Inflationsfolgen

Zinsrisiken für Aktien

Nach dem Anstieg der US-Inflation auf 7,5% müssen sich Anleger auf weiter steigende Anleiherenditen einstellen. Das birgt Risiken für die Aktienmärkte.

Zinsrisiken für Aktien

Die Anleiherenditen scheinen auf ihrer Klettertour kein Halten zu kennen. Am Donnerstag hat die laufende Verzinsung der zehnjährigen Bundesanleihe die Marke von 0,30% erreicht, ihr US-Gegenstück die Schwelle von 2%. Getrieben wird die Entwicklung von der weiter anziehenden Inflation, mit der die Zinserhöhungserwartungen zusehends geschürt werden. Zuletzt schockten die US-Inflationsdaten vom Januar mit einer Jahresteuerung von 7,5%. Daraufhin sprach sich der Präsident der St. Louis Fed, James Bullard, dafür aus, den amerikanischen Leitzins bis Juli um einen vollen Prozentpunkt zu erhöhen. Der Druck auf die Notenbanken der Industrieländer steigt unaufhörlich, wie nicht zuletzt die EZB gezeigt hat, die eine Leitzinserhöhung in diesem Jahr nicht mehr ausschließt.

Höhere Inflation als Mexiko

Bullards Forderung bedeutet, dass angesichts von drei Sitzungsterminen des Offenmarktausschusses bis Juli in einer Sitzung ein großer Zinsschritt von 50 Basispunkten getan werden muss, der Markt preist dies sowie eine Anhebung der Fed Funds Rate in diesem Jahr um insgesamt 175 Basispunkte bereits ein. Wie sehr sich die Lage weiter zuspitzt, verdeutlicht ein Kommentar von Bank of America. Die US-Inflation sei über diejenige Mexikos gestiegen, was selten vorkomme. Dabei liege der mexikanische Leitzins deutlich höher bei 5,5% (er wurde nach Erstellung des Kommentars am Donnerstagabend auf 6% erhöht). Die Bank sieht nun eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es innerhalb von drei Wochen zu einer Fed-Zinserhöhung außerhalb der turnusmäßigen Sitzungen kommen wird.

All dies verdeutlicht, dass sich die Aktienmärkte darauf einstellen, dass die Anleiherenditen weiter steigen, was Risiken birgt. So wird der Bewertungsvorteil von Dividendentiteln geschmälert, was zur Folge hat, dass die ihnen seitens der Investoren zugebilligten Bewertungen weiter reduziert werden könnten. „Die nochmals höher ausgefallenen US-Inflationszahlen dürften den Anstieg der Bondrenditen, welche immer stärker an der relativen Attraktivität von Aktien knabbern, nun sogar noch weiter befeuern“, kommentiert die Landesbank Baden-Württemberg die Entwicklung. Dabei falle die Aktienrisikoprämie bereits jetzt unterdurchschnittlich aus. Dies drücke auf die Perspektive von Aktien, zumal ein schwacher Jahresstart in aller Regel länger nachwirke. Hinzu kommen weitere Folgen, so etwa höhere Finanzierungskosten bzw. das Ende der ultragünstigen Konditionen, zu denen sich Unternehmen am Kapitalmarkt Mittel beschaffen können. Andererseits sind die höhere Inflation und die steigenden Zinsen ein Reflex des trotz der jüngsten Prognose­reduktionen nach wie vor hohen globalen Wachstums, durch das die Unternehmensgewinne ih­ren Anstieg fortsetzen, wenn auch mit deutlich vermindertem Tempo.

Angesichts dieser Gemengelage verwundert es nicht, dass die Implikationen des veränderten Zinsumfelds zum Teil sehr unterschiedlich be­urteilt werden. Bank of America etwa geht nun davon aus, dass die europäischen Aktienmärkte in diesem Jahr Verluste erleiden werden, und prognostiziert ei­nen Rückgang des Stoxx Europe 600 um 9% auf 430 Punkte per Ende Dezember. Das Bankhaus J. Safra Sarasin glaubt, dass die Normalisierung der Geldpolitik und eine nachlassende makroökonomische Dynamik zusätzlichen Druck auf die Bewertungen und die Unternehmensgewinne ausüben und zu einem steinigeren Weg für die Aktienmärkte führen werden. Daher hat es seine Jahresendziele für Aktienindizes gesenkt, etwa für den Dax von 17100 auf 16500 Zähler.

Gelassen beurteilt die DZ Bank die Lage. „Weder die EZB-Geldpolitik noch ein ,US Emergency Hike‘ stellen aus unserer Sicht maßgebliche Aktienmarktrisiken dar. Die Volatilität dürfte zwar erhöht bleiben, wir erwarten jedoch keine weitere merkliche KGV-Einengung, weder in Europa noch in den USA.“ Steigende Unternehmensgewinne böten dagegen mittelfristig Aktienkurspotenzial. Das Institut erwartet den Dax Ende 2022 weiterhin bei 18000 Zählern. Der Anlageausschuss der Credit Suisse wiederum, der einen weiteren geldpolitischen Schock für möglich hält, hat beschlossen, vorerst an seiner neutralen taktischen Aktienallokation festzuhalten. Zwar ist das Institut mittelfristig für Aktien zuversichtlich. Es bestehe jedoch immer noch ein erhöhtes Risiko für weitere Verluste, weil in der Vergangenheit Korrekturen, die durch eine Änderung der geldpolitischen Erwartungen ausgelöst worden seien, oftmals zu temporären Erholungsphasen und einem nachfolgenden erneuten Rückgang geführt hätten.

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