Rohstoffe

Wettrennen um Seltene Erden gewinnt an Brisanz

Die Einigung zwischen den USA und China im Streit um chinesische Exportkontrollen auf die strategisch wichtigen Seltenen Erden und andere Mineralien hat dem Westen vorerst für ein Jahr die Versorgung gesichert. Gleichwohl gewinnt das globale Wettrennen um diese Ressourcen an Dynamik und Brisanz.

Wettrennen um Seltene Erden gewinnt an Brisanz

Wettrennen um Seltene Erden gewinnt an Brisanz

Einigung zwischen den USA und China hat Aufschub gebracht − Westen erwägt „nicht-marktgebundene“ Taktiken − China hält Verarbeitungstechnik knapp

Die Einigung zwischen den USA und China im Streit um chinesische Exportkontrollen auf die strategisch wichtigen Seltenen Erden und andere Mineralien hat dem Westen vorerst für ein Jahr die Versorgung gesichert. Gleichwohl gewinnt das globale Wettrennen um diese Ressourcen an Dynamik und Brisanz.

ku Frankfurt

Im Handelsstreit mit den USA hatte China im Oktober als Antwort auf immer neue Restriktionen beim US-Export von Technologie ins Reich der Mitte umfangreiche Exportkontrollen im Bereich der seltenen Erden eingeführt, die im Prinzip darauf hinausliefen, dass die amerikanische Rüstungsindustrie von den für sie essenziell wichtigen Ressourcen abgeschnitten wurde. Im Rahmen der vorläufigen Einigung zwischen den USA und China von Ende Oktober hat Peking dann die Exportkontrollen für ein Jahr ausgesetzt. Dies verschafft der amerikanischen und der europäischen Rüstungs- und Hochtechnologieindustrie einen überlebenswichtigen Aufschub, denn ohne diese Rohstoffe sind viele Technologieprodukte nicht zu produzieren und China kommt auf einen Marktanteil bei der Verarbeitung der seltenen Erden und ähnlicher Rohstoffe von rund 90%. Die Preise von Seltenen Erden und die Aktienkurse von börsennotierten Bergbauunternehmen aus diesem Bereich waren vor der Einigung nach oben geschossen, danach hatte es aber eine Korrektur gegeben.

Salamitaktik angewendet

Der Aufschub von einem Jahr könnte sich indes als eine trügerische Ruhe erweisen, denn zuletzt hatten die USA im Rahmen einer Salamitaktik ständig neue Handelssanktionen gegen China erlassen, die − wenn die USA bei dieser Taktik bleiben sollten − auf einem gewissen Niveau wieder Gegenmaßnahmen Chinas auf den Plan rufen sollten.

Nun ist es nicht so, dass China ein Monopol auf das Vorhandensein von Seltenen Erden im Boden hätte. Diese Elemente sind weltweit relativ gleich verteilt, wenn auch mit besonders geeigneten Fundstellen in nicht allzu vielen Ländern. Die westlichen Industrieländer haben aber in den vergangenen Jahrzehnten die Förderung und insbesondere die Verarbeitung aufgegeben, weil diese mit enormen Umweltschäden verbunden ist und China hat im Rahmen einer von früheren US-Administrationen verordneten globalen Arbeitsteilung diese Aufgabe übernommen. Nun jedoch ist sich China seiner daraus resultierenden Macht bewusst geworden und der Westen erfährt eine bisher nicht gekannte Ohnmacht.

Als Reaktion auf diese neue Erfahrung haben die USA und Europa nun zahlreiche Initiativen gestartet, um das Quasi-Monopol Chinas zu brechen und die aus der Knappheit resultierenden massiven Probleme bei der Aufrechterhaltung der globalen US-Vorherrschaft zu lösen. Insbesondere die USA versuchen sich derzeit weltweit an zahlreichen Orten den Zugang zu Seltenen Erden zu sichern und zudem die Verarbeitung in den USA oder in Ländern unter US-Kontrolle in Gang zu bringen.

Mit harten Bandagen

Dabei wird mit harten Bandagen gekämpft. So sagte der amerikanische Handelsminister Chris Wright unlängst den US-Medien: „Wir müssen intervenieren und einige nicht-marktgebundene Kräfte einsetzen.“ Was damit gemeint sein könnte, lässt sich jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump entnehmen. Dieser stellt Militärschläge und sogar eine direkte militärische Intervention in Nigeria in Aussicht, die er mit zahlreichen Terroraktien islamistischer Extremisten gegen die christliche Minderheit begründet, wobei es den Konflikt zwischen dem islamischen Norden und dem christlichen Süden in dem afrikanischen Land schon mindestens seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1960 gibt. Erst im September hatte der einflussreiche US-Think-Tank Brookings Institute einen Bericht über kritische Mineralien in Afrika veröffentlicht und dabei auf die wichtige Rolle Nigerias hingewiesen. Neben Öl und Gas verfügt das Land über Eisenerz, Bauxit, Lithium, Zink, Blei, Kupfer, Zinn, Gold, Uran und auch seltene Erden. Nigeria ist gemäß Daten des World Mining Congress nach Südafrika der zweitwichtigste afrikanische Produzent von Mineralien unter Ausklammerung von Diamanten.

Trump schließt Abkommen

Ferner hat Trump im Rahmen seiner kürzlich erfolgten Südostasienreise ein Memorandum of Understanding mit der thailändischen Regierung über den Zugang der USA zu kritischen Mineralien des Landes vereinbart. Thailand hat 2024 immerhin rund 13.000 Tonnen an seltenen Erden produziert, ein Anstieg von 260% gegenüber Vorjahr. Ein ähnliches Memorandum of Understanding hat Trump mit der Regierung von Malaysia unterzeichnet. Malaysia verfügt über abbaubare Seltene Erden im Boden im Volumen von geschätzten 16 Mill. Tonnen. Trump nimmt für sich auch in Anspruch, den seit Jahrzehnten bestehenden Konflikt zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda beigelegt zu haben und im Gegenzug dafür Zugang zu den immensen Bodenschätzen des Kongo und Wert von geschätzten 24 Bill. Dollar erhalten zu haben. Die US-Regierung hat auch ein Auge geworfen auf die Bodenschätze Brasiliens an seltenen Erden, die auf 21 Mill. Tonnen geschätzt werden. Vor einiger Zeit hat Trump gegen das führende BRICS-Mitglied hohe Strafzölle von 50% verhängt und damit den Druck erheblich verstärkt. Der US-Präsident strebt auch die Annexion Grönlands an, das über Seltene Erden im Volumen von 1,5 Mill. Tonnen verfügen soll. Das US-Unternehmen Critical Minerals Corp. will in Grönland in einem neuen Projekt Seltene Erden im Volumen von nach Unternehmensangaben 4,7 Mrd. Tonnen fördern.

Die britische Regierung hat auch neue Verhandlungen mit der dänischen Verwaltung in Grönland angekündigt, um sich Zugang zu den Ressourcen zu sichern.

Projekte in Australien

Trump hat ebenso eine Vereinbarung mit der australischen Regierung über den Zugang zu den kritischen Rohstoffen des Landes geschlossen, die Projekte im Volumen von immerhin 8,5 Mrd. Dollar umfasst. Die  bereits bekannten Reserven des Landes an seltenen Erden werden mit 5,7 Mill. Tonnen veranschlagt, bei einer Produktion im vergangenen Jahr von lediglich 13.000 Tonnen.

Die USA streben auch eine engere Zusammenarbeit mit rohstoffreichen Ländern Zentralasiens wie Kasachstan und Usbekistan an, die bislang eher im russischen Machtbereich zu verorten waren. Erste Abkommen auf anderen Gebieten wie Eisenbahntechnik gibt es bereits. Russland selbst verfügt über geschätzte Reserven an seltenen Erden von 28,7 Mill. Tonnen. Sowohl die EU als auch die USA streben die Ausbeutung der Bodenschätze der Ukraine an, die allein über 22 der 34 von der EU als kritisch eingestuften Mineralien verfügt. Mit einem im April unterzeichneten Deal mit der ukrainischen Regierung haben die USA zwar die Nase vorn. Allerdings schließt sich das Fenster für die USA insofern, als ein immer größerer Teil der Regionen mit Bodenschätzen im Rahmen des Kriegs unter russische Kontrolle gerät, da sich die Bodenschätze überwiegend im Osten des Landes befinden.

Know-how nur in China vorhanden

Anfangserfolge der USA und ihrer Verbündeten sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Quasimonopol Chinas bestenfalls langfristig in Gefahr ist. Der Aufbau einer Förderung von Seltenen Erden dauert mindestens drei bis fünf Jahre. Die Zeit bis zum Funktionieren einer vollständigen Lieferkette wird auf zehn Jahre geschätzt. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass das Know-how für die Verarbeitung von Seltenen Erden inzwischen fast ausschließlich in China vorhanden ist.

Neben den aktuell ausgesetzten Exportkontrollen hat Peking weitere Mittel, um die Kontrolle über diesen strategisch wichtigen Wirtschaftsbereich zu behalten. So hat jetzt Amanda Lacaze, Managing Director des australischen Bergbauunternehmens Lynas Rare Earths, gewarnt, dass westliche Projekte im Bereich der seltenen Erden vor wesentlich höheren Kosten stehen als bisher gedacht, weil chinesische Hersteller von Verarbeitungstechnik in diesem Bereich ihre Verkäufe ins Ausland und andere chinesische Lieferanten ihren Absatz von den für die Verarbeitung erforderlichen Verbrauchsmaterialien bewusst knapp hielten.

Berenstein glaubt nicht an Superzyklus

Gleichwohl haben die Aktien von westlichen börsennotierten Unternehmen aus dem Bereich der seltenen Erden und anderer kritischer Mineralien in den vergangenen Monaten eine enorme Rally hinter sich. Nach der vorläufigen Einigung zwischen den USA und China gab es zwar Kursrückschläge, viele Analysten sind aber nach wie vor optimistisch. Die Experten von Bernstein sind allerdings zurückhaltender. Sie halten die Aktien aus dem Sektor zwar nicht für überbewertet, glauben aber, dass Hoffnungen auf einen Superzyklus im Bereich der seltenen Erden übertrieben sind mit Blick auf die frühere Entwicklung des Marktes, das zu beobachtende langsame Wachstum des Marktes und die technische Substitution durch andere Rohstoffe. Vorteile hätten diejenigen Unternehmen der Branche, denen es gelungen sei, langfristige Verträge mit Regierungen zu schließen, die unter anderem Preisuntergrenzen beinhalteten als Anreize für den langfristigen Ausbau der Produktion.