Arbeitslosigkeit in Eurozone sinkt auf Rekordtief
Euro-Arbeitslosigkeit sinkt auf Rekordtief
Arbeitslosenquote bei 6,5 Prozent – Angespannter Jobmarkt erhöht Druck auf EZB
ast Frankfurt
Die Arbeitslosenquote in der Eurozone ist auf ein neues Rekordtief gesunken. Mit 6,5% liegt sie so niedrig wie nie seit 1998. Der angespannte Arbeitsmarkt setzt die EZB unter Zugzwang. Der Lohndruck steigt und schürt die Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale, die die hohe Inflation weiter befeuern könnte.
Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist im März auf ein neues Rekordtief gesunken. Wie das europäische Statistikamt Eurostat am Mittwoch vermeldete, sank die Arbeitslosenquote um 0,1 Prozentpunkte auf 6,5%. Seit Beginn der Datenreihe im Jahr 1998 lag die Quote nie niedriger (siehe Grafik). In der Europäischen Union verharrte sie unverändert bei 6,0%. Die positiven Daten vom Arbeitsmarkt erhöhen den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) und schüren Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale.
Im März zählte Eurostat in der Eurozone 11,01 Millionen Arbeitslose – in der EU waren demnach 12,94 Millionen Personen ohne Job. Gegenüber Februar steht ein Minus von 121.000 in der Eurozone und 155.000 in der Europäischen Union zu Buche. Im Vergleich zum Vorjahresmonat zählten die Statistiker 365.000 Arbeitslose weniger bzw. 353.000 in der EU.
Innerhalb der EU gibt es nach wie vor große Unterschiede. Die niedrigste Arbeitslosenquote weist Tschechien mit 2,6% aus (+0,2 Prozentpunkte gegenüber Februar), gefolgt von Polen und Deutschland mit jeweils 2,8%. Die höchste Quote meldeten Spanien mit 12,8% und Griechenland mit 10,9%. In nahezu allen Staaten ging die Arbeitslosenquote zurück oder blieb gleich. Lediglich in Belgien, Tschechien und Estland wurde ein leichter Anstieg registriert. Die Arbeitsmarktdaten von Eurostat basieren auf Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Quote für Deutschland ist daher deutlich niedriger als die Quote, die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet wird. Die Bundesagentur hatte Ende April mitgeteilt, dass die deutsche Arbeitslosenquote im April und März jeweils bei 5,7% lag.
Inflationstreiber Arbeitsmarkt?
Der Arbeitsmarkt in Europa entwickelt sich demnach besser als noch gegen Ende des vergangenen Jahres erwartet. Dabei schwächelt die Konjunktur seit Monaten infolge der Pandemiejahre und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Das stellt die Geldpolitik vor ein Problem: Ein robuster Arbeitsmarkt kann höhere Lohnforderungen begünstigen. Dies wiederum dürfte die ohnehin zu hohe Inflation weiter befeuern. Denn steigende Löhne steigern die Kosten der Unternehmen, die diese wiederum auf ihre Preise aufschlagen. Die Inflation legt zu und die Arbeitenden fordern erneut höhere Löhne. Politik und Zentralbanken versuchen daher eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale zu verhindern – etwa durch steuerfreie Inflationsausgleichsprämien in Höhe von bis zu 3.000 Euro in Deutschland.

Die Arbeitenden haben zudem ein Druckmittel, um ihre Forderungen durchzusetzen: den Fachkräftemangel. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich, Spanien und der EU insgesamt steigt laut Daten des Münchner Ifo-Instituts seit Jahren der Anteil der Unternehmen, die Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung von Stellen melden. Das führt dazu, dass viele Betriebe auch in Krisenzeiten an ihren Beschäftigten festhalten – aus Sorge, nach dem Ende der Krise keine passenden Mitarbeiter mehr zu finden.
Noch gibt es aber keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale. Die jüngsten Tarifabschlüsse – etwa in Deutschland – fielen zwar höher aus als in der Vergangenheit, werden aber nach Ansicht von Ökonomen in der Fläche keine Wirkung auf die Inflationsentwicklung entfalten. Fakt ist zwar auch, dass etwa die Arbeitskosten in Europa im vergangenen Jahr deutlich gestiegen sind. Arbeitgeber gaben also unter anderem mehr für Löhne und Gehälter und Lohnnebenkosten aus. Gleichzeitig sank aber die Kaufkraft der Mitarbeiter. Das zeigte sich jüngst auch in den Daten zum deutschen Einzelhandel, die das Statistische Bundesamt am Dienstag veröffentlichte. Der Lebensmittelhandel verzeichnete sogar das stärkste Minus seit 1994.
Geldpolitik muss Kurs halten
In einer Rede in Edinburgh Ende März sagte auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, dass ein angespannter Arbeitsmarkt zwar die Wirtschaft stütze, zugleich aber den Preisdruck verschärfe – ein Dilemma für die EZB. Die Devise müsse „Wachsamkeit“ sein, sagte Nagel. Der EZB-Rat tritt am Donnerstag zusammen. Als am wahrscheinlichsten gilt ein Zinsschritt von 25 Basispunkten. Die Euro-Inflation hatte sich im April erstmals seit Monaten wieder etwas beschleunigt.