Viele Schnäppchen im Chemiesektor

DZ Bank erwartet Aufschwung - Hohe Übernahmepreise gerechtfertigt - Favoriten Bayer und Covestro

Viele Schnäppchen im Chemiesektor

Fokussierung oder externes Wachstum – das sind einer Studie der DZ Bank zufolge die zwei Möglichkeiten für die deutsche Chemiebranche, um konkurrenzfähig zu bleiben. Abgesehen von Linde wird bei Chemieaktien durchweg zum Kauf geraten. Bayer kommt auch bei anderen Analysten gut an.amb Frankfurt – Die deutschen Chemieunternehmen bleiben nach Ansicht der DZ Bank nur durch Schwerpunktsetzung und Zukäufe zukunftsfähig. Diese “Hausaufgaben” werden einer Studie der Bank zufolge aber gemacht, die Analysten raten nämlich bei fast allen untersuchten Unternehmen – Ausnahme ist Linde – zum Kauf. Favoriten sind Bayer und Covestro, doch auch BASF, Evonik, Lanxess, Merck KGaA und Wacker Chemie werden empfohlen. Auch von vielen anderen Analysten wurde Bayer nach Bekanntgabe der Zahlen für das zweite Quartal in dieser Woche auf “Kaufen” gestuft, bei Covestro fällt das Bild gemischter aus. “Mergermania”Niedrigere Wachstumsraten in China und anderen Schwellenländern sowie neue Wettbewerbsstrukturen in den USA und Asien – das sind die Herausforderungen, denen sich die deutsche Chemiebranche heute stellen muss, so die Studie. Die Unternehmen bemühten sich, die Konjunkturabhängigkeit zu verringern, und setzten auf vertikale Integration, operative Margenverbesserungen und Technologietransfer. Zudem spielten – auch durch die niedrigeren Finanzierungskosten – Übernahmen eine große Rolle, die Analysten sprechen von “Mergermania” und verweisen auf die Übernahmen von Chemetall durch BASF, Air Products Performance Materials durch Evonik, des Desinfektionsmittelgeschäfts von Chemours durch Lanxess und Sigma-Aldrich durch die Merck KGaA. Falsch ist der Weg nach Ansicht der Analysten nicht: “Hohe Preise können sich lohnen”, so lautet das Fazit. Mit einem EV/Ebitda für 2016 seien die Akquisitionsmultiplikatoren zwar nicht gerade niedrig, das sei durch die hohen operativen Margen und die guten Marktpositionen aber gerechtfertigt. “Lediglich bei der geplanten Monsanto-Übernahme sehen wir eine preisliche Obergrenze erreicht, bis zu der die Akquisition für Bayer finanziell noch vorteilhaft wäre.” Die Analysten gehen davon aus, dass die Branche im kommenden Jahr einen Aufschwung erleben wird. China werde auch zukünftig ein großer Importeur von Grundchemikalien bleiben. Zudem werde die Nachfrage nach höher entwickelten kundennahen Chemieprodukten steigen, was sich positiv auf die europäischen Chemieunternehmen auswirken werde. Was das globale Wachstum angeht, rechnen die Analysten nach rückläufigen Wachstumsraten 2015 und 2016 für 2017 wieder mit einem Anstieg, auch wegen der expansiven Geldpolitik. “Das steigende Wirtschaftswachstum würde nicht nur die Nachfrage von Produkten der Chemiebranche erhöhen, sondern auch die Margen durch die steigenden Rohstoffpreise anheben”, erwarten sie. Überkapazitäten in der Chemieindustrie würden in den kommenden Jahren durch die zusätzliche Marktnachfrage abgebaut. Übernahme nicht zwingendBesonders empfohlen werden Bayer und Covestro. Für Bayer (“Kaufen”) wird das Kursziel von 113 Euro (aktuell 96,22 Euro) bekräftigt. Die Analysten sehen die geplante Monsanto-Übernahme als historische Chance, ein höherer Angebotspreis als 135 Dollar je Aktie sei nach finanziellen Kriterien allerdings nicht mehr zu rechtfertigen. “Bayer ist ,stand-alone` schon gut aufgestellt”, heißt es. Die Gewinnprognosen für 2016 werden von 7,21 Euro auf 7,14 Euro je Aktie reduziert, für 2017 bleiben sie bei 7,49 Euro, für 2018 werden sie von 7,81 Euro auf 7,84 Euro erhöht. Bayer konnte den Gewinn im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 19 % steigern, der Konzern hob auch seine Ergebnisprognose für das Gesamtjahr leicht an. Der Umsatz ging wegen negativer Wechselkurseffekte leicht zurück, bereinigt ergab sich aber ein Plus von 2,3 %.Ebenfalls geraten wird zum Bayer-Spin-off Covestro (unverändert “Kaufen”), das Kursziel bleibt bei 51 Euro, deutlich oberhalb der aktuellen Notierung von 41,78 Euro. Die Analysten bezeichnen Covestro als “Hightech Polymere Pure Play”, das hohes Kernmengenwachstum bei steigenden operativen Margen erwirtschafte. Der anstehende Verkauf der noch von Bayer gehaltenen Anteile könne sich allerdings negativ auf den Kurs auswirken. Je Aktie werden jetzt Ergebnisse von 2,60 Euro statt 2,80 Euro, 2,80 Euro statt 3 Euro und 3,15 Euro statt 3,37 Euro bis 2018 erwartet. Covestro hat nach einem deutlichen Ergebnisanstieg im zweiten Quartal den Ausblick für das Gesamtjahr angehoben.Abgesehen von den beiden Favoriten rät die DZ Bank auch bei anderen Adressen zum Einstieg, etwa bei BASF: Hintergrund ist der höhere Ölpreis mit positiven Folgen für das Öl- und Gas- sowie Chemicals-Geschäft des Konzerns. Der faire Wert wird jetzt aber nur noch bei 80 nach bislang 85 Euro (aktuell 70,26 Euro) gesehen. Ebenfalls auf der Empfehlungsliste steht der Essener Spezialchemiekonzern Evonik, der Aktie werden nun 30 statt 32 (aktuell: 27,88) Euro zugetraut. Aufgrund des Preisrückgangs beim Futtermitteleiweiß Methionin werde Evonik dieses Jahr rückläufige Umsätze und operative Ergebnisse aufweisen, ab 2017 gehen die Analysten dann aber von einem Ebitda-Plus von rund 10 % aus. Auch das Kursziel für Lanxess (“Kaufen”) wird reduziert, und zwar von 52 auf 46 Euro (aktuell 42,55 Euro). Die Bank sieht Lanxess weiter als interessante Turnaround-Story. Der Preisdruck im Synthesekautschukgeschäft werde anhalten, das sei aber bereits eingepreist. Höheres Wachstum bei MerckMerck KGaA wird ebenfalls weiter auf “Kaufen” gestuft, der faire Wert leicht von 102 auf 104 Euro (aktuell 98,61 Euro) erhöht. Die Sigma-Aldrich-Übernahme führe zu höherem Wachstum und besseren Margen, heißt es. Mit Life Science und Healthcare verfüge Merck nun über zwei gleichwertige Segmente. Für Wacker Chemie (“Kaufen”) wird das Kursziel von 101 auf 94 Euro (aktuell 83,31 Euro) reduziert. Das Unternehmen befinde sich derzeit noch in einer Übergangsphase, die Analysten raten aber, sich wegen der guten Wachstumsaussichten ab 2017 schon jetzt zu positionieren. Linde wird hingegen nur auf “Halten” gesetzt, als fairer Wert werden nun 135 statt 137 (aktuell: 128,70) Euro genannt. Zumindest die konjunkturelle Situation habe sich seit der Gewinnwarnung im November etwas gebessert, erklären die Analysten. Die Quartalszahlen von Linde fielen im Rahmen der Erwartungen aus, nicht gut kam der vage Ausblick an.Auch viele andere Analysten mögen Bayer, so raten unter anderem Goldman Sachs, die Deutsche Bank, das Bankhaus Lampe, die Nord/LB, die Berenberg Bank, Warburg Research und die Commerzbank zum Einstieg. Die Deutsche Bank hat die Einstufung nach Zahlen auf “Buy” mit einem Kursziel von 124 Euro belassen. Die Quartalszahlen seien solide ausgefallen und hätten die Erwartungen bei den Gewinnziffern übertroffen, heißt es, die Anhebung der Jahresprognose stimme zuversichtlich. Zurückhaltender zeigen sich unter anderem Independent Research, J.P. Morgan und Société Générale, die die Aktie auf “Neutral” oder “Halten” stufen. So hat J.P. Morgan das Kursziel von 118 auf 102 Euro gesenkt und die Einstufung “Neutral” bekräftigt. Ohne eine Übernahme wird der Wert der Bayer-Aktie bei 122 Euro gesehen.Covestro wird ebenfalls von vielen anderen Analysten zum Kauf empfohlen, etwa von der Citigroup, der UBS, der Deutschen Bank und der Commerzbank. Hier gibt es aber mehr Skeptiker, so votieren J.P. Morgan, BNP Paribas, Barclays, Credit Suisse und Nord/LB mit “Halten”, “Equal weight” oder “Neutral”, die Baader Bank sogar mit “Sell”. Die Citigroup hat das Kursziel für Covestro nach Bekanntgabe der Quartalszahlen von 40 auf 50 Euro angehoben und die Einstufung auf “Buy” belassen. Das Quartal sei besser als erwartet ausgefallen, heißt es, als Werttreiber für die Aktie sieht die Bank die Cash-flow-Entwicklung. Baader bleibt hingegen bei “Sell” mit einem Kursziel von 32 Euro. Für den Chemiekonzern sei im ersten Halbjahr vieles gut gelaufen, etwa habe es Verzögerungen bei Projekten der Konkurrenz gegeben, im zweiten Halbjahr sei derartiger Rückenwind aber unwahrscheinlich. Dazu komme der Aktienüberhang durch die Beteiligung von Bayer.