Wenn Auto, dann BMW
Wenn Auto, dann BMW
Wenn Auto, dann BMW
Aktien von Autoherstellern laufen Markt hinterher – Bei Anleihen sehen Experten nur geringes Ausfallrisiko – Rendite im Branchenschnitt gesunken
Die Aktien der deutschen Autobauer fallen auch in diesem Jahr deutlich hinter den Gesamtmarkt zurück. Die Krise ist schwer zu fassen, weil es an so vielen Fronten gleichzeitig brennt. Trotz der jüngsten Prognosesenkung kann BMW bei Experten noch am ehesten punkten. Das gilt auch für den Bondmarkt.
Von Tobias Möllers und Kai Johannsen, Frankfurt
Es ist ein ernüchternder Anblick. In dem Jahr, in dem der deutsche Leitindex schon mehr als 20% an Wert gewonnen hat, treten die einstigen Vorzeigeunternehmen aus der Autobranche bestenfalls auf der Stelle. Die Papiere von BMW und VW pendeln um ihren Vorjahresschluss. Mercedes verloren seit Jahresbeginn 2%, die Beteiligungsholding Porsche SE und Daimler Truck rund 7% und die in den MDax abgestiegene Porsche AG sogar fast 30%.
Seit die EU im Frühjahr 2023 das Verbrennerverbot verabschiedete, hat der Autosektor mehr als 20% eingebüßt, während der Dax im gleichen Zeitraum 60% gewonnen hat. Die Frage ist nun: Hat die Branche die Talsohle erreicht und steht vor einem Comeback – auch am Kapitalmarkt? Oder geht es weiter abwärts? „Ich glaube, es wird schwierig bleiben für die deutschen Automobilbauer“, sagt Kapitalmarktstratege Carsten Roemheld von Fidelity. „Ihre Strategie hat in den letzten Jahren nicht besonders gut funktioniert.“
Zahlreiche Probleme
Die Probleme der Branche sind vielschichtig: Die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf E-Autos ist kostenintensiv und wird gleichzeitig tausende Arbeitsplätze kosten. Zugleich ist das Kundeninteresse an den verhältnismäßig teuren Stromern in Europa noch überschaubar. In China ist dieses größer, aber hier müssen sich die deutschen Unternehmen einem ruinösem Preiskampf mit chinesischen Konzernen liefern. Zudem ist der technologische Vorsprung, den die deutschen Autobauer bei Verbrennern hatten, bei E-Autos nicht gegeben. Hierzulande lasten zusätzlich die hohen Energiepreise und die Regulierung auf den Bilanzen der Konzerne. In den USA macht Donald Trump allen Autobauern, die nicht vor Ort produzieren, das Leben mit seinen Zöllen schwer.
Der Anteil der deutschen Hersteller an allen weltweit gebauten Autos sank im Jahr 2024 auf 17,3%. Das ist der niedrigste Wert in den letzten fünf Jahren. 2020 lag er noch bei 19,7%.
Spaltmaße verlieren an Bedeutung
Der Markt habe sich grundlegend geändert, sagt Fidelity-Experte Roemheld. „Ich glaube, dass sich der Sektor und die Bedürfnisse der Kunden im Laufe der Zeit ändern. Dieses Engineering, dieses Freude am Fahren, Motor und Spaltmaße und alles, was so im deutschen Automobilbau wichtig war – diese Themen werden möglicherweise in Zukunft einfach nicht mehr so wichtig sein.“ Chinesische Autobauer hätten das Konzept des Autos komplett neu gedacht, während die deutschen Autobauer versuchten, die bisherige Strategie anzupassen auf das, was kommt. „Vermutlich ist das nicht die richtige Lösung“, konstatiert Roemheld.
Einen vermeintlichen Lichtblick – das niedrige KGV der meisten Auto-Aktien – entlarvte die LBBW kürzlich als „Value-Trap“. Die Gewinnerwartungen für europäische Automobilbauer hätten sich zuletzt weiter eingetrübt, schrieben die Experten. Seit Mitte 2024 hätten sie sich nahezu halbiert. Bei einem weitgehend unveränderten Indexniveau bedeute dies eine Verdopplung der KGV-Bewertung.
BMW und Daimler Truck enttäuschen
Zuletzt senkte der Autobauer BMW seine Prognose für das laufende Jahr. Das China-Geschäft bleibe hinter den Erwartungen zurück, teilte das Unternehmen in München mit. Auch bei Porsche ist es das schwächelnde China-Geschäft, das Anlegern die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Der Sport- und Geländewagenbauer kämpft weiter mit sinkenden Absatzzahlen. In den ersten neun Monaten des Jahres wurden 6% weniger Fahrzeuge verkauft als im selben Zeitraum des Vorjahres. Nicht besser sieht es bei Daimler Truck aus. Der Nutzfahrzeughersteller hat wegen seiner Schwäche in Nordamerika erneut deutlich weniger Fahrzeuge verkauft. Von Juli bis September brach der Absatz um rund 15% im Vergleich zum Vorjahr ein. Auch die VW-Nutzfahrzeug-Tochter Traton leidet unter dem Einbruch der Nachfrage in den USA. Der Quartalsabsatz sank um 16%.
Lichtblick Volkswagen
Gute Nachrichten kamen zuletzt immerhin von VW. Positive Aussagen zu den Geschäftsaussichten trieben die Aktie des Autobauers am Dienstag an. In einer Telefonkonferenz vor der Veröffentlichung der Quartalszahlen milderte der Konzern Analysten zufolge Bedenken hinsichtlich der US-Zölle und der Schwäche bei den Luxusmarken. „Das Unternehmen schien mit den aktuellen Markterwartungen für das Quartal zufrieden zu sein“, erklärte Analyst Pal Skirta vom Bankhaus Metzler. Auch die Kostensenkungen der Kernmarke VW machten sich positiv bemerkbar. Das spiegle „das schrittweise Entfalten von Volkswagens Selbsthilfe-Story“ wider. „Ein starkes Re-Rating erwarte ich zwar nicht, allerdings sollte das dritte Quartal die Equity Story stabilisieren und tendenziell weiter leicht positiv drehen“, sagt Skirta gegenüber der Börsen-Zeitung.
Analysten von Jefferies stießen ins gleiche Horn und sprachen von einer „insgesamt beruhigenden Botschaft“. Die Kernmarke könne Schwächen von Audi und Porsche, die ihrer Rolle als Hauptgewinnbringer derzeit nicht gerecht werden können, ausgleichen. Die Belastung durch die US-Importzölle sei zudem niedriger als im Sommer mit 1,2 Mrd. Euro angegeben.
Metzler-Experte setzt auf BMW
Besser steht für den Metzler-Experten trotz der jüngsten Prognosesenkung BMW da: „Der Hersteller dürfte in den kommenden Jahren von seinem First-Mover-Advantage profitieren, insbesondere mit Blick auf die ausgewogene Verbrenner-, Elektro- und Hybridstrategie. Während viele Wettbewerber ihre Ausrichtung noch anpassen müssen, hat BMW diesen technologieagnostischen Ansatz bereits seit Jahren konsequent verfolgt.“ Kurzfristig dürfte bei den Bayern jedoch die Schwäche in China im Fokus stehen.
Skeptischer sieht der Auto-Experte die Zukunft der Porsche AG, deren Papiere in diesem Jahr bereits drastisch an Wert verloren haben: „Die Equity Story dürfte vorerst belastet bleiben bis sich ein klarer Turnaround abzeichnet – dieser hängt maßgeblich von neuen Modellanläufen ab“, erklärt Skirta. Die 911er-Reihe dürfte seiner Einschätzung nach erst im kommenden Jahr wieder einen positiven Ergebnisbeitrag leisten.
Wie dramatisch die Lage der Autobranche ist, zeigt sich vor allem bei den Zulieferern: Bosch und ZF haben den Abbau Tausender Stellen in Deutschland angekündigt, der Türschloss-Marktführer Kiekert meldete Insolvenz an – um nur drei bekannte Namen zu nennen. Die Ratingagentur Moody‘s sieht nun ein erhöhtes Risiko für Investoren in Schuldenscheinen europäischer Autozulieferer. Die Bonität der Emittenten habe sich verschlechtert, und es sei eine Herausforderung für die Adressen, diese in naher Zukunft wieder zu verbessern, erklärten die Experten.
Warnung von Moody‘s
Bei den Autoherstellern und ihrem Schuldendienst sieht es grundsätzlich besser aus. Die Erwartungen hinsichtlich der Ausfallwahrscheinlichkeiten sowie der voraussichtlichen Spreadvolatilitäten haben sich den Experten der DZ Bank zufolge nicht entscheidend geändert: „Vor diesem Hintergrund bestätigen wir jeweils das Anlageurteil „Low Risk“ für BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und Toyota sowie „Moderate Risk“ für Stellantis und „Elevated Risk“ für Renault.“
Dabei kommen die Credit-Experten der DZ Bank zum gleichen Ergebnis wie die Kollegen vom Bankhaus Metzler: „Unter den deutschen Premiumherstellern würden wir aktuell BMW bevorzugen, da wir den Münchenern eine höhere operative Flexibilität auch hinsichtlich des E-Hochlaufs attestieren.“
Autobauer werden Anleihen los
Eine schnelle Besserung der Branchenlage ist laut Experten nicht in Sicht. „Die negativen operativen Trends, die wir auch schon in den Vorquartalen gesehen haben, sollten sich mehr oder weniger fortsetzen“, sagt Markus Roß, Analyst für den Automobilbereich bei der DZ Bank, der Börsen-Zeitung. „Wir haben ein wenig dynamisches Umfeld, in dem sich die Hersteller bewegen. Das gilt für den deutschen und europäischen Markt.“
Immerhin kommen die Autobauer gut an frisches Geld, wie Roß feststellt: „Am Corporate-Primärmarkt gibt es momentan eine sehr gute Aufnahmebereitschaft. Über alle Branchen hinweg waren die Emissionen in der Regel stark nachgefragt.“ Das gelte auch für die Autohersteller. „Bei den Bond-Platzierungen gab es keine Probleme.“ Renault habe etwa einen fünfjährigen Green Bond begeben. Es habe eine hohe Nachfrage für einen Emittenten, der im High-Yield-Bereich anzusiedeln sei, gegeben. Auch Ford sei Anfang September am Markt aktiv gewesen. „Das wurde auch sehr gut aufgenommen. Eine Emission der VW Bank ist ebenfalls gut gelaufen“, sagt Roß.
Derzeit ergibt sich im Markt sogar die überraschende Konstellation, dass die Autobauer günstiger als noch vor einem Jahr an Geld gelangen. Denn in Europa ist insgesamt eine stärkere Nachfrage der Investoren nach Investment-Grade-Credit zu beobachten. Insbesondere US-Investoren haben sich zuletzt engagiert. Lag die Rendite der Autobonds gemessen am Index iBoxx € Automobiles & Parts im Juli 2024 noch bei knapp 3,80%, sind es aktuell noch um die 3,30%.