China

Yuan-Stabilisierung hat Vorrang

Chinas Zentralbank will sich angesichts der prononcierten Schwäche des Yuan gegenüber dem Dollar auf keine weiteren Zinssenkungsabenteuer einlassen.

Yuan-Stabilisierung hat Vorrang

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Im wachsenden Zwiespalt zwischen konjunktur- und wechselkurspolitischen Prioritäten setzt Chinas Zen­tralbank ein neues Zeichen, dass die Aussichten auf einen offensiven monetären Lockerungskurs zur Stabilisierung der nachlassenden Wachstumskräfte in China eher gering sind. Trotz lauter werdender Rufe nach zinsinduzierten Stimuli zur Unterstützung der von Corona-Restriktionen und einem heftigen Abschwung am Wohnimmobilienmarkt abgebremsten Wirtschaft verzichtet die People’s Bank of China (PBOC) auf eine neuerliche Senkung ihrer wichtigsten geldpolitischen Zinsrate zur Steuerung der Geldversorgung der Geschäftsbanken.

Am Donnerstag wurden den ­Banken bei der monatlichen Zuteilung von Geldern im Rahmen der Medium-Term Lending Facility (MLF) 400 Mrd. Yuan (knapp 58 Mrd. Euro) zu einem unveränderten Refinanzierungszins von 2,75% angeboten. Im Abgleich mit aus­laufenden MLF-Geldern bedeutet dies einen Nettomittelentzug von 200 Mrd. Yuan und damit einen eher restriktiven Impuls in Form einer Liquiditätsstraffung.

Zuvor im August hatte die PBOC zur Überraschung der Marktteilnehmer den MLF-Zins um 10 Basispunkte von 2,85 auf 2,75% zurückgenommen und damit auch eine leichte Senkung der von den Banken am 20. eines Monats neu angepassten Benchmark-Zinsen bewirkt. Dabei wurde die sogenannte Loan Prime Rate (LPR) für einjährige Unternehmenskredite zwar nur um 5 Basispunkte gesenkt, die für Hypothekenkredite maßgebliche fünfjährige LPR aber um 15 Basispunkte gesenkt. Ob die vorsichtige Zinslockerung einen wesentlichen Impuls zur Anregung der Kreditnachfrage und realwirtschaftlichen Stimulierung einbringen konnte, gilt als zweifelhaft. In jedem Fall aber hat die Zinsgeste nachhaltigen Eindruck auf die Devisenmarktteilnehmer gemacht und den seit Frühjahr zu beobachtenden Baissetrend des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar wesentlich verstärkt und akzeleriert.

Anhaltender Druck

Binnen nur eines Monats hat der Yuan weitere 4% gegenüber dem Greenback eingebüßt und notiert bei zuletzt 6,97 Yuan je Dollar fast 9% unter dem Stand zu Jahresbeginn. Die Marktteilnehmer rechnen fest damit, dass der Yuan-Trend anhält und der Wechselkurs demnächst die marktpsychologisch relativ wichtige Marke von 7 Yuan je Dollar übersteigt. Für die PBOC geht es weniger darum, die 7-Yuan-Marke eisern zu verteidigen, als zu signalisieren, dass einseitige Wetten auf eine rasch weiter gehende Yuan-Baisse nicht lohnen und eine Trendwende in Aussicht steht. Diese Botschaft wäre im Falle einer neuerlichen Zinssenkung im direkten Gefolge zum August-Schritt kaum zu halten gewesen.

Händler gehen davon aus, dass die Notenbank die MLF-Zinsrate im weiteren Jahresverlauf nicht mehr antasten wird. Dies gilt als wesentliche Voraussetzung, um das Sentiment am Devisenmarkt nicht weiter zu belasten und die Wechselkursänderungserwartungen zu stabilisieren. Am Donnerstag ist zusätzlich die vor zwei Wochen seitens der PBOC angekündigte Senkung der Mindestreservequote auf Fremdwährungsguthaben chinesischer Banken von 8 auf 6% wirksam geworden. Damit soll der Liquiditätsspielraum für Dollar-Verkäufe seitens chinesischer Banken, die zu einer Yuan-Stützung beitragen, weiter anwachsen.

Bonbon für die Banken

Bei den Bemühungen zur Stabilisierung des Yuan-Wechselkurses schielt die Notenbank vor allem auch auf die Renditekonstellation zwischen chinesischen und amerikanischen Staatsanleihen, als einem wesentlichen Faktor für den in diesem Jahr zu beobachtenden Kapitalabzug aus China seitens globaler Investoren. Nach der Serie von scharfen Leitzinserhöhungen in den USA und angesichts der Erwartung eines fortgesetzten Restriktionskurses der US-Notenbank hat sich der traditionelle Zinsvorsprung chinesischer Regierungsanleihen gegenüber Pa­pieren des US-Treasury ins Gegenteil verkehrt. Zuletzt sah man im zehnjährigen Laufzeitbereich einen rekordhohen Renditevorteil der Treasury-Bonds von fast 100 Basispunkten und damit einen starken Anreiz zu weiteren Umschichtungen in Dollarpapiere.

Mit der Beibehaltung der für die Preisbildung bei Yuan-Regierungsanleihen bedeutsamen MLF-Zinsrate hat sich die Rendite auf zehnjährige Yuan-Staatsbonds bei 2,66% gehalten und dürfte zunächst seitwärts tendieren. Marktteilnehmer gehen allerdings davon aus, dass die Banken von der PBOC zu einer weiteren leichten Senkung der LPR-Zinsen ermuntert werden, weil sich diese Anpassung nicht direkt auf die Wechselkurssituation und Bondrenditen auszuwirken pflegt. Als beredtes Anzeichen dafür gilt, dass Chinas führende staatskontrollierte Großbanken am Donnerstag eine Rücknahme des Benchmark-Zinses für dreijährige Spareinlagen um 15 Basispunkte auf 2,6% verkündet haben. Gleichzeitig wird die Verzinsung auf geldmarktfähige dreijährige Einlagenzertifikate um 10 Basispunkte auf 1,45% gesenkt. Der Entlastungsschritt im Einlagengeschäft soll den Banken eine forschere Verbilligung von Kreditkonditionen erlauben, ohne den Druck auf ihre Zinsmargen wesentlich zu erhöhen.

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