch Leonardo, der Impfstoffhersteller Diasorin und Enel sind bei der Mediobanca „Outperformer“. Der Rüstungs-, der Gesundheits- und der Energiesektor böten positive Perspektiven.

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