„Wandelanleihen sollten in einem Mischportfolio vertreten sein“
Im Interview: Oliver Gasser
„Wandler sollten im Mischportfolio vertreten sein“
Europas Convertible-Markt zeigt sehr gute Performance – Stabile Entwicklung am Primärmarkt – Bantleon-Experte sieht faire Bewertung des Marktes
Knapp 12% konnten Anleger mit Investments im globalen Markt für Wandelanleihen (Convertibles) in diesem Jahr bislang erzielen. Mit europäischen Papieren sogar bis zu 17%. Oliver Gasser, Experte für Wandler bei Bantleon, ist für die kommenden Jahre weiterhin zuversichtlich gestimmt.
Herr Gasser, welche Performance hat der globale Wandelanleihenmarkt in diesem Jahr bislang gezeigt?
Wir liegen bei knapp 12% in diesem Jahr. Das ist eine gute Performance. Damit hat sich die positive Entwicklung des Wandelanleihenmarktes mit zweistelligen Renditen der vergangenen zwei Jahre auch in diesem Jahr bislang fortgesetzt.
Und wie sieht es speziell mit der Performance europäischer Wandelanleihen aus sowohl im Investment-Grade-Universum als auch bei den High-Yield-Convertibles?
Das sieht auch sehr gut aus, insbesondere im Investment-Grade-Bereich. Wir liegen hier bei plus 17% und im gesamten europäischen Markt, also über alle Bonitäten hinweg betrachtet, bei plus 13%.
Was sind die Gründe für dieses gute Abschneiden speziell in diesem Jahr?
Der wichtigste Performancetreiber sind die zugrundeliegenden Aktien, die sich in den vergangenen Monaten erholt haben. Zudem haben Nebenwerte eine gute Performance gezeigt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Magnificent Seven nicht mehr im Wandelanleihen-Universum enthalten sind, die seit Jahresanfang nicht mehr so gut laufen. In den vergangenen Jahren haben diese Aktien einen starken Performancebeitrag für globale Aktienindices geliefert und die Ergebnisse der Wandelanleihen relativiert.
Welchen Einfluss zeigt speziell der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Zollstreit auf den Wandelanleihenmarkt in Europa?
Der Einfluss ist relativ gering. Das Universum der Unternehmen, die im Wandelanleihenmarkt mit Emissionen vertreten sind, ist nicht so stark exportorientiert wie etwa die klassischen Sektoren Automobilindustrie und Maschinenbau. In der Schweiz gehört etwa auch der Pharmabereich dazu. Das sind keine typischen Wandelanleiheemittenten. Wir haben es primär mit jüngeren Unternehmen bzw. Wachstumsunternehmen zu tun, die von den aktuellen handelspolitischen Themen weniger stark betroffen sind.
Wie hat sich der Primärmarkt der Wandelanleihen in Europa entwickelt?
Auf niedrigem Niveau, relativ stabil. Es gab im ersten Halbjahr einzelne Neuemissionen, was dem Muster der vergangenen Jahre entspricht. Insgesamt ist der Markt im Gegensatz zu Asien nicht stark gewachsen.
Haben europäische Firmen hier weiter Emissionspotenzial, und in welchen Branchen sehen Sie dieses?
Es gibt keine spezifischen Branchen mit besonders großem Emissionspotenzial. Am größten dürfte es aufgrund der Zinsdifferenz zu Europa in den USA sein. Dort können die Unternehmen mit Wandelanleihen deutlich bei ihren Zinskosten sparen, was sie motiviert, Wandler zu emittieren. In Europa ist dies aufgrund der niedrigeren Zinsen weniger der Fall. Hinzu kommt, dass Unternehmen in Europa auch andere Finanzierungsmöglichkeiten haben, wie etwa über die Hausbank. In den USA finanzieren sich die Unternehmen viel stärker über den Kapitalmarkt, also über Unternehmensanleihen und Convertibles. Insgesamt entfallen etwa 70% des globalen Wandelanleihenvolumens auf die USA. Neuemissionen leiten sich in Europa aber auch aus dem Fälligkeitenprofil ab, weil es hier laufend Fälligkeiten gibt, die wahrscheinlich zu 100% zurückbezahlt werden. Unter dem Strich erwarten wir aufgrund der aktuellen Situation zwar keinen Riesenboom, aber eine selektive, kontinuierliche Emissionstätigkeit.
Sehen Sie auch Potenzial für Umtauschanleihen nach dem Vorbild von Fresenius mit der Umtauschanleihe auf FMC?
Wir sehen hier nur in Einzelfällen Potenzial für Emissionen. Im globalen Kontext sind diese Sonderformen von Wandelanleihen eher Ausnahmen. Wir haben zum Beispiel im Juni eine Neuemission aus Frankreich gesehen, und zwar von Artemis auf Kering. In Deutschland hat die RAG Stiftung drei Umtauschanleihen in Evonik emittiert, von denen nächstes Jahr eine Anleihe fällig wird. Hier kann es wieder zu einer Refinanzierung kommen. Umtauschanleihen werden oft auch von Banken emittiert. Hier sind Beispiele GS mit Tencent und JPM mit BYD. Investoren haben bei Umtauschanleihen von amerikanischen Banken den Vorteil, dass sie nicht das Kreditrisiko des betreffenden Unternehmens tragen, in das getauscht werden kann, sondern das Kreditrisiko einer renommierten US-Bank.
Die Rede ist immer wieder vom Delta einer Wandelanleihe. Was besagt das Delta einer Wandelanleihe, und wo liegt der europäische Markt hier im Durchschnitt betrachtet?
Das Delta ist eine Sensitivitätskennzahl, die Auskunft darüber gibt, wie stark die Wandelanleihe zulegt, wenn die Aktie um einen Euro steigt. In Europa ist sie derzeit mit um die 40% bzw. 0,4 relativ niedrig. Das heißt: Wenn die Aktie um 1% steigt, dann steigt die Anleihe um 0,40%. Die Zahl Delta ist dynamisch, d.h. sie kann zwischen 0 und 1 schwanken, je nachdem wie sich der Aktienkurs entwickelt. Wenn sich die Wandlung nicht lohnt, weil der Aktienkurs nicht über den Wandelpreis gestiegen ist, hat man zumindest die Kupons und eine Rückzahlung zu 100% gesichert. Allgemein ist das Delta in Europa niedriger als in den USA. Im Gesamtmarkt liegt es derzeit um die 0,57.
Mit welcher Performance europäischer Investment-Grade-Convertibles rechnen Sie in den kommenden Wochen und Monaten?
Wir gehen nicht davon aus, dass wir weitere 17% zulegen werden. Das wäre sehr sportlich. Liegt doch der langfristige Durchschnitt zwischen 6% und 7% pro Jahr. Die Voraussetzungen dafür, dass wir diesen Wert auch in den nächsten Jahren erreichen können, sind aber sehr gut. Der wichtigste Treiber für die Performance bleibt aber der Aktienmarkt, der im weiteren Jahresverlauf noch etwas steigen sollte. Bei europäischen Wandelanleihen wird auch der Performancebeitrag aus Kreditsicht eher etwas knapp. Da sehe ich keine weiteren Kursgewinne, denn die Credit Spreads sind schon sehr eng. Aktive Manager können aber den Primärmarkt nutzen, um die Performance zu steigern, indem sie über Neuemissionen ausbalancierte Wandelanleihen kaufen, die eine überdurchschnittliche Rendite erwirtschaften können.
Der Einstieg in den Markt lohnt sich also noch?
Wandelanleihen sollten in einem Mischportfolio mit einem Anlagehorizont von mindestens drei bis fünf Jahren vertreten sein, um das volle Potenzial der Anlageklasse wirken zu lassen. Unabhängig davon ist die Bewertung des europäischen und internationalen Marktes aktuell fair, es hat keine Übertreibung stattgefunden, und die Deltas liegen im Durchschnittsbereich. Das bedeutet: Auch wenn Aktienmärkte nahe der Hochs notieren, sind die Deltas noch nicht auf den Höchstständen und bieten einen idealen Mix von Partizipation und Sicherheitsnetz. Insgesamt haben wir derzeit sehr viele ausgewogene Profile im Markt. Unabhängig davon ergeben sich in einzelnen Regionen immer Opportunitäten, und für uns ist das ein strategisches Thema.
Wandelanleihen welcher Branchen sollten Anleger präferieren?
Wir investieren nicht branchenorientiert, sondern sind grundsätzlich bottom-up-orientiert. Uns interessiert klar die Aktienstory einzelner Unternehmen. Die muss ebenso stimmen wie die Kreditqualität und das Profil der Wandelanleihe
Gibt es Branchen, von denen Sie eher abraten?
Bei einzelnen Branchen beziehungsweise Themen sind wir grundsätzlich vorsichtig, etwa bei alternativen Finanzdienstleistern oder KI. Wandelanleihen aus diesen Sub-Segmenten sind aber im globalen Kontext untergeordnet. Wir sehen uns natürlich auch neue Themen an, sind da aber zurückhaltend. Krypto-Linked ist ein solches Thema, das zuletzt stark gewachsen ist. Ein anderes Thema ist das gesamte Distressed-Segment, also die schwachen Kreditqualitäten. Dort sind wir aber ebenfalls sehr vorsichtig. Denn hier spielt die Sicherheit der Anleihe, also der Bond Floor oft keine große Rolle, weil die Unternehmen keine gute Bonität mehr haben.
Sie sprechen den Bond Floor an. Was besagt der Bond Floor eines Convertible, und wo liegt er im europäischen Investment-Grade-Universum?
Der Bond Floor ist der Schutzmechanismus der Wandelanleihe über die Bondkomponente. Er zeigt, was die Wandelanleihe wert ist, wenn die Optionalität, sie in Aktien tauschen zu können, ausgepreist wird. Dieser theoretische Mindestwert bietet einen Puffer gegen Kursverluste der zugrunde liegenden Aktie. Voraussetzung für den Schutz ist, dass das Unternehmen eine gute Kreditwürdigkeit hat und den Nennwert auch zurückzahlen kann. Am europäischen Markt liegt der Bond Floor derzeit durchschnittlich bei 87%. Das ist ein solider Wert, der über dem globalen Wert von 72% liegt. Aufgrund dieses Fallschirms haben Wandelanleihen eine geringere Volatilität als Aktien und ein besseres Risiko-Ertrags-Verhältnis.
Das Interview führte Kai Johannsen.