Auf der Suche nach Passierschein A38
Auf der Suche nach Passierschein A38
Auf der Suche nach Passierschein A38
Das Ifo-Institut hat sich an eine Bestandsaufnahme der Sozialleistungen gewagt
Von Stephan Lorz, Frankfurt
In Deutschland gibt es derzeit über 500 verschiedene Sozialleistungen allein auf Bundesebene. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Ifo-Instituts. Eigentlich wollten die Ökonomen Ausmaß und Wirkung der Sozialleistungen berechnen, doch wurden sie dann von der schieren Vielzahl an Gesetzen überwältigt und fühlten sich dabei wohl an den Comic „Asterix erobert Rom“ erinnert. Dort verheddern sich die Akteure auf der Suche nach dem „Passierschein A38“ im Bürokratiedschungel. Entsprechend betitelten sie ihre Studie. „Statt der eigentlich erhofften Quantifizierung entstand deswegen zunächst nur eine Inventarliste aller Sozialleistungen auf Bundesebene“, sagt Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen.
Die Liste hat es in sich und könnte Ansatzpunkt sein, um den „Herbst der Reformen“, den Bundeskanzler Friedrich Merz versprochen hat, zu konkretisieren. Allein die Sozialgesetzbücher umfassen derzeit 3.246 Paragrafen, die sowohl die Sozialleistungen selbst als auch Regeln enthalten, die für ihre Umsetzung erforderlich sind. Hinzu kommen Gesetze, die weitere Leistungen begründen, wie das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, das Bundesausbildungsförderungsgesetz, das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, oder das Gesetz über Familienpflegezeit. „Unsere Datenbank ist ein erster Schritt zu mehr Transparenz im Sozialstaat“, sagt Ifo-Forscherin Lilly Fischer.
Hoher Bürokratieaufwand
Wegen der Vielzahl der Gesetze und Einzelregelungen ist der bürokratische Aufwand enorm. Gleichzeitig fehlt es an genauen Daten, um die jeweiligen Leistungen zu quantifizieren, klagen die Ökonomen. Hier könnte die Politik anknüpfen und für mehr Übersichtlichkeit sorgen, etwa durch Zusammenfassungen von Leistungen und Bündelung in weniger Behörden. Das wäre dann hauptsächlich die Aufgabe von Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, die ihrem Haus zugeordneten Leistungen zu verschlanken und zu bündeln. „Man kann sicherlich über die ein oder andere Leistung diskutieren oder aber Teilleistungen unterschiedlich zusammenfassen oder aufteilen. An der grundsätzlichen Aussage dürfte sich jedoch nicht viel ändern: Es gibt sehr viele Sozialleistungen in Deutschland“, sagt Peichel, verkneift sich dabei aber ein „zu viele“.

BZ, ifo
Wege aus der Komplexität
Der Normenkontrollrat hatte in seinem Gutachten „Wege aus der Komplexitätsfalle“ im vergangenen Jahr bereits gefordert, das „Haus der sozialen Hilfe und Förderung“ auf den Prüfstand zu stellen und eine Bündelung empfohlen. Denn die große Zahl an Leistungen und damit verbundenen Anforderungen und Ausführungsbestimmungen erhöht nicht nur die Intransparenz, sondern ist auch unter Gerechtigkeitsaspekten zweifelhaft. Zum einen lädt das zu Missbrauch ein, können Behörden gegeneinander ausgespielt werden, zum anderen bleibt wegen der Wechselwirkungen oft unbekannt, ob die Leistungen ihre erhoffte Wirkung tatsächlich erzielen. „Die Politik muss in einem nächsten Schritt Daten zu Inanspruchnahme, Kosten und Verwaltungsaufwand der Leistungen bereitstellen“, fordert Fischer.
Kosten legen zu
Für die Bundesregierung könnte das der Ausgangspunkt sein, um nicht nur die Bürokratie, sondern auch die Kosten insgesamt einzudämmen, die letztlich auf Steuern und Sozialabgaben durchschlagen. Allein die Ausgaben für Sozialhilfe sind im vergangenen Jahr nochmals deutlich gestiegen. Nach Angaben der Bundesstatistiker in Wiesbaden lagen sie mit 20,2 Mrd. Euro 14,8% über dem Vorjahr. Dabei handelt es sich um Leistungen zur Existenzsicherung, die Personen erhalten, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können. Noch nicht enthalten in dieser Statistik ist das Bürgergeld.
Der Großteil der Ausgaben ging laut dem Statistischen Bundesamt mit 56,5% auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zurück. Die Leistungen betreffen finanziell hilfsbedürftige Menschen im Rentenalter oder Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen weniger als drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Dafür fielen 13,3% mehr an als im Vorjahr.
