Marcus Walthaner, IAD Deutschland

IAD kommt ohne Maklerbüros aus

Die deutsche Maklerbranche gerät in Bewegung. Digitale Geschäftsmodelle verändern die traditionell geprägte Szene. Aus Frankreich drängt das Netzwerk IAD auf den Markt.

IAD kommt ohne Maklerbüros aus

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Folgt man dem Proptech IAD, hat das klassische Maklerbüro ausgedient. Das 2008 im Süden von Paris gegründete Unternehmen verfolgt ein digitales Maklermodell. Es agiert als Netzwerk unabhängiger Immobilienvermittler, die über eine digitale Plattform verbunden sind. Seit Jahresbeginn ist das Unternehmen in Deutschland vertreten.

Im europäischen Vergleich sei Deutschland generell hintendran bei der Digitalisierung, sagt Marcus Walthaner, CEO von IAD Deutschland. „Der Immobiliensektor ist im Vergleich zu anderen Sektoren noch einmal unterdurchschnittlich entwickelt.“ Gründe seien die lähmende Bürokratie, fehlende Agilität und die mangelnde digitale Vernetzung zum Beispiel zwischen den Gutachterausschüssen.

Frankreich sei in der Digitalisierung viel weiter als Deutschland. „Dort gibt es zum Beispiel mehr als 700 Proptechs, in Deutschland nur 450 bis 500“, sagt Walthaner im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Das Geschäftsmodell von IAD kombiniert Immobilienvermittlung ohne physische Büros, eine digitale Plattform und ein Unternehmermodell. Mehr als 19 000 Berater sind als kollaboratives Netzwerk angeschlossen. „Wir sind das erste französische Proptech, das zum Unicorn aufgestiegen ist, also eine Bewertung von mehr als 1 Mrd. Euro erreicht hat“, betont Walthaner. Das Unternehmen sei profitabel. Die Margen lägen im zweistelligen Prozentbereich, versichert der Manager, ohne Zahlen zu nennen.

Im Geschäftsjahr 2021/22 kam die Gruppe auf 526 Mill. Euro Umsatz, 30 % mehr als im Jahr zuvor. Der größte Teil entfiel mit 500 Mill. Euro auf Frankreich. Dort sieht sich IAD als Marktführer. Laut Präsident Clément Delpirou ist IAD auf gutem Weg, in den nächsten drei bis vier Jahren 10 % Marktanteil in Frankreich zu erreichen. Die Deutschland-Zentrale befindet sich in Frankfurt.

Börse kein Thema

Die Ersparnis durch den Verzicht auf Büros könne IAD an Kunden weitergeben, sagt Walthaner: „Wir verlangen zwischen 3 und 4 % Provision, keine 7 %.“ Weder der rapide Zinsanstieg noch die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine belasteten das Geschäft: „Wir spüren keinen Ab­schwung, weil unsere Konditionen unter dem Marktniveau liegen.“ Gerade in Zeiten, wo das Budget knapper werde, sei ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis umso wichtiger.

Ein Börsengang ist laut Walthaner kein Thema. „Alle fünf, sechs Jahre gibt es Finanzierungsrunden“, sagt der Deutschland-Chef. „Das wird auch künftig so sein.“ Bei der 2021er-Runde ist der US-Investor Insight Partners mit 300 Mill. Euro als Minderheitsaktionär eingestiegen, der unter anderem durch seine Investments bei Twitter und Teamviewer bekannt ist.

Vertreten ist IAD neben Frankreich und Deutschland auch in Portugal, Mexiko, Italien und Spanien. In den Zentralen der verschiedenen Tochtergesellschaften arbeiten nach letzten Angaben mehr als 400 Beschäftigte.

In Mexiko hat das Unternehmen eine Beteiligung erworben, „unser Vorzimmer für den Markteintritt in den Vereinigten Staaten“, wie Walthaner sagt. Dieser stehe im neuen Jahr an, ebenso wie der Einstieg in Großbritannien. Ziel sei, international das größte Netzwerk in der Immobilienberatung zu werden.

In Deutschland gibt es laut Walthaner etwa 25 000 bis 30 000 professionelle Makler, meist Ein- oder Zwei-Personen-Büros. Hinzu kämen Gelegenheitsmakler. Führend seien Franchise-Unternehmen wie Engel & Völkers, Von Poll oder Remax. Auch die Banken hätten einen gewissen Marktanteil. Nur die Hälfte der jährlich etwa 750 000 Transaktionen im deutschen Wohnungsmarkt laufe über registrierte Makler, der Rest über Gelegenheitsmakler oder werde privat abgeschlossen.

Einzelkämpfer unter Druck

Unter den digitalen Tools ist vor allem die Online-Wohnungsbesichtigung verbreitet. „Seit Corona ist der virtuelle Erstbesuch Standard“, berichtet der Deutschland-Geschäftsführer. Auch die Exposé-Erstellung sei vielfach automatisiert. In Frankreich seien Anwendungen für die elektronische Unterschrift von Makler- und Mietverträgen verbreitet, in Deutschland weniger. IAD arbeite über eine Tochtergesellschaft permanent an neuen Lösungen, um die „Journey“ von Kunden und Maklern zu verbessern.

Der Konkurrenzdruck in Deutschland sei hoch. Als Gründe nennt Walthaner das geringe Angebot infolge der schwachen Bautätigkeit, die Neuregelung der Maklerprovision mit Teilung zwischen Käufer und Verkäufer und die hohen Erwerbsnebenkosten von alles in allem 15 bis 16 %, die den Immobilienerwerb in Deutschland zusätzlich verteuern.

Für Einzelkämpfer sei es nicht immer leicht, mit der digitalen Transformation oder den rechtlichen Änderungen im Datenschutz mitzuhalten und gleichzeitig Umsatz zu machen, so dass die Suche nach einem starken Partner naheliege, sagt Walthaner. Daher sei eine Konzentration zu erwarten. „Letztlich wird sich der Markt auf drei, vier große Player limitieren, denn nur sie haben die Ressourcen für die Digitalisierung. Einzelmakler müssen sich Nischen suchen, sich Netzwerken oder anderen Unternehmen anschließen.“

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