Vielen reicht eine Berichterstattung alle sechs Monate
Donald Trump will Quartalsberichte am liebsten abschaffen. Unternehmen sollten nur noch alle sechs Monate ihre Zwischenbilanzen vorlegen, forderte der US-Präsident jüngst auf Social Media. „Das spart Geld und ermöglicht es Managern, sich auf eine ordentliche Führung ihrer Unternehmen zu konzentrieren.“ Mit dieser Auffassung steht Trump nicht alleine da. Die Diskussion über eine zu kurzfristige Denke von Unternehmen und Investoren flammt immer wieder auf. Am Freitag deutete der Chef der zuständigen US-Börsenaufsicht SEC, Paul Atkins, beim Wirtschaftssender CNBC eine Lockerung der Regeln an: „Im Interesse von Aktionären von börsennotierten Unternehmen kann der Markt (…) entscheiden, was die angemessene Frequenz ist.“
Investoren, Analysten und Anlegerschützer hierzulande machen es vor allem von der Unternehmensgröße abhängig, wie umfangreich die Berichtspflicht ausfällt. Die großen Konzerne, so der Tenor der von der Börsen-Zeitung befragten Marktakteure, sollten bei ihren vierteljährlichen Meldungen zum Geschäftsverlauf bleiben. Mittelgroße und kleine Unternehmen könnten sich indes auch auf halbjährliche Berichte beschränken.
Immer mehr Berichtspflichten
„Eine regelmäßige Berichterstattung ist die Basis für das Funktionieren der Kapitalmärkte", sagt Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Deka. „Eine zu häufige und zu umfassende Berichterstattung kann allerdings auch kontraproduktiv wirken.“ Das sei der Fall, wenn Unternehmen wegen der hohen Anforderungen gar nicht erst an die Börse gingen.
Schallmayer kritisiert, dass die Berichtspflichten in den USA und Europa in den letzten Jahren allgemein zugenommen hätten – besonders bei Nachhaltigkeit, Lieferkettensorgfalt und Transparenz. „Gerade mittelgroße und kleinere Unternehmen fühlen sich davon teilweise überfordert. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Überprüfung von Kosten und Nutzen der Berichtspflichten dringend erforderlich.“ In Europa berichteten schon heute viele Unternehmen ihre Gewinnzahlen nur auf einer halbjährlichen Basis.
Ins gleiche Horn stößt Arne Rautenberg, Leiter des Aktienportfoliomanagements von Union Investment: „Eine Zwischenbilanz reicht auch einmal im halben Jahr. Es ist schwer, ein Geschäft auf Quartalsbasis zu betrachten.“ Als langfristig orientierter Investor sehe er darin nur einen sehr überschaubaren Mehrwert. Im Gegenteil: „Durch Quartalsberichte wird ein zu kurzfristiges Denken befeuert.“
Frage von Transparenz
Benjardin Gärtner, globaler Leiter für Aktien bei der DWS, widerspricht ihm an dieser Stelle: „Ob Unternehmen nun alle drei oder alle sechs Monate ihre Zahlen präsentieren, macht da keinen Unterschied.“ Er wünscht sich weiterhin eine quartalsweise Berichterstattung. „Das ist eine Frage von Transparenz, Kontrolle und Anlegerschutz.“ Unternehmen, die in größeren Abständen berichten, müssten sich seiner Meinung nach auf Kursabschläge einstellen: „Mit weniger Transparenz steigt auch die Risikoprämie – da gibt es einen direkten Zusammenhang.“
Seit 2015 müssen Unternehmen in Europa nicht mehr jedes Vierteljahr über ihren Geschäftsverlauf Auskunft geben. Börsenbetreiber können jedoch eigene Regeln aufstellen. So sind Unternehmen, die in einem der Dax-Indizes der Deutschen Börse vertreten sind, zu sogenannten Quartalsmitteilungen verpflichtet – es handelt sich dabei im Kern um einen verschlankten Quartalsbericht.
Viele Unternehmen in Deutschland gehen jedoch über das geforderte Maß hinaus und legen vollständige oder nahezu vollständige Quartalsberichte vor. Andere wiederum wollen auch die Quartalsmitteilung noch loswerden. Legendär ist der Rechtsstreit zwischen der Deutschen Börse und Porsche vor etwa 20 Jahren. Zuletzt hatte die Allianz im Jahr 2020 einen derartigen Vorstoß gestartet, war aber nach dem Feedback von Stakeholdern zurückgerudert. Internationale Investoren wünschten sich eine regelmäßige Berichterstattung, sagt die Deutsche Börse dazu.
Durch die Äußerungen von US-Präsident Trump kommt nun wieder Bewegung in die Debatte. Nach Meinung von SEC-Chef Atkins ist das Berichtswesen insgesamt zu komplex geworden. „Der Reporting-Standard sollte so sein, dass ein gewöhnlicher Anleger ihn verstehen kann“, sagte er jüngst vor Journalisten in Frankfurt. Angestoßen hatte die Diskussion um die Quartalsberichte der US-Börsenbetreiber Long-Term Stock Exchange (LTSE) Anfang September.
Reicht die Ad-hoc-Pflicht?
„Wichtig ist, dass Unternehmen regelmäßig mit dem Kapitalmarkt kommunizieren. Das muss aber kein großes Zahlenwerk sein – das reicht uns zum halben und vollen Jahr“, sagt Pascal Spano, Leiter des Researchs beim Bankhaus Metzler. „Bei vielen Posten ist es ohnehin schwer, sie quartalsweise abzugrenzen. Das ist sehr komplex und ergibt betriebswirtschaftlich keinen Sinn.“ Er befürchtet nicht, dass dadurch einzelne Anlegergruppen von Informationen abgeschnitten würden: „Es gibt eine Ad-hoc-Pflicht. Wenn es bei einem Unternehmen anders als prognostiziert läuft, dann müsste es diesen Umstand ohnehin direkt kommunizieren.“
Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) mahnt jedoch an, diese Ad-hoc-Pflicht müsse auch durchgesetzt werden. „Heute werden wichtige Nachrichten gerne in Dutzenden Seiten Geschäftsbericht versteckt.“ Vor diesem Hintergrund kann er sich – zumindest jenseits der Blue Chips – einen Wegfall der vierteljährlichen Berichterstattung vorstellen. „Es gibt eine Informationsüberflutung bei Unternehmen. Wer liest das denn alles?“ Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), sieht den Schlüssel zu mehr Anlegerschutz ebenfalls in einer transparenteren Berichterstattung. Schon die Entschlackung der Berichte zum ersten und dritten Quartal – die Quartalsmitteilung – habe Wirkung gezeigt. „Die Berichte sind straffer und damit kürzer geworden.“ Kleinere Investoren und Privatanleger dürften aber nicht von Informationen abgeschnitten werden, „da große Investoren laufend Gespräche mit dem Management und den Unternehmen pflegen“.
Vielen reicht eine Berichterstattung alle sechs Monate
Donald Trump befeuert Diskussion um Sinnhaftigkeit von Quartalsberichten – Umfrage unter Marktakteuren in Deutschland ergibt gemischtes Bild
Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Quartalsinformationen hat spätestens seit Donald Trumps Einmischung an Fahrt aufgenommen. SEC-Chef Paul Atkins deutet nun eine Neuregelung an. Die Börsen-Zeitung hat gefragt, was Fondsgesellschaften, Analysten und Anlegerschützer von der Idee halten.